USA

US-Label und EU-Etikett: Lebensmittelkennzeichnung im Vergleich

Innerhalb der Europäischen Union ist die Kennzeichnung von Lebensmitteln klar geregelt. In den USA ist sie dies auch – aber anders. Die Food and Drug Administration (FDA) und das United States Department of Agriculture (USDA) vertreten hier nämlich durchaus andere Ansichten als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit. Inwiefern? Zum Beispiel bei der Nährwertkennzeichnung. Oder der Schriftgröße bei den auf dem Label abzudruckenden Pflichtangaben. Aber auch bei der Bezeichnung von Allergenen oder Farbstoffen oder der Interpretation von Claims aller Art.
Gisela Leon, unabhängige Beraterin für EAS Consulting hat hier viele Beispiele parat. Sie ist seit über 40 Jahren im Geschäft und hat zahlreiche Etiketten deutscher Unternehmen auf ihre Konformität für den US-Markt überprüft. Im Mai steht sie Unternehmen als Referentin und Beraterin im Rahmen des digitalen Workshops „Fitter for FDA- US-Kennzeichnung für Lebensmittel“ zur Verfügung, den die IHK Hannover gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft anbietet.

Neugierig?
Die IHK Hannover hat einige Fragen, die ihr mit steter Regelmäßigkeit von Betrieben aus der Lebensmittelbranche gestellt werden, an die Expertin adressiert:
Ganz weit vorne im Fragenkatalog: Wann muss sich ein deutscher Betrieb, der Lebensmittel in die USA liefert, überhaupt mit den Vorschriften der US-Kennzeichnung auseinandersetzen?
Gisela Leon: „Alle Lebensmittel, die in den USA im Einzelhandel angeboten werden, müssen vollständig, das heißt unter Berücksichtigung der geltenden US-Rechtsvorschriften gekennzeichnet werden. Ausgenommen von der Nährwertkennzeichnung sind nur Lebensmittel, die keinen signifikanten Nährwert haben. Ungesüßter Kaffee zum Beispiel. Oder Gewürze. Die vollständige Kennzeichnung ist nur dann nicht notwendig, wenn deutsche Betriebe Lebensmittelprodukte zur Weiterverarbeitung an US-amerikanische Betriebe liefern. Genaue Spezifikationen, die die weiterverarbeitenden US-Betriebe zur Ableitung der richtigen Kennzeichnungen für das Endprodukt befähigen, müssen aber von den deutschen Herstellern bereitgestellt werden. Gleiches gilt für Lieferanten, die ihre Produkte an die Gastronomie verkaufen: Restaurants müssen Produkte nicht vollständig kennzeichnen, aber da heutzutage immer öfter Angaben zu den Nährwerten einzelner Menüs gemacht werden, werden die Lieferanten auch hier detaillierte Spezifikationen machen müssen. Am Ende des Tages müssen sich also eigentlich alle deutschen Lieferanten von Lebensmittelprodukten mit der Kennzeichnung nach US-Vorbild auseinandersetzen – die einen sehr intensiv, die anderen weniger intensiv.“
Und welche Angaben müssen verpflichtend auf dem US-Verpackungslabel stehen? Handelt es sich hier um dieselben Informationen, die die Europäischen Union will?
„Es gibt durchaus Gemeinsamkeiten; aber die Europäische Union hat mehr als die fünf verpflichtenden Kennzeichnungselemente, die wir in den USA kennen. Was man hier will, ist: die Verkehrsbezeichnung des Lebensmittels, die Zutaten, Angaben zum verantwortlichen Betrieb, die Nettoinhaltsangabe, und die Nährwertkennzeichnung. Das alles braucht es auch in Europa. Allerdings sind in Europa beispielsweise auch Angaben zum Mindesthaltbarkeitsdatum verpflichtend. Und auch wenn auf beiden Kontinenten die Pflicht gilt, Zutaten oder Nettoinhalt auszuweisen, so ist die Art und Weise, wie diese Informationen ausgewiesen werden, doch sehr unterschiedlich. Dies gilt auch für einige weitere obligatorische Kennzeichnungselemente. Allergene zum Beispiel. Ihre Kennzeichnung läuft nach einem komplett anderen System. Gleiches gilt für standardisierte Produkte, bei denen die Kennzeichnung ebenfalls noch detaillierter erfolgen muss. Jogurt wäre so ein Fall. Hier muss der Milch-Fett-Gehalt ausgewiesen werden. Nur so ist der Jogurt vollständig nach dem US-Standard gekennzeichnet. Oder Käse und Käseprodukte …. Ob der Bergkäse in den USA auch rechtmäßig als Alpine Cheese verkauft werden darf und was es dafür für Angaben auf dem Etikett braucht, gilt es auf jeden Fall zu prüfen. 21 CFR, Part 133 – Cheeses and related Cheese Products – 52 Seiten über Käse.”
Stichwort Nährwertkennzeichnung. Die Unterschiede zwischen USA und Europäischer Union sieht man sofort, wenn man einen Blick auf die Labels wirft.
„In der Tat. In den USA sind insgesamt 15 Nährwerte verpflichtend zu kennzeichnen. Das sind mehr als doppelt so viele Pflichtangaben wie in der Europäischen Union. Es gibt ein paar Ausnahmen von dieser Regel; zum Beispiel, wenn nicht mehr als acht der obligatorischen Nährwerte in einem Lebensmittel vorhanden sind. Aber das Standard-Format sind die 15. Die Pflichtangaben dürfen – ebenso wie in der Europäischen Union – durch bestimmte freiwillige Angaben ergänzt werden. Also Angaben zu bestimmten Vitaminen oder Mineralstoffen zum Beispiel. Allerdings ist das mit dem ,dürfen‘ so eine Sache. Obwohl wir hier von den ,voluntary nutrients‘ sprechen, müssen alle Vitamine und Mineralstoffe, die einem Lebensmittel zugesetzt worden sind, grundsätzlich auch mit den entsprechenden Angaben zum Tageswert aufgeführt werden. Gleiches gilt, wenn auf der Verpackung eine Aussage über gesundheitliche Auswirkungen oder die im Lebensmittel enthaltene Menge, beispielweise ,high‘ oder ,low‘ gemacht wird. Wirklich verzichten darf man auf die Angaben nur dann, wenn sie mit weniger als zwei Prozent des Tageswertes im Lebensmittel vorhanden sind.“
RACC, Serving Size, Daily Value. Was will die FDA hier?
In den USA basiert die Nährwertkennzeichnung auf Referenzwerten. RACC steht für ,Reference Amounts Customarily Consumed‘. Basierend auf einer umfassenden Befragung der amerikanischen Bevölkerung legt die FDA diese Referenzmengen fest. So hat Kaffee hierzulande beispielsweise einen Referenzmenge von 360 Millilitern. Kaffee wird hier nämlich für gewöhnlich in großen Bechern serviert – 360 Milliliter also. In Italien würde man hier vielleicht auf einen anderen Referenzwert kommen. Ein anderes Beispiel sind Eier. Die werden hier auf Basis ihrer Portionsgröße mit 110 Gramm angegeben. Portionsgrößen werden durch ein Haushaltsmaß bestimmt, die so genannte ,serving size‘. Ein Tee- oder Suppenlöffel zum Beispiel. Oder eine Tasse. Aber natürlich keine gewöhnliche Tasse oder gebräuchlicher Löffel. Die Maßbehältnisse haben einen definiteren Inhalt, von denen dann das volumetrische Maß genommen wird, um Portionsgrößen in Gramm zu bestimmen. Das hört sich komplizierter an als es ist. Ja, und der ,Daily Value‘ ist ein von der Wissenschaft festgelegter und empfohlener Tageswert für bestimmte Nährwerte, die im Laufe des Tages von einem jeden von uns konsumiert werden sollte.“
Kopfzerbrechen bereiten deutschen Unternehmen auch immer die Lebensmittelzusatzstoffe.
„Verständlicherweise. In der Europäischen Union werden Lebensmittelzusatzstoffe nach ihrer Funktion deklariert werden und dann werden in Klammern Angaben zu den verwendeten Zusatzstoffen gemacht. In den USA hingegen behandelt man praktisch alles, was einem Lebensmittel zugesetzt wird als ,food additive‘. Damit gibt es hierzulande – außer für Konservierungsmittel und Farben – praktisch keine Funktionsbezeichnung. Wichtigstes Merkmal ist die Definition der verwendeten Zusätze: Jeder Lebensmittelzusatzstoff wird also in absteigender Reihenfolge nach dem Gewicht aufgelistet. E-Nummern sind in USA unbekannt. Hier werden die Namen verwendet, die in den Vorschriften für bestimmte Stoffe angegeben werden.“
Andere Unterschiede betreffen die Angaben zu Natrium und Salz oder Ölen und Fetten – Zusätze, die viele Betriebe in ihren Produkten haben. Aber auch zu Allergenen bekommt die IHK immer wieder Fragen gestellt.
„Ja, bei der Nährwertkennzeichnung von Natrium und Salz gibt es erhebliche Unterschiede. In den USA wird nämlich nur Natrium in der Nährwerttabelle angegeben. Kommt das Natrium als Salz in das Produkt, so wird das Salz in der Zutatenliste aufgeführt. Die Angaben zum Natriumgehalt beschränken sich allerdings nicht allein auf das Natrium, das vom Salz kommt, sondern auch auf alle anderen Quellen. Bei Ölen und Fetten erlaubt die amerikanische Verordnung eine zusammenfassende Darstellung unter Sammelnamen, wie ,pflanzliche Öle und Fette‘ oder ,tierische Öle und Fette‘. Die Angaben zu den Quellen müssen den Sammelnamen allerdings folgen. Also zum Beispiel Rapsöl, Sojaöl & Co.
Die Sache mit den Allergenen ist etwas komplexer. In den USA können Allergene auf zwei Arten gekennzeichnet werden. So könnte ein Allergen, von denen es in den USA übrigens nur neun gibt, mit seinem Namen in der Zutatenliste aufführen. Der Angabe von ,Cream‘, also Rahm, muss dann durch ein in Klammern gebrachtes ,Milk‘ folgen. Es könnte aber auch eine Kennzeichnung am Ende der Zutatenliste erfolgen. Dann unter dem Begriff ,Contains‘, dem dann eine Liste aller vorkommenden Allergene folgt. Die Hervorhebung der Allergene, beispielsweise durch einen besonderen Schriftgrad oder eine Farbe ist in den USA übrigens nicht erforderlich. Die niedrige Nummer 9 als Anzahl der Allergene täuscht – Nüsse, Fische und Schalentiere müssen mit dem Namen der Art deklariert werden.“
Farbstoffe: Bestimmte Lebensmittelfarbstoffe, die in der Europäischen Union verwendet werden, sind in den USA nicht zugelassen; genauso wie einige in den USA zugelassene künstliche Farbstoffe und Konservierungsmittel in hierzulande verboten sind.
„Ein Beispiel wäre ,vegtable Carbon‘, Dieser Farbstoff ist in den USA nicht zugelassen. Lebensmitteln, denen dieser Farbstoff zugesetzt ist, dürften insofern nicht in die USA importiert werden. Oder andersherum: Farbstoffe in Lebensmitteln dürfen generell nur dann verwendet werden, wenn sie in den USA auch zugelassen sind. E-Nummern kennt man hier nicht. Aber es gibt eine Liste, die die in Europa für Farbstoffe genutzten E-Nummern mit den in den USA gebrauchten Farben vergleicht. Sie sollte allerdings mit sehr viel Vorsicht benutzt werden. Es gibt viele Sonderfälle. Zum Beispiel bei künstlichen oder synthetischen Farbstoffen, für die es eine besondere Zulassung durch die FDA braucht. Um diese zu bekommen, müssen Proben des Farbstoffes an die FDA geschickt werden, wo diese untersucht werden. Ergebnis ist dann ein Zertifikat. Im positiven Fall. Dieses FDA Zertifikat sollte den Importpapieren beigefügt sein.“
Die Regeln in Bezug auf die Kennzeichnung von genetisch veränderten Organismen sollen in den USA recht locker sein. Verglichen mit europäischen Verordnungen zumindest. Fact oder Fake?
„Genetisch veränderten Organismen müssen in den USA gekennzeichnet werden. Allerdings sind die Vorschriften hierzu weitaus weniger komplex. Ein Satz wie ,contains a biogengineerd food ingredient‘ wäre ausreichend. Aber es gibt hier sehr viele Ausnahmen, die die Kennzeichnung dann doch nicht mehr so locker aussehen lassen. Soja Lecithin, das aus genetisch veränderten Sojabohnen gewonnen wird, erfordert zum Beispiel eine Kennzeichnung als ,bioengineered.‘
Last but not least: Claims. Hier gibt es so viele Fragen, die so unterschiedlich sind. Vielleicht ist es dennoch möglich mit einigen Hinweisen für mögliche Fettnäpfchen zu sensibilisieren?
„Grundsätzlich sind claims als Werbebotschaften freiwillig. Machen muss sie kein Betrieb. Dennoch finden sie auf fast jedem Produkt Anwendung. Als ,nutrient content claim’, ,structure and function claim’, oder als ,health claim’. Das sind die drei Kategorien von claims, die wir in den USA kennen. Und die immer wieder für Diskussionen, Verwarnungen oder Klagen sorgen. Für claims gibt es sehr exakte Bestimmungen. So werden claims, die sich auf Nährstoffgehalt und Gesundheit beziehen, mit ihrem Wortlaut von vielen Verordnungen geregelt. Bei den ,structure and function-claims‘ ist dies anders. Sie müssen wahrheitsgemäß sein, dürfen nicht irreführend sein und auf keinen Fall im Zusammenhang mit einer Krankheit benutzt werden. Einen bestimmten Wortlaut gibt es allerdings nicht. Letzteres wird von der FDA derzeit übrigens äußerst kritisch beobachtet. Ein Beispiel: ,helps overcome occasional constipation’ versus ,helps overcome constipation’. Die erste Aussage wäre vermutlich okay. Die zweite nicht, da Darmprobleme theoretisch auch symptomatisch durch bestimmte Krankheiten ausgelöst werden können. Anderes Beispiel: Auch das Bild eines Herzens auf einer Verpackung könnte als gesundheitsbezogene Aussage interpretiert werden. Es kommt dann auf den Zusammenhang im Text an. Eine Schokolade zum Valentinstag oder als Dankeschön mit dem Bild eines Herzens wird keine Probleme bereiten. Ein Herz auf einer Müslipackung, die für eine gesunde Ernährung wirbt, könnte allerdings als ,health claim‘ interpretiert werden. Hier wäre dann ein Blick auf die Anforderungen, die ein health claim mit sich bringt, notwendig. Ein Beispiel habe ich noch: Die Verwendung des Wortes ,natural‘ – immer noch eine der beliebtesten Auslobungen. Hier gibt es eine Reihe von Präzedenzfällen, in denen man Betrieben vorwirft, dass nicht alle Stoffe, die in dem Lebensmittel sind, natürlich sind. Hier ist also Vorsicht geboten. Ist in dem Produkt Ascorbinsäure, die in Natur vorkommt, zum Beispiel in Zitrusfrüchten, vorhanden? Dann ist es okay. Wird sie als synthetische Substanz hinzugesetzt? Dann sollte auf den claim ,natural‘ besser verzichtet werden. Gleiches gilt für die Begriffe ,bio‘ oder ,organic‘. Hier ist zwar die FDA aus dem Spiel und übergibt das Steuer an die USDA, also das amerikanische Landwirtschaftsministerium, aber einfacher wird es damit auch nicht. Die USDA hat ihr umfassende Regelungen mit Blick auf die Stoffe, die Lebensmittel erfüllen müssen um als biologische oder organische Produkte gekennzeichnet zu werden. Im Falle von organisch hat die USA mit der EU ein so genanntes Gleichwertigkeitsabkommen geschlossen, so dass in der Regel Stoffe, die in Deutschland Bio sind auch in USA organisch genannt werden dürfen. Dennoch empfehle ich, dass deutsche Hersteller hier sehr eng mit dem Zertifizierer zusammenarbeiten, um diese claims richtig zu machen.“
Neugierig auf mehr?
Der dreitägige Online-Workshop „Fitter for FDA: US-Kennzeichnung für Lebensmittel“ am 28. Mai, 29. Mai. und 31. Mai 2024, jeweils von 12.30 bis 17 bzw. 18 Uhr bietet Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie einen intensiven Einblick in die Produktkennzeichnung nach US-Vorschriften. Weitere Details zu Programm und Anmeldung finden sich im IHK-Veranstaltungskalender. Die Teilnehmergebühr beläuft sich auf 390 Euro zzgl. 19 % USt; die Teilnahmeplätze sind begrenzt und richten sich nach Datumseingang der Anmeldung.
Das Pendant für Nahrungsergänzungsmittel gibt es im November unter der Überschrift Fitter for FDA: US-Kennzeichnung für Nahrungsergänzungsmittel.
Und einen Überblick über die Voraussetzungen, die nach US-Recht erfüllt werden müssen, um Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel überhaupt erfolgreich in die USA zu exportieren und dort zu vermarkten, bietet der Online-Workshop "Fit for FDA: Lebensmittelsicherheit in den USA" am 11. April.

Stand: 04.04.2024