SH: Fotovoltaik

Branche mit großer Perspektive

Fotovoltaik erlebt erneut einen Boom im derzeitigen Energie-Wirbel. Hannes Thoms sprach für die IHK Schleswig-Holstein mit Gerriet Arndt, Geschäftsführer der Solar Wind Projekt GmbH. Als Projektleiter ist er vor Ort Ansprechpartner für Gemeinden, Landwirte und Verwaltungen und erledigt für die Vorhabenträger die gesamte Vorplanung.
Herr Arndt, heute stehen wir im Matsch bei norddeutschem Schietwetter auf einer Baustelle für Sonnenkollektoren, einer Solaranlage. Macht das hier in Norddeutschland eigentlich Sinn?
Die Erträge sind natürlich geringer als im Süden. Aber wenn wir die Kosten betrachten, können wir für 6 Cent pro Kilowattstunde produzieren. Im Subsahara-Bereich wäre man bei ca. 2,5 Cent. Auf dem Markt sind wir dennoch konkurrenzfähig, unter anderem aufgrund des CO2-Preises. Kohlestrom kostet in etwa auch 5-6 Cent, Wind sogar 7-8 Cent. Das heißt: Lokal sind wir der günstigste Stromproduzent
Und wie sieht es mit dem Strom aus der Subsahara aus?
Es gibt ja schon länger die Idee, den Strom über riesige Leitungen nach Europa zu bringen. Das kann man natürlich machen, aber man hat dann auch hohe Leitungskosten. Das Motto sollte also sein, lokal zu produzieren und dann lokal zu verbrauchen. Außerdem haben wir mit der Eigenproduktion Versorgungssicherheit und sind nicht abhängig von Ländern aus dem Nahen Osten. Geldgeber fragen sich schon, was mit ihren Investitionen in 30 Jahren passiert, also ob ihr Invest sicher ist für diesen langen Zeitraum. Das ist in Nordafrika kaum absehbar.
Bei der Fahrt an der A7 stellt man fest, dass sich hier auch massiv etwas tut. Wie kommt es, dass da jetzt dieser Boom in der Branche entstanden ist?
Wir bauen hier in Wasbek, in Ehndorf und Bimöhlen. Auch die meisten Anlagen, die in den letzten Jahren an der A7 entstanden sind, haben wir gebaut. Das liegt einerseits daran, dass wir als Unternehmen 2013 angefangen haben hier zu entwickeln, als sich die Branche eigentlich am Boden befand. Dabei waren wir der Überzeugung, dass sich die günstigen Erzeugungspreise durchsetzen. Andererseits war vom Gesetz für erneuerbare Energien die Kulisse Autobahn und Eisenbahntrassen immer gesetzt gewesen. Autobahnen gelten als vorbelastet in der Landschaft, weil die Trasse die Landschaft zerschneidet. Damit existiert hier für die Tierwelt eine vorgestörte Umgebung. Da hat der Gesetzgeber gesagt: Wenn schon Solaranlagen in der Landschaft stehen, dann erstmal an die vorgestörte Kulisse. Das gilt außerdem auch für Konversionsflächen.
Gerade jetzt ist die Eigenversorgung für viele Haushalte, aber auch die Industrie interessant.
Vor diesem Bauboom entlang der Verkehrswege gab es auch schon andere Zeiten. Woran lag das?
Das war etwa 2012, als die Gesetzgebung mit dem Röttgen-Rösler-Entwurf der Solarzellenproduktion als auch dem Projektentwicklern die Geschäftsgrundlage entzog, um den Strompreis zu senken. Man hat die Vergütungen für Großanlagen auf einen Schlag eingestellt. Besser wäre es gewesen, ein langsames Abschmelzen vorzunehmen. Der Schnitt war einfach zu hart. Damals sind 70.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Die Solarindustrie ist dann nach China abgewandert. Heute könnten wir wohl durch die hohe Automatisierung zu fast gleichen Preisen wie die Chinesen hier produzieren. Auch wären wir unabhängiger und müssten nicht Sorge vor einem Embargo haben.
Welche Rolle spielen denn die aktuellen Krisen für Sie?
Eine große. Gerade jetzt ist die Eigenversorgung für viele Haushalte, aber auch die Industrie interessant. Denn alle sehen, dass das mit dem billigen Gas nichts wird. Wir haben täglich Anrufe von großen Verbrauchern, gerade etwa eine große Papierfabrik, die sich ein eigenes Gaskraftwerk gebaut hatte. Die haben jetzt natürlich Panik und denken fieberhaft darüber nach, wo sie nun einen Solarpark für sich errichten können.
Meinen Sie, dass Sie auch für die kommenden zehn Jahre noch genug zu tun haben, oder sind irgendwann alle Autobahnen links und rechts vollgebaut und die Aufträge werden abnehmen?
Nein. Wir bauen nämlich längst nicht mehr nur an der EEG-Kulisse, sondern vermarkten den Strom direkt und sind dann eben nicht an die Autobahn gekettet. Wir haben sehr viele Projekte abseits der Kulisse, die teils bis zu 100 Hektar messen. Diese Projekte haben den Vorteil, dass man sie weit weg von der Bevölkerung in die Landschaft einpassen kann. Von der engen Bebauung der Autobahn auf die Fläche zu schließen wäre da eben falsch. Die Autobahn reicht aber für die Energiewende nicht. Wir brauchen in Deutschland ca. 400 Gigawatt an Solarleistung. Davon will man etwa die Hälfte auf Dächer und die andere Hälfte auf die freie Fläche bringen. Das bedeutet dann 250.000 bis 300.000 Hektar. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass wir rund 18 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzte Flächen haben. Für die Lebensmittelsicherheit ist das also kein Thema. Außerdem sind die Anlagenreversibel.
Wäre es aber dann nicht sinnvoller auch in den Städten noch mehr zu entwickeln?
Damit kriegen wir den Bedarf nicht gedeckt. Es gibt da viele Dachflächenanalysen, wo herauskommt, dass mindestens die Hälfte der Flächen ungeeignet sind. Dann muss jede Anlage einzeln am Netz genehmigt werden. Ich habe also für jede kleine Anlage mit nur 5 Kilowattstunden einen Riesenaufwand.
Autor: Hannes Thoms
Veröffentlicht: Februar 2021