Interview: Dr. Robert Habeck

"Schaufenster der Entwicklungschancen"

Bei der Umsetzung der Energiewende gibt es wie bei so vielen politischen Großvorhaben Licht und Schatten. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus Union und SPD ist eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) geplant. Die Wirtschaft führte dazu ein Gespräch mit Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Dr. Robert Habeck.
Wirtschaft: In welchen Bereichen der Energiewende sehen Sie Schleswig-Holstein auf einem guten Weg?
Robert Habeck: Besonders beim Netzausbau, aber auch beim Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein kommen wir voran. Die Landesregierung wird vom kommenden Jahr an in ihren Förderprogrammen einen klaren Schwerpunkt auf Energiewende und Klimaschutz legen. 40 Prozent der Fördermittel aus den EU-Fonds werden in diese Bereiche fließen. Das reicht von der energetischen Optimierung von Gebäuden über die Förderung der Nutzung von erneuerbaren Energien in Unternehmen bis hin zu Klimaprojekten. Und die Kommunen unterstützen wir durch eine Beratungsinitiative für die Wärmeplanung und Energieeffizienz.
Dr. Robert Habeck, Jahrgang 1969, ist seit 2012 stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein. Der gebürtige Lübecker studierte Germanistik, Philosophie und Philologie und arbeitete zeitweise als freier Schriftsteller. Von 2004 bis 2009 war er Landesvorsitzender der schleswig-holsteinischen Grünen, von 2009 bis 2012 Vorsitzender der Grünen-Landtagsfraktion.
Wirtschaft: Welche Themen der Energiewende werden aktuell - auch in der öffentlichen Diskussion - noch zu wenig behandelt?
Habeck: Handlungsbedarf sehe ich vor allem im Bereich der Wärmeplanung und Energieeffizienz. Das ist der schlafende Riese der Energiewende. In Schleswig-Holstein verursachen die Unternehmen durch ihren Energieeinsatz 38 Prozent der Kohlendioxidemissionen. Daher sind für mich Energieeffizienzmaßnahmen in Unternehmen von großer Bedeutung. Neben Informationsveranstaltungen, zusammen mit der IHK, besteht die Möglichkeit, über Beratungs- und Förderprogramme die Unternehmen bei einem Ressourcen- und Energie-Check zu unterstützen.
Wirtschaft: Was halten Sie von einer möglichen Novellierung des EEG?
Habeck: Eine EEG-Reform, mit der wir den Ausbau der erneuerbaren Energien kostengünstiger gestalten, ist gut und richtig - wir haben uns lange auf sie vorbereitet und treiben sie voran. Einen Vorschlag, wie wir mit einer Höchstvergütung pro Kilowattstunde den Ausbau der günstigeren Technologien - Wind an Land und Fotovoltaik - weiter vorantreiben können, haben wir im Oktober auf den Tisch gelegt. Wir brauchen eine Kosten- und keine Mengenbremse, wie sie mit dem "Ausbaukorridor" leider im Koalitionsvertrag angekündigt ist. Und wir müssen die Kosten gerechter verteilen: Die Industrieausnahmen etwa sollten verringert werden, um dadurch mittelständische Betriebe zu entlasten. Wir sollten das Eigenstromprivileg reduzieren sowie den Eigenstromverbrauch konventioneller Kraftwerke einbeziehen. Da gerade dieser Aspekt auch von der EU-Kommission kritisch beäugt wird, hoffe ich hier auf Lösungen!
Wirtschaft: Welche Auswirkungen hätte eine Änderung des EEG auf die (Ausbau-) Ziele der Landesregierung?
Habeck: Fatal wäre, wenn der Ausbaukorridor tatsächlich einen Deckel bedeutet. Das wäre das Ende der Energiewende in Schleswig-Holstein. Der mögliche Zubau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist dort im Koalitionsvertrag so gering angesetzt, dass die zusätzliche Stromerzeugung voraussichtlich nicht einmal den bis Ende 2022 wegfallenden Atomstrom ersetzen wird. Rechnet man die Ziele und Maßnahmen für Offshore und Fotovoltaik vom geplanten Ausbaukorridor ab, könnte für Onshore-Wind in einem wahrscheinlichen Szenario nur eine Zubaumenge von 500 bis 1.000 Megawatt pro Jahr bleiben. Es ist sowohl aus Kosten- als auch aus Klimaschutzgründen absolut kontraproduktiv, die kostengünstigste erneuerbare Energie - Wind an Land - zu drosseln. Der Vorschlag ist so widersinnig, dass ich glaube, dass er unbedacht in das Papier kam.
Wirtschaft: Wo liegen die Grenzen des aktuellen Einspeisemanagements?
Habeck: Das Einspeisemanagement ist richtig und auch künftig notwendig, um das weiter wachsende Angebot an erneuerbarem Strom effizient zu nutzen. Vorrangig ist allerdings der Netzausbau. Künftig werden auch die diversen Speicheroptionen hinzukommen. Spätestens mit einem Anteil von 60 Prozent aus erneuerbaren Energien am Jahresstromverbrauch muss das Einspeisemanagement auf das Zusammenwirken mit möglichen Speichertechnologien abgestimmt und eine intelligente Vernetzung und Steuerung vorgenommen werden.
Wirtschaft: Kann der Netzausbau der Verteilnetze mit dem Zubau neuer Anlagen Schritt halten?
Habeck: Für die Verteilnetze der Mittelspannungs- und Hochspannungsebene heißt die Antwort eindeutig ja. Beim Ausbau der Höchstspannungsebene sind wir eigentlich Jahre zu spät - wir holen jetzt das nach, was viel früher hätte passieren müssen. Dabei sind wir inzwischen auf einem sehr guten Weg, bei der Planung der Westküstenleitung kommen wir gut voran. Falls die Bundesnetzagentur im anstehenden Netzentwicklungsplan die Erschließung der Region Ostholstein mit einer 380-Kilovolt-Leitung bestätigen sollte, können wir auch an der Ostküste beherzt loslegen. Durch den Bürgerdialog Westküstentrasse haben wir viele Kenntnisse sammeln können, die eine bessere Planung ermöglichen. Im Kern würde es bei einer Erschließung der Ostküste eine ähnlich angelegte, frühe Bürgerbeteiligung geben wie an der Westküste.
Wirtschaft: Welche Bedeutung haben Modellprojekte wie etwa in Hemmingstedt (Power to Gas) und auf Pellworm (Smart Grid)?
Habeck: Diese Projekte sind Beispiele, wie vielfältig die Nutzungsmöglichkeiten von Speichertechnologien sind. Wir messen dem Zubau und der Integration von Speicherkapazitäten einen hohen Wert bei. Kombinationen aus Abwärme, Sonne, Biomasse, Wärmepumpen und dergleichen werden die künftige Wärmeversorgung prägen. Ich würde mich freuen, wenn viele Kommunen in eine Wärmeplanung einsteigen und wir unsere Häuser demnächst erneuerbar heizen würden. Schleswig-Holstein sollte so etwas wie ein Schaufenster der Entwicklungschancen sein.
Interview: Martina Gremler
Veröffentlicht am 10. Februar 2014