Energieeffizienz

Potenziale in der Produktion

Besonderes Kennzeichen industrieller Produktion ist seit jeher ein hoher Energiebedarf. In Zeiten stetig steigender Preise für Strom und Wärme steckt im effizienten Energieeinsatz wachsendes Sparpotenzial. Dabei können auch kleinere Maßnahmen großen Erfolg haben.
Ein Industriegebiet, aus Produktionshallen entweichen Dampfschwaden: Seit den Zeiten der industriellen Revolution war dies ein gewohnter Anblick, oft synonym für die wachsende Herstellung unterschiedlichster Güter. Die Wärme blieb weitgehend ungenutzt. Im Rahmen der Effizienz von Unternehmen spielt die Wärmerückgewinnung heute eine wichtige Rolle in der Energiekostensenkung. Sie ist häufig aber nur ein Baustein im Gesamtkonzept.
Hohen Energiebedarf hat bei der Logica Medizintechnik GmbH aus Oldenburg i. H. insbesondere die Reinraumfertigung mit Spritzgießverarbeitung und Montage. Zur Kühlung der Werkzeuge ist eine Kühlwasserstation mit 19 Grad Celsius Vorlauftemperatur installiert. Der moderne Freiluftkühler nutzt zur Kälteerzeugung bis 16 Grad Außentemperatur nur Außenluft. Bis 18 Grad arbeitet die Kühlstation in einem Mischbetrieb mit elektrisch getriebener Kühlung. Erst danach muss die Anlage vollständig elektrisch arbeiten. Torsten Prüß, Energiebeauftragter der Firma, sagt: "Dadurch haben wir rund 50 Prozent der Energiekosten für die Kühlung gespart." Hinzu komme, dass auch bei der Klimatisierung des Reinraums bis zu 90 Prozent Außenluft genutzt werde, so Betriebsleiter Bernd Kripke. Da hier ein 20-facher Luftaustausch pro Stunde nötig sei, werde das Sparpotenzial noch deutlicher.
An verschiedenen Stellen setzt auch die Firma Steinbeis Papier an, deren jährlicher Strombedarf dem einer 160.000-Einwohner-Stadt gleichkommt. "Bei Unternehmen, die eine Vielzahl von großen Energieverbrauchern betreiben, ist die Summe der Einzelprojekte entscheidend für den Gesamterfolg", erklärt Rieke Thee, Energiemanagerin in dem Glückstädter Unternehmen. Eine Maßnahme sei etwa, an zwei Papiermaschinen die älteren Hochdruckpumpenantriebe gegen effizientere und passend dimensionierte auszutauschen. "Die Einsparung bei den Maschinen beträgt rund 60 Prozent." Dass zu einem erfolgreichen Energiemanagement auch das Engagement der Mitarbeiter zählt, zeigt ein Vorschlag aus der Steinbeis-Belegschaft: Durch eine Idee zur Prozessoptimierung, für die nur 200 Euro investiert werden mussten, konnte der Betrieb rund 10.000 Euro einspare.
Bedarf flexibel steuern
Die Bredstedter Firma North-Tec berät Mittelständler bei der optimalen Steuerung des Strombedarfs und beim Spitzenstrommanagement. "Je höher der Verbrauch, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der gezahlte Strompreis optimierbar ist", sagt Geschäftsführer Ralf Breckling. Müsse eine Pumpe beispielsweise fünf Stunden täglich laufen, ohne dass die Tageszeit dabei eine wesentliche Rolle spiele, passe die Firma im Rahmen des sogenannten Demand Side Managements den Einsatz an den günstigsten Verbrauchszeitpunkt an. "Wir nennen das 'die Maschinen gegen den Marktpreis fahren'", so der Unternehmer. Dafür entwickeln seine Mitarbeiter die Software und bauen und installieren die notwendige Technik. In den eigenen Hallen hat die nordfriesische Firma ein Blockheizkraftwerk (BHKW) gebaut, das Produktion und Verwaltung mit Strom und Wärme versorgt. "Durch ein eigenes BHKW wird man unabhängiger von den Versorgern. Und die Kosten pro Kilowattstunde sinken zudem um bis zu zehn Cent", erklärt Breckling. Auf ein eigenes Kraftwerk setzt auch Steinbeis, um die Vorteile der Kraft-Wärme-Kopplung zu nutzen und Kosten zu reduzieren.
Gibt es im Bereich Verbräuche Flexibilitäten oder in der Produktion Überkapazitäten von Energie, können diese mithilfe des Energielogistikers Nordgröön wirtschaftlich genutzt werden. So könne man zur Energiewende beitragen und zudem einen wirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen erzielen, so Breckling.
Auch Steinbeis steuert seinen Spitzenbedarf aktiv. "Wir müssen für die höchste einmalig abgenommene Menge pro Viertelstunde das ganze Jahr zahlen", erklärt Rieke Thee. Das sei in etwa so, als wenn der Betrieb das ganze Jahr für eine Autobahn zahle, die nur einmal im Jahr benötigt werde, da sonst die Bundesstraße genüge. "Deshalb versuchen wir, diese Spitzenlast durch rechtzeitige Abschaltungen der Produktion zu senken." So habe das Unternehmen diese Kosten bisher um 17 Prozent gesenkt.
Die Bedeutung von aktivem Energiemanagement heben sowohl Rieke Thee wie auch Bernd Kripke hervor. Seit der Einführung eines Energiemanagements im Jahr 2000 hat Steinbeis den Strom- und Wärmebedarf um 33 Prozent reduziert. Auch Logica Medizintechnik konnte, auf die Produktion im Jahr 2014 gerechnet, etwa 20 Prozent des Energiebedarfs einsparen. Allerdings blieben die tatsächlichen Kosten bei beiden Firmen konstant. Dies lag vor allem an der Produktionserweiterung; bei Steinbeis wiegt unter anderem der sinkende Papierpreis die Einsparungen auf.
Der Erfolg des Energiemanagements hänge letztlich von einigen grundsätzlichen Faktoren ab, berichten die Experten übereinstimmend. "Neue Maschinen müssen optimal ausgelegt sein, um effizient zu arbeiten. Sie dürfen nicht zu groß konzipiert werden", sagt Thee. Kripke ergänzt: "Etwas Selbstverständliches ist in der Praxis leider nicht immer vorhanden: Kommunikation, sowohl unter den Mitarbeitern als auch bei den Planern." Die einzelnen Anlagen müssten aufeinander abgestimmt sein, da viel Potenzial verloren gehe, wenn Anlage A größer konzipiert sei als Anlage B, beide aber miteinander arbeiten müssten. Die Experten stimmen auch in einem weiteren Punkt überein: "Der große Hebel zur Senkung des Bedarfs liegt in der Produktion, Maßnahmen in der Verwaltung sind nur Ergänzung", fasst Thee zusammen.
Daniel Kappmeyer
Veröffentlicht am 5. Februar 2016