Quickborn: Wasserstoffproduktion

Grüner Strom aus Afrika

Es wird die wohl größte Wasserstoff-Investition mit deutscher Beteiligung in Afrika: Die Quickborner Conjuncta GmbH ist Teil einer Wasserstoffproduktion in Mauretanien. Im Interview spricht Geschäftsführer Professor Dr. Stefan Liebing über das Großprojekt.
Herr Liebing, Sie führen bereits ein Wasserstoffprojekt in Angola. Warum beginnen Sie ein neues Projekt in Mauretanien?
Dass es in der derzeitigen Weltlage mehr Projekte zur Produktion von grünem Wasserstoff geben muss, steht für mich außer Frage. In Angola erwarten wir aktuell die nächste Phase und konnten gerade eine erste Vereinbarung mit dem angolanischen Stromversorger unterzeichnen, der bereit ist, uns grünen Strom zu liefern. Wir haben jetzt einen guten Zeitpunkt, um auch in Mauretanien aktiv zu werden. Das Land gehört zu den fünf besten Ländern weltweit, wenn es darum geht, grünen Wasserstoff zu produzieren. Wir haben hier viel Wüste, aber auch die Atlantikküste. Das heißt: viel Sonne tagsüber, starker Wind nachts. Mauretanien hat einen recht gut ausgebauten Containerhafen und sehr viel freie Fläche. Die Regierung ermöglicht es uns, auf diesen freien Flächen Wind- und Solarparks aufzubauen, die eine eigene Elektrolyseanlage versorgen werden. In der Endausbaustufe soll die Anlage über eine Elektrolysekapazität von zehn Gigawatt Strom verfügen. Zum Vergleich: Das will Deutschland insgesamt bis 2050 bauen.
Wie sieht die Umsetzung konkret aus?
Wir geben nun Studien in Auftrag, gehen in die Projektplanung, überprüfen technische Konzepte. In der ersten Phase soll die Anlage zunächst 400 Megawatt umfassen, also so viel wie in Angola. Für 2028 erwarten wir Wasserstofflieferungen nach Deutschland aus der ersten Phase.
Mauretanien liegt in der terroristisch bedrohten Sahel-Region. Haben Sie Sorge, dass das Projekt als unsicher eingestuft wird?
Mauretanien gilt in der Region als Stabilitätsanker. Wir arbeiten sehr eng mit der Regierung zusammen, die großen Wert darauf legt, ein deutsches Partnerunternehmen zu haben. Deutsche Technologien zu den Erneuerbaren gelten im Land als führend. Die Regierung möchte dieses Wissen für die Bevölkerung, aber auch für die öffentliche Darstellung Mauretaniens nutzen. Das Land hat lediglich fünf Millionen Einwohner und wir können viele Arbeitsplätze schaffen. Alle Beteiligten hoffen daher, durch das Projekt mehr öffentliche Aufmerksamkeit für Mauretanien in anderen Sektoren zu gewinnen. Das führt zu mehr Investitionen, zu mehr ausgebauter Wirtschaft, zu mehr Stabilität in der Region. Wenn wir aus Deutschland mehr in diese vermeintlichen „Gefahrenländer“ investieren, können wir sie sicherer machen und damit auch attraktiver für Folgeinvestitionen – und ich halte es für glaubhafter, wenn deutsche Unternehmer aufgrund ihrer Erfahrungen positiv über dieses Land sprechen, als wenn Diplomaten für ihr Land werben, deren Aufgabe es ja ist, alles positiv darzustellen.
Nach der Abhängigkeit vom russischen Gas könnte man nun meinen, dass wir uns in eine Abhängigkeit von Afrika bewegen.
Damit die Energiewende in Deutschland gelingt, brauchen wir grünen Wasserstoff. Mit acht Millionen Tonnen Ammoniak pro Jahr leisten wir einen wesentlichen Beitrag dazu. Wir werden den Großteil des Produkts aus Mauretanien abnehmen und eine weitere Abhängigkeit von Russland verhindern können. Die Lehre aus der russischen Gasproblematik ist die, dass wir verschiedene Bezugsquellen für unsere Energie brauchen. Ich betone: Wir müssen unsere grünen Energien diversifizieren und von vielen Lieferländern beziehen. Diese Länder sind nach meiner Einschätzung neben Angola und Mauretanien auch Saudi-Arabien, Kanada, Brasilien oder Marokko. Wenn dann künftig ein Land wegen Problemen ausfallen sollte, ist die Versorgung immer noch aus anderen Regionen sichergestellt.
Wie kann das Projekt Mauretanien reibungslos gelingen?
Ein wichtiges Zeichen aus der Politik wäre jetzt, wenn sie Investitionsrisiken deutscher Unternehmen absichern würde, bei der Finanzierung stärker aktiv würde, Investitionsgarantien ermöglichen würde und durch Bürgschaften den Unternehmern unter die Arme greifen würde. Wir brauchen in der Entwicklungszusammenarbeit weniger Studien, Strategiepapiere und Seminare und sondern mehr konkrete Unterstützung bei Investitionen in Risikoländern, zum Beispiel durch gute Finanzierungskonditionen oder Bürgschaften.
Interview: Julia Romanowski
Veröffentlicht: Juni 2023