Nutzung von Windenergie

Strom vom Drachen

Kinderspielzeug oder Energielieferant? An 800 Meter langen Seilen sollen sie in die Höhe steigen: bis zu 1.000 Quadratmeter große Drachen der SkySails Power GmbH. Die zweijährigen Tests sind in den Kreisen Dithmarschen und Nordfriesland geplant.
Bereits seit Jahren vermarktet SkySails bis zu 400 Quadratmeter große Zugdrachen als Antrieb für Frachtschiffe und Jachten. Geboren wurde die Idee, als der damals 14-jährige Stephan Wrage von seinem hoch oben fliegenden Lenkdrachen förmlich über den Strand von Sankt Peter-Ording gezogen wurde, während die Segler am Boden kaum Wind verspürten. Bis nach seinem Studium zum Wirtschaftsingenieur ließ ihn ein Gedanke nicht los: "Irgendwie müssen wir den Drachen aufs Schiff bringen." So gründete der heute 45-jährige Hamburger SkySails und verwirklichte den Schiffsantrieb. "Die Drachen erzeugen bis zu zwei Megawatt und sparen so bis zu 10.000 Liter Schweröl am Tag und entsprechend Kohlendioxid", sagt Wrage. "Spätestens nach dem dritten Bier kommt man dann auf die Idee, damit auch Strom zu erzeugen."
Derzeit entwickelt die SkySails Power GmbH, eine Tochter der SkySails Group GmbH, eine Bodenstation zur Stromerzeugung. Zum System gehören: Drachen, Seil, Steuergerät, Winde und ein Startmast. "In Aktion funktioniert das wie ein Jo-Jo. Der Drachen zieht das Seil von der Winde ab, die sich dadurch dreht und Strom erzeugt." Zur maximalen Kraftentfaltung fliegt der Drachen 800 Meter breite und 100 Meter hohe Achten. Ein Generator wandelt die Zugkraft in Strom um, mit dem sich Batterien laden oder via Elektrolyse Wasserstoff und Sauerstoff gewinnen lassen - etwa für den Einsatz von Brennstoffzellen. Auch ins Stromnetz ließe sich die Energie einspeisen. "Kurz bevor das Seil zu Ende ist, wird der Drachen so in den Wind geflogen, dass er mit ihm zurück zur Bodenstation geführt wird." Der untere Umkehrpunkt befindet sich bei 100 bis 200 Metern Höhe, der obere bei 400 bis 800 Metern. "Dazwischen saust der Drache hin und her." Beim Aufsteigen wird Energie produziert, das Absteigen kostet Energie - allerdings sehr viel weniger. Ein großes Thema sei die Automation, so Wrage. Denn was der Mensch intuitiv ausgleiche, wie Fallwinde und Böen, lasse sich maschinell nur mit ausgefeilter Steuerungstechnik kompensieren.
Offshore-Einsatz
"Später sind noch größere Drachen mit einer Leistung von mehr als fünf Megawatt denkbar", so Wrage. Zum Vergleich: Auf See beträgt die installierte Leistung pro Windkraftanlage im Schnitt 4,3 Megawatt in Deutschland, wobei es bereits Acht-Megawatt-Turbinen am Markt gibt. "Wir sehen die Drachen als Ergänzung zu Windkraftanlagen, denn beide Technologien haben unterschiedliche Stärken." Vorteile der Drachen seien geringere Stromerzeugungskosten, mehr Volllaststunden und eine gleichmäßigere Stromerzeugung. "Wenn wir den Wind in 400 bis 600 Metern Höhe über der Grenzschicht der Erde nutzen, haben wir stärkeren und gleichmäßigeren Wind, weil er nicht durch die Erdoberfläche abgebremst wird."
Ideale Einsatzorte sieht Wrage offshore, da die Installation auf schwimmenden Plattformen den Einsatz auch bei großen Wassertiefen ermöglicht. Auch entlegene Regionen seien gut geeignet - etwa der Norden Kanadas -, weil die Anlagen aufgrund ihrer geringen Größe per Hubschrauber angeliefert werden könnten. In Taifunund Hurrikan-Gebieten könnten die Drachen einfach "eingefahren" werden, erklärt Wrage und erinnert an mehrere Windkraftanlagen, die in der Dominikanischen Republik Stürmen nicht standhielten.
Im Januar stieg der erste Testdrachen in Klixbüll im Kreis Nordfriesland in die Luft. Auch in Reinsbüttel im Kreis Dithmarschen sollen Testflüge stattfinden. Zunächst sollen 40 Quadratmeter große Testdrachen vier- bis fünfmal im Monat fliegen. "Sie erzeugen zwar nur 50 Kilowatt, aber Fehler werden dann nicht so teuer." Aktuell findet das Zubehör noch Platz auf einem Pkw-Anhänger. Für die anschließende Prototyping-Phase und die Produktion ist SkySails bereits auf Standortsuche. "Da die Offshore-Anlagen an Land gewartet werden müssen, bietet sich eine Produktionsstätte in der Nähe eines Hafens an. Die Logistik in Brunsbüttel ist für uns interessant", sagt Wrage.
Andrea Scheffler
Veröffentlicht am 2. Februar 2018