Interview

„Die Erfahrung hat uns gelehrt, achtsam zu sein.“

Roswitha Geyer-Fäßler engagiert sich als Vizepräsidentin des Landesbauernverbands in Baden-Württemberg e. V. sowie als stellvertretende Kreisvorsitzende des Bauernverbands Allgäu-Oberschwaben e. V. und bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Bio-Milchviehbetrieb mit eigener Nachzucht in Wangen-Karsee. Wir sprachen mit ihr darüber, wie sie dem geplanten Biosphärengebiet Allgäu-Oberschwaben aus Sicht einer Bäuerin gegenübersteht.

Wie reagieren die Landwirte in der Region Allgäu-Oberschwaben, wenn Sie auf das geplante Biosphärengebiet zu sprechen kommen?

Genervt und frustriert. Wir Landwirte beschäftigen uns bereits seit zwei Jahren sehr zeitintensiv mit dem Thema Biosphärengebiet, zum Beispiel in den verschiedenen Arbeitskreisen des Biosphären-Prozessteams. Trotzdem gibt es bis heute noch keine einzige verlässliche Grundaussage zu Zonierung, Auflagen, Finanzierung oder Rechtsfragen.
Genervt und frustriert. Wir Landwirte beschäftigen uns bereits seit zwei Jahren sehr zeitintensiv mit dem Thema Biosphärengebiet, zum Beispiel in den verschiedenen Arbeitskreisen des Biosphären-Prozessteams. Trotzdem gibt es bis heute noch keine einzige verlässliche Grundaussage zu Zonierung, Auflagen, Finanzierung oder Rechtsfragen.

Wie ist diese Zurückhaltung, die ja bis zum Misstrauen reicht, zu begründen?

Ein Biosphärengebiet ist ein Großschutzgebiet nach Naturschutzrecht. Da werden Erinnerungen an die Einrichtung der FFH-Gebiete wach, bei denen wir Landwirte im Nachhinein entgegen aller Beteuerungen doch deutliche Einschränkungen zu spüren bekommen. Auch die öffentlichen Aussagen des Fraktionschefs der Grünen, dass das Biosphärengebiet noch vor der Landtagswahl kommen wird, weil die Regierungsfraktionen sich einig sind, stehen im Widerspruch zu den bisherigen Beteuerungen: „Bottom-up Prozess“, „jede Gemeinde entscheidet eigenständig per Gemeinderatsbeschluss über eine Teilnahme“, „die Region hat für die Entscheidung alle Zeit, die sie braucht“ und „ergebnisoffener Prozess“. Die Erfahrung hat uns gelehrt, achtsam zu sein. Wir sehen in einem Biosphärengebiet keinen Mehrwert für unsere Region, der es wert wäre, die Risiken eines Großschutzgebiets vor allem für die Landeigentümer einzugehen.

Gibt es Landwirte, die in der Ausweisung des geplanten Biosphärengebiets auch Chancen für ihren Betrieb sehen?

Ja, klar. Es gibt immer Betriebe, die für sich eine Nische finden und darin eine Chance sehen. Aber unsere landwirtschaftlich starke Region mit circa 1.200 Vollerwerbsbetrieben und einem bereits heute überdurchschnittlich hohen Anteil von Biobetrieben kann nicht nur von Nischen leben. Notwendige Strukturanpassungen müssen hier groß skaliert werden – und da ist eine große Biosphärengebiet-Verwaltung mit unzähligen anderen Aufgaben und Schwerpunkten aus meiner Sicht das absolut falsche Instrument.

Ein für ein Biosphärengebiet prägender Ansatz ist ja der Gedanke, dass dadurch neue Wertschöpfungsketten auf den unterschiedlichsten Ebenen entwickelt werden könnten – von speziellen touristischen und gastronomischen Leistungen bis hin zur Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln oder pflanzlichen Rohstoffen. Könnten aus diesem Grundgedanken heraus denn neue Ansätze für die heimische Landwirtschaft entwickelt werden?

Für die Umsetzung von Ideen braucht man Geld. Das geplante Biosphärengebiet hat lediglich 200.000 Euro pro Jahr für Projekte zur Verfügung. Weitere Geldmittel kommen aus den verschiedensten Töpfen, die auch ohne Biosphärengebiet angezapft werden können. Wir sind zum Beispiel schon Biomusterregion, sind bei LEADER dabei und sind mit den Betrieben durch unseren Landschaftserhaltungsverband sehr gut in Natur- und Artenschutz eingebunden, wie die freiwilligen Landschaftspflegeverträge auf mehr als 2.000 Hektar beweisen. Wer als Landwirt zusätzlich Ferien auf dem Bauernhof anbieten möchte, kann das auch ohne das Großschutzgebiet machen, die Urlauber sind da. In der Direktvermarktung sind wir auch gut aufgestellt. Jeder Betrieb, der eine gute Idee und genug Arbeitskapazität hat, kann diese Idee umsetzen, egal, ob wir Biosphärengebiet sind oder nicht. Unsere prosperierende Region hat bewiesen, dass hier gesunde Landwirtschaft, kostbare Naturräume, erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen und hohe Lebensqualität möglich sind – durch vertrautes Miteinander und ohne politische Vorgaben aus Stuttgart.

Für Allgäu-Oberschwaben wird immer wieder die Bedeutung der Moore und Seen im Kampf gegen den Klimawandel betont. Welche Chancen sehen Sie unter diesem Aspekt für die Landwirtschaft?

Ein Biosphärengebiet ist für diese Aufgabe kontraproduktiv – die Möglichkeiten für die Landwirtschaft sind uninteressant. Fördermittel für Artenschutzprogramme oder Wiedervernässungen stehen in verschiedensten Töpfen in deutlich größerer Menge zur Verfügung als reine Biosphärenmittel. Die freiwillige Beteiligung der Landeigentümer an diesen Programmen führt schneller zu notwendigen Ergebnissen als Pflegerichtlinien in einem Biosphärengebiet. Als Großschutzgebiet schränkt ein Biosphärengebiet die Möglichkeiten betriebswirtschaftlich sinnvoller Lösungen wie Ökopunkte, Windenergie oder Photovoltaik stark ein.

Wie wird nach Ihrer Einschätzung ein landwirtschaftlicher Betrieb in der Region Allgäu Oberschwaben in zehn Jahren aufgestellt sein?

Auch in zehn Jahren werden wir eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Betriebe in unserer Raumschaft haben. Klar, der Strukturwandel wird leider weitergehen. Vielleicht grasen auch weniger Tiere auf unseren Wiesen oder stehen im Stall. Aber klar ist auch, dass wir in einer niederschlagsreichen Grünlandregion leben, die es allein durch das bestehende Umbruchverbot auch bleiben wird. Wer kann mir erklären, wo das ganze Grünfutter hin soll, wenn es nicht durch die Kuh verwertet wird? Nur der Wiederkäuer schafft es, das Gras für uns Menschen verwertbar zu machen und lebensnotwendiges Eiweiß, Fett und Calcium zu gewinnen.
Interview: Bernhard Nattermann, Gudrun Hölz