Die Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union unterstützt die Landesregierung bei der Gestaltung baden-württembergischer Europapolitik in Brüssel. Was genau ist die Aufgabe der Landesvertretung?
Unsere Aufgabe ist eine doppelte: Zum einen sammeln wir Informationen über relevante europapolitische Vorgänge und bereiten diese für unsere Ministerien und deren politische Verantwortliche auf. Zum anderen vertreten wir die Interessen des Landes bei den europäischen Institutionen – dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission, aber auch dem Rat der EU, der die Mitgliedstaaten vertritt. Wir sind also Gehör und Stimme des Landes in europapolitischen Fragen in Brüssel.
Die Bundesländer wirken auf Ebene der EU an politischen Entscheidungen mit. Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, dass diese eigene Repräsentanzen in Brüssel haben?
Ohne Vertretung vor Ort wären wir weniger sichtbar – und würden weniger sehen. Baden-Württemberg würde weniger und später erfahren, was gerade auf EU-Ebene passiert. Und es wäre deutlich schwieriger, unsere Positionen sicht- und hörbar zu machen. Nur wer vor Ort in Brüssel mitredet, hat wirklichen Einfluss.
Wie stark ist die Stimme von Baden-Württemberg in Brüssel?
Die Stimme ist stark und sie wird gehört. Ich sehe dafür drei wesentliche Erfolgsfaktoren: Erstens ist Baden-Württemberg schon seit vielen Jahren auch auf hoher politischer Ebene beständig präsent. Zweitens treten wir immer konstruktiv und mit gut begründeten Positionen auf. Und, last but not least: Wir haben ein sehr breites und tiefes Netzwerk, über das wir unsere Positionen einspeisen können.
Die EU ist der größte Binnenmarkt der Welt und der wichtigste Motor der europäischen Wirtschaft. Die Bedeutung des EU-Binnenmarkts für die Wirtschaft in Baden-Württemberg ist unbestreitbar. Was sind die größten Herausforderungen, vor denen die EU derzeit steht?
Für mich ist die größte Herausforderung unsere eigene Handlungsfähigkeit. Wir müssen uns so reformieren, dass wir schnell und agil auf die sich rasant ändernden politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren können. Und die von den europäischen Institutionen verantworteten Gesetze müssen so gestaltet sein, dass sie ihre Adressaten nicht über Gebühr in deren Handlungsfähigkeit beschränken. Hier ist es gut, dass die Europäische Kommission nun angekündigt hat, den Bürokratieabbau ernsthaft anzugehen.
Das Wort Bürokratie ist in der Tat in aller Munde und die Betriebe, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat der baden- württembergischen Wirtschaft bilden, sind durch unübersichtliche Regelungen, Berichts- und Dokumentationspflichten extrem belastet. Die EU hat hier mit einem Entlastungspaket reagiert, gleichzeitig gibt es neue Gesetzesvorhaben, die weitere Belastungen bringen. Wie setzen sich hier die Landesvertretung und die Landesregierung für signifikante Verbesserungen ein?
Ich denke, wir müssen bei der Bewertung der Bürokratie etwas abschichten – bestimmte bürokratische Vorgaben, zum Beispiel den europäischen Binnenmarkt betreffend, sind zunächst für unsere Unternehmen ein Zusatzaufwand. Gleichwohl kann dieser lohnend sein, wenn dafür vergleichbare nationale Regelungen in den 27 EU-Mitgliedstaaten wegfallen und dann nur noch eine Regel für alle gilt. Das ist dann für unsere Unternehmen, die ja viel ins europäische Ausland verkaufen, ein großer Vorteil. Unnötiger bürokratischer Mehraufwand ist natürlich ein ärgerlicher Kostentreiber. Sie wissen, wie sehr der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich für Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung einsetzt. Wir forcieren den Kulturwandel in der Verwaltung und sorgen mit Praxis- Checks für vollzugsfreundliche Regelungen. Und natürlich geht unser Land mit der Entlastungsallianz für Baden-Württemberg* auch beim konkreten Bürokratieabbau voran. In Rekordzeit konnte hier bereits ein erstes Entlastungspaket vorgelegt werden. Weitere sollen folgen. Ich bin sicher, dass die Entlastungsallianz auch ein Best Practice für die Europäische Union sein kann – und es wäre nicht das erste Mal, dass innovative Ansätze aus Baden-Württemberg auf europäischer Ebene übernommen werden.
Interview: Elena Skiteva, Gudrun Hölz