Interview

„Eine Kreislaufwirtschaft benötigt zusätzliche Strukturen.“

Britta Schwartze ist promovierte Verfahrensingenieurin. Ihre Kernkompetenz ist die Bilanzierung und Analyse von technischen Prozessen. Aus diesen Analysen werden im nächsten Schritt Maßnahmen abgeleitet – beispielsweise für Nachhaltigkeitsbewertungen, Ressourceneffizienzanalysen oder technische Prozessoptimierungen. Im Interview spricht die Expertin darüber, was es braucht, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu erreichen.
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Wie kann die Implementierung einer Kreislaufwirtschaft dazu beitragen, die Material- und Ressourceneffizienz im Unternehmen zu verbessern?

Einer der wichtigsten Punkte bei der Implementierung einer Kreislaufwirtschaft ist der Schritt davor: Optimierung der Prozesse, sodass der Material- und Energieverbrauch, und hier speziell der Anfall von Abfällen, minimiert wird. Dazu ist eine umfassende Betrachtung der Prozesse unabdingbar, um Transparenz in die Zusammenhänge zwischen Material- und Energiebilanzen zu bringen. Nach der Optimierung kann eine Kreislaufwirtschaft, bei der laut Definition des Europäischen Parlaments „bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden“, den Neueinsatz von Materialien, den Verbrauch von Energie und die notwendige Verwertung von Abfällen reduzieren.

Warum sollten die Material- und Energiebilanzen von Prozessen ganzheitlich und transparent vor der Planung einer Kreislaufwirtschaft abgebildet werden?

In Unternehmen wird häufig auf Bauchgefühl gesetzt: Wir kennen die Stellschrauben und wissen, wo wir was reduzieren müssen. Prozesse sind aber meist sehr komplex, und die Abhängigkeiten von Material- und Energieeinsatz sind nicht so einfach zu durchschauen. Daher macht eine Modellierung Sinn, bei der dann auch die verschiedenen Optimierungsszenarien durchgespielt werden können. Eine Möglichkeit hierzu ist zum Beispiel der Einsatz von bw!MFCA, einem in Baden-Württemberg kostenlosen Softwaretool, mit dem Fertigungsprozesse ganzheitlich abgebildet werden können. Die Ergebnisse können nicht nur tabellarisch, sondern auch grafisch ausgewertet werden, sodass auch Personen, denen die Prozesse nicht so geläufig sind, schnell die Zusammenhänge erkennen.

Welche Rolle spielen neue Technologien und Innovationen bei der Förderung von Material- und Ressourceneffizienz?

In der Regel ist es nicht möglich, mit vorhandenen Technologien neue Wege zu beschreiten. Daher sind neue Ideen gefragt, die bisher nicht zu erreichende Ziele ermöglichen. In den letzten Jahren wurde hier bereits einiges erreicht. Es ist für mich zum Beispiel immer wieder erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit Abfallsortiermaschinen verschiedene Materialien erkennen und in die richtige Fraktion befördern. Allerdings sind auch hier noch Fortschritte notwendig. Im Feld der Kunststoffe kann beispielsweise nur eine sehr gute Vorbehandlung eine Rückführung in den Kreislauf gewährleisten. Ein anderes Beispiel sind wertvolle Metalle, die manchmal nur in geringen Maßen in einem Produkt vorhanden sind. Hier muss man sich häufig für eine Route entscheiden, bei der aber andere wertvolle Metalle verloren gehen.

Welche weiteren Herausforderungen und Hindernisse sind mit der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft verbunden?

Eine Kreislaufwirtschaft benötigt zusätzliche Strukturen, die bisher nicht vorhanden sind. So muss beispielsweise für die Reparatur oder Wiederaufbereitung von Produkten die nötige Infrastruktur geschaffen werden. Dabei ist es notwendig, die zusätzlichen Aufwände hierfür zu betrachten. Nicht in allen Fällen lohnt sich eine Wiederaufbereitung finanziell oder aus ökologischen Gesichtspunkten. Es müssen alle Lebenszyklusphasen inklusive der notwendigen Transporte, der Verwendung von Ersatzteilen und nicht zuletzt des Wiedereinsatzes eines aufbereiteten Produkts im Vergleich zum Neueinsatz betrachtet werden. Das ist häufig komplex, und auch hier kommt man mit einem einfachen Bauchgefühl nicht immer weiter. Speziell wenn es um ökologische Fragen wie den Carbon Footprint geht, macht eine Modellierung häufig Sinn.

Welche Technologien oder Verfahren haben das Potenzial, die Material- und Ressourceneffizienz in Zukunft weiter zu verbessern?

Ein sehr wichtiger Punkt ist hier sicherlich die Möglichkeit der besseren Verwertung von Produkten und Abfällen durch ein möglichst sortenreines Auftrennen in die einzelnen Materialfraktionen. Hierbei spielt das Produktdesign eine wichtige Rolle, denn dort entscheidet sich, wie ein Produkt hergestellt wird und wie es am Lebensende wieder zerlegt werden kann. Die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Unternehmen, die neue Technologien auf der einen Seite rund um das Produkt und auf der anderen Seite zur Aufbereitung von Abfällen und Produkten entwickeln, ist enorm wichtig und im Vergleich zur heutigen Situation sicherlich ausbaufähig.
Weiterhin gibt es auch recht „einfache“ Methoden, die helfen können. So fehlen häufig Anleitungen, wie ein Produkt repariert werden kann. Etwas traurig ist es, dass dazu Organisationen wie „iFixit“ oder „Right to Repair“ notwendig sind, die sich dafür einsetzen, dass Produkte reparierbar sein sollten oder Reparaturanleitungen sowie Ersatz-Kits bereitstellen, wenn die Hersteller der Produkte dies nicht tun.

Wie können Regierungen und politische Entscheidungen die Förderung von Kreislaufwirtschaft unterstützen?

Die Pflicht, eine genauere Kennzeichnung von Produkten bezüglich ihrer Inhaltstoffe und der Verwertungs- beziehungsweise Entsorgungsoptionen bereitzustellen, wäre als erster Ansatz sehr hilfreich. Wer stand nicht schon mal vor einem Glascontainer und hat sich gefragt, ob die zu entsorgende Glasflasche nun in den grünen oder braunen Container soll? Oder es steht auf einem Produkt „kompostierbar“, aber darf es wirklich in den Biomüll?

Sehen Sie wirtschaftliche Potenziale für Unternehmen, wenn sie zukünftig mehr auf Recycling setzen?

Hierzu zum Schluss ganz kurz und knapp: Ja, natürlich.
Interview: Regina Eckhardt, Kim Deiber