Mit dem The Open Government Institute (TOGI) der Zeppelin Universität in Friedrichshafen waren Sie Mitglied der Smart Government Akademie Bodensee, die sich von 2019 bis 2022 als INTERREG-gefördertes Projekt mit der digitalen Verwaltung von morgen auseinandergesetzt hat. Mit welchen Ergebnissen?
An dem Projekt waren zehn Städte und vier Universitäten und Hochschulen rund um den Bodensee beteiligt. Wir haben uns aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema Smart Government auseinandergesetzt. Dabei ging es etwa um die Nutzung von offenen Daten oder die Möglichkeit eines virtuellen Bauamts. Wir sind nach wie vor mit den am Projekt beteiligten Städten im Austausch, beispielweise zur Erstellung von digitalen Zwillingen der Städte. Außerdem absolvieren die Studenten der Zeppelin Universität auch immer wieder Praktika in diesen Städten oder arbeiten in Teilzeit an Digitalprojekten mit.
In der IHK-Region Bodensee-Oberschwaben haben Sie Projekte mit den Städten Friedrichshafen und Ravensburg durchgeführt. Worum ging es dabei konkret?
Mit der Stadt Friedrichshafen haben wir überlegt, ob und wie deren Datenbestände öffentlich zugänglich gemacht werden könnten. Dabei war die Durchführung eines Datenzensus, mit dem die Datensätze der einzelnen Ressorts zusammengefasst wurden, sehr hilfreich. Die Stadt setzt als Pionierin auf ein professionelles Datenmanagement quer über alle Ämter hinweg und ist zunehmend in der Lage, datenbasierte Analysen und Smart-City-Lösungen zu realisieren. Sie verfügt nun außerdem über einen Datenkodex, der sicherstellt, dass ein Zugriff auf Daten nur nach vereinbarten Regeln zulässig ist. Mit der Stadt Ravensburg haben wir uns die gesamten Abläufe im Baudezernat angesehen und eine ganzheitliche Prozessanalyse vorgenommen. Ravensburg verfügt bereits über ein GIS-System und bearbeitet die Bauanträge digital. Wir haben zum Beispiel untersucht, wie sich die Abläufe in den Ämtern ändern werden, wenn in den kommenden Jahren der Übergang vom zweidimensionalen PDF-Plan zum dreidimensionalen BIM-Modell kommen wird. Das Dezernat hat auf dieser Grundlage seine strategischen Planungen weiterentwickelt.
Für Friedrichshafen und Ulm haben Sie Datenethikkonzepte für die digitale Verwaltung entwickelt. Was hat es damit auf sich?
Oft sind digitale Lösungen über das Internet verfügbar, ohne dass es bereits rechtliche Grundlagen dafür gibt. Damit die Nutzung in zulässigen Bahnen verbleibt, können Datenethikkonzepte als Leitplanken fungieren – zum Beispiel, um zu verhindern, dass personenbezogene Daten unzulässig gesammelt oder verkauft werden. Mit meinen Studenten habe ich an der Zeppelin Universität bereits 2019 ein Konzept dazu erstellt. Die Städte Friedrichshafen und Ulm haben es als Grundlage für ihre Datenethikkonzepte verwendet, die schließlich einstimmig vom Gemeinderat verabschiedet wurden.
Wie können Daten aus öffentlichen Verwaltungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden?
Zugänglich gemacht werden können prinzipiell alle jene Datenbestände und Inhalte, die weder personenbezogene Daten noch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sowie Dienst- oder Staatsgeheimnisse beinhalten. Konkret geht es um statistische Daten, Geodaten, Karten und Gesetze sowie freie Texte, Bilder und Filme. Wir haben in den vergangenen 15 Jahren der EU, dem Bund, den Ländern und Kommunen Anregungen zur Professionalisierung und zur Weiterverwertung ihrer Datenbestände gegeben, etwa zum Aufbau von Datensammlungen, -portalen, -plattformen und digitalen Zwillingen. Mich freut es, dass Baden-Württemberg seit Juli 2023 unter www. daten-bw.de endlich über ein eigenes Datenportal verfügt, das perspektivisch auch alle offenen Daten der kommunalen Ebene erschließt und das über den nationalen GovData-Datenverbund auch europaweit integriert werden kann. Unternehmen können jederzeit offene Daten entsprechend der offenen Lizenz nutzen und zur Optimierung ihrer eigenen Angebote verwenden. Die Stadt Ulm wird ihr offenes Datenportal unter https://datenportal.ulm.de inhaltlich weiter ausbauen und Sensordaten unter https://datenhub.ulm.de über eine offene Datenplattform zur Nutzung bereitstellen.
Welche Potenziale und Impulse sind für die Wirtschaft aus der Öffnung von Verwaltungsdaten zu erwarten?
In offenen Verwaltungsdaten stecken durchaus Datenschätze, die wie etwa Geodaten und geobasierte Fachdaten auch für Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle und ihre Informationssysteme von großem Nutzen sein können. Der Einsatz entsprechender Verwaltungsdaten kann zu Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen führen. Durch den verbesserten Zugang zu diesen Daten erhalten Unternehmen und Startups die Möglichkeit, innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Das belebt die Wirtschaft, kann neue Arbeitsplätze schaffen, transformatives Potenzial entfalten und neue Partnerschaften etablieren. Die Verfügbarkeit von offenen Verwaltungsdaten beschleunigt außerdem die Entwicklung von smarten, nachhaltigen Städten und ermöglicht es der Öffentlichkeit, staatliches Handeln besser zu verstehen, zu überprüfen und an demokratischen Prozessen teilzunehmen.
Welche Rolle könnte die Künstliche Intelligenz, kurz KI, künftig in der digitalen Verwaltung spielen?
Der Dienst ChatGPT des Unternehmens OpenAI zeigt uns seit November 2022, was eine KI alles kann – und was noch nicht. Aber wenn es dabei aktuell an manchen Stellen auch noch ziemlich holpert, kann es in den kommenden Jahren durch das exponentielle Wachstum des Wissens der KI zu enormen disruptiven Veränderungen kommen. Darauf muss sich auch die öffentliche Verwaltung vorbereiten. Nach ersten Chatbots hat das Land Baden-Württemberg nun mit F13 eine Textassistenz entwickelt, die die Mitarbeiter der Landesverwaltung entlasten soll – unter Berücksichrtigung aller Anforderungen der DSGVO. Wissenstransfer und Kompetenzaufbau sind auch Aufgaben der Universitäten. An der Zeppelin Universität gibt es zum Beispiel einen Masterstudiengang in Public Management & Digitalisierung. Wir wollen mit unseren Absolventen die Zukunft des öffentlichen Sektors mitgestalten. Das sollte möglichst nutzerorientiert und wirtschaftsnah geschehen, damit Unternehmen sich auf ihr eigentliches Geschäft konzentrieren können und sich nicht mit Formularen und Anträgen im administrativen Hürdenlauf zwischen Pontius und Pilatus herumschlagen müssen.
Interview: Alfred Huber, Gudrun Hölz