Interview

„Das Stichwort lautet Patentmonitoring“

Stefan Brehm ist europäischer Patentanwalt und deutscher Patentassessor. Als geschäftsführender Gesellschafter der predori GmbH mit Sitz in Ulm begeistert er sich dafür, Patentinformation für kleine und mittelständische Unternehmen erreichbar, begreifbar und vor allem strategisch verwertbar zu machen. Wir haben ihn zum Einheitspatent befragt und sind darauf eingegangen, wie eine KI Unternehmen im Rahmen ihrer Produktentwicklung und Patentrecherchen unterstützen kann.

Was ist das Einheitspatent, und welche Vorteile bringt es?

Das Einheitspatent, auch europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung genannt, ist ein vom Europäischen Patentamt erteiltes Patent, das für alle Mitgliedsstaaten des Übereinkommens gleichermaßen gilt. Es ermöglicht, dass in einem Gerichtsverfahren eine gemeinsame einheitliche Gerichtsentscheidung für alle erfassten Staaten getroffen werden kann. Im Vergleich zum europäischen Patent ohne einheitliche Wirkung, bei dem Patentverletzungsverfahren vor einzelnen nationalen Gerichten geführt werden müssen, bringt das Einheitspatent den Vorteil, dass nur eine Jahresgebühr für alle erfassten Staaten fällig wird und die Patentdurchsetzungskosten geringer ausfallen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass eine Harmonisierung des Patentschutzes erreicht wird.

Wie erhält man ein Einheitspatent?

Das Einheitspatent kann auf Grundlage eines erteilten europäischen Patents beantragt werden. Insofern ist also zunächst der Weg einer gewöhnlichen europäischen Patentanmeldung einzuschlagen. Sobald diese erteilt ist, kann der Antrag gestellt werden, mit dem für die EU-Mitgliedstaaten, die das Einheitspatent ratifiziert haben, ein gemeinsames Patent erteilt wird.

Hat es auch Nachteile?

Ein Nachteil des Einheitspatents besteht darin, dass durch ein einziges Verfahren in allen Staaten der Schutz fallen oder beschränkt werden kann, wenn sich das Patent im Nachhinein als nicht oder nur teilweise schutzwürdig herausstellt. Es ist auch nicht möglich, auf das Einheitspatent nur für bestimmte Staaten zu verzichten. Außerdem ist man als Patentverletzer mitunter mit weitaus höheren Kosten konfrontiert, da sich die streitwertbasierten Kosten des zugehörigen Gerichtsverfahrens automatisch auf Basis der jeweiligen addierten Streitwerte in sämtlichen von dem Einheitspatent erfassten EU-Staaten berechnen. Die Absicherung der Handlungsfreiheit bei Produktinverkehrbringung, die sogenannte Freedom to Operate, rückt daher erneut weiter in den Fokus unternehmerischen Handelns.

Das klingt nach einem erheblichen Nachteil. Wie kann man sich dagegen wappnen, und was haben Patentverletzungen zur Folge?

Um sich als Unternehmen gegen Patentverletzungen abzusichern, empfiehlt es sich, sorgfältig und gründlich nach Schutzrechten zu recherchieren. Moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz machen es möglich, hochwertige Recherchen mit moderatem Aufwand durchzuführen. Ein Beispiel für ein solches Tool ist predori, das von der predori GmbH aus Ulm entwickelt und vertrieben wird. Eine sorgfältige Recherche kann dazu beitragen, Patentverletzungen zu vermeiden und somit rechtliche Konflikte und Kosten zu vermeiden.
Um sich als Unternehmen gegen Patentverletzungen abzusichern, empfiehlt es sich, sorgfältig und gründlich nach Schutzrechten zu recherchieren.

Inwiefern kann ein KI-gestütztes Patentrecherchetool kleine und mittlere Unternehmen unterstützen?

Patentrecherchen schaffen die Informationsgrundlage für eine ganze Reihe unternehmerischer Entscheidungen. So können etwaige Patentverletzungen vermieden werden, wenn Schutzrechte der Wettbewerber frühzeitig erkannt werden – im Idealfall so früh, dass in der Entwicklung noch an geeigneten Umgehungslösungen gearbeitet werden kann. Daneben spielen Recherchen bei eigenen Erfindungen eine zunehmende Rolle – so kann früh erkannt werden, für welche Erfindungen sich Patentanmeldungen lohnen. Die ehemals übliche Praxis, alles anzumelden, ohne zu wissen, ob eine Anmeldung mit Blick auf den bestehenden Stand der Technik überhaupt noch sinnvoll ist, hat sich spätestens seit der Corona-Krise erledigt. Eine fundierte Patentierbarkeitsrecherche ist inzwischen kosteneffizient und kurzfristig mit geeigneten Recherchetools, wie etwa predori, durchführbar. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen profitieren hier. Das Handeln von Wettbewerbern lässt sich an deren Schutzrechten besonders gut ableiten.

Wie kann man den Wettbewerb gemessen an Schutzrechten überwachen?

Das Stichwort lautet Patentmonitoring. Was bei Großunternehmen und größeren Mittelständlern zum etablierten Standard gehört, hält durch neueste Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz zunehmend auch Einzug in kleinere Unternehmen, die zumeist nicht über ein eigenes IP-Management verfügen. Ziel des Patentmonitorings ist es, die Technologielandschaft und Wettbewerber kontinuierlich zu überwachen, um frühzeitig unternehmerische Entscheidungen auf Grundlage der gewonnenen Informationen ableiten zu können. Die Monitoringanwendung von predori wurde beispielsweise in Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen entwickelt, um die dort bislang klaffende Wissenslücke zu schließen.

Wie hoch sind die Kosten des Einheitspatents?

Bis zur Erteilung eines Einheitspatents fallen die gleichen Kosten an wie für ein herkömmliches europäisches Patent. Da für das in der Verfahrenssprache vor dem Europäischen Patentamt erteilte Einheitspatent keine weiteren Übersetzungen der Patentschrift vorgesehen sind, können gegebenenfalls im Vergleich zu einem herkömmlichen europäischen Patent Übersetzungskosten zur Erfüllung nationaler Erfordernisse der relevanten Vertragsstaaten eingespart werden.
Besonders die Jahresgebühren für die ersten Jahre sind unternehmensfreundlich gestaltet. Beispielsweise sind für die Jahresgebühren des Einheitspatents zurzeit 35 Euro für das zweite Patentjahr, 1.175 Euro für das zehnte Patentjahr und 4.855 Euro für das zwanzigste Patentjahr vorgesehen. Vergleicht man das gewöhnliche europäische Patent mit dem Einheitspatent über einen Zeitraum von 20 Jahren bei nur vier Ländern, in denen das gewöhnliche europäische Patent validiert wird, beträgt die Ersparnis durch das Einheitspatent rund acht Prozent. Die Ersparnis ist umso größer, je mehr Staaten in Betracht gezogen werden. Würden alle 25 Staaten, die mit dem Einheitspatent abgedeckt werden, mit einem gewöhnlichen europäischen Patent gefasst werden, läge der Kostenunterschied bei rund 35.000 Euro beim Einheitspatent zu rund 160.000 Euro beim gewöhnlichen europäischen Patent.

Was würden Sie Unternehmen raten, und was muss jetzt in Bezug auf das Einheitspatent getan werden?

Das Einheitspatent bietet nun endlich den einheitlichen Schutz, den man beispielsweise im Markenrecht bei EU-Marken bereits seit längerem kannte. Für Unternehmen, vor allem für KMUs, bieten sich somit neue Chancen, Märkte kostengünstiger und einfacher abzusichern, aber es gehen auch Risiken damit einher. Ob man den Weg eines Einheitspatents einschlägt, hängt daher stets von den für das Unternehmen relevanten Länderkreisen ab, in denen ein Schutz überhaupt von wirtschaftlichem Interesse ist. Darüber hinaus rückt das Einheitspatent die Bedeutung von Schutzrechten, hier insbesondere Patente, für unternehmerisches Handeln verstärkt in den Fokus. Der offizielle Start des Einheitspatents und des Einheitspatentgerichts am 1. Juni 2023 sollte Unternehmern Anlass genug sein, die eigene Schutzrechtsstrategie neu zu bewerten, Prozesse wie Freedom-to-Operate-Recherchen zu etablieren und über den Einsatz effizienter Lösungen zum Patentmonitoring nachzudenken.

Interview: Gernot Schnaubelt