Interview

,,Es ist auch persönlich eine Bereicherung”

Am Rande eines Termins des Schlichtungsausschusses der IHK Ulm trafen wir die beiden Schlichter Wolfgang Hertle, Ausbildungsleiter bei der Diehl Aviation Laupheim GmbH, und Patrick Schirmer, Ausbildungsleiter bei der Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH, um über deren vielfältiges ehrenamtliches Engagement bei der IHK Ulm zu sprechen.
Patrick Schirmer und Wolfgang Hertle (von links) nehmen sich gerne die Zeit für ihre Ehrenämter, denn es bringt sie sowohl beruflich als auch persönlich weiter.

Sie beide sind Ausbildungsleiter und bekleiden zusätzlich gleich mehrere Ehrenämter in der IHK. Haben Sie überhaupt noch Freizeit?
HERTLE: (lacht) Es geht schon, das alles unterzukriegen. Und Prüfungen abzunehmen ist für mich auch sowas wie Freizeit. Es macht wahnsinnig viel Spaß, und für mich gehört das einfach mit dazu: zu meinem Job in der Berufsausbildung und zu mir als Person. Ich möchte die wertvollen Kontakte nicht missen, die ich durch meine Ehrenämter erfahren darf und durfte. Der Austausch mit den anderen und das entstandene Netzwerk sind sowohl für meine Arbeit als auch für mich persönlich ungeheuer wichtig. Dafür nehme ich mir gerne Zeit.
SCHIRMER: Das Handy klingelt schon (lacht und schaltet das Handy ab). Natürlich ist es so, dass man Familie, Beruf und Ehrenamt unter einen Hut bringen muss. Aber ich finde, ein Ehrenamt auszuüben gehört ein Stück weit dazu und entspricht meinem Selbstverständnis davon, mich einbringen zu wollen und etwas zurückgeben zu können. In meinem Fall gibt mir aber meine berufliche Funktion als Ausbildungsleiter auch die entsprechende Steilvorlage für die Ehrenämter bei der IHK. Diese Ehrenämter spielen in meinen beruflichen Kontext hinein und beeinflussen sich hervorragend gegenseitig. Das berufliche Bildungssystem ist stark mit Ehrenämtern behaftet und in hohem Maße vom ehrenamtlichen Engagement abhängig.
Hilft Ihnen die Prüfungstätigkeit in der eigenen betrieblichen Ausbildungspraxis?
HERTLE: Teilweise schon. Es geht aber nicht ausschließlich darum, Einblicke in die Prüfungsarbeit zu bekommen. Es ist auch so, dass man selber bei jeder Prüfung dazu lernt. Jedes Unternehmen hat andere Verfahren und Abläufe. Man nimmt immer etwas mit. Darum werden Prüfer auch oft von den Unternehmen in der Prüfungstätigkeit unterstützt und freigestellt. Die Unternehmen wissen, dass eine Prüfungstätigkeit eben oft für die eigenen Abläufe im Unternehmen auch Vorteile bringen kann. Darum ist es nie umsonst, sich ehrenamtlich bei der IHK zu engagieren.
SCHIRMER: Ich bin davon überzeugt, dass das Prüferamt bei der IHK einen unglaublichen Mehrwert bietet. Man lernt andere Unternehmen, andere Technologien, unbekannte Verfahrensabläufe und interessante Fachleute kennen. Man bleibt am Zahn der Zeit – und man bleibt an den jungen Menschen dran. Man sieht, wie sich diese weiterentwickeln, wo sie ihre Stärken haben und Entwicklungen möglich sind. Der Moment, wenn sie dann ihre Prüfungen erfolgreich abgeschlossen haben, das ist wirklich schön mit den anderen Prüferinnen und Prüfern hiervon ein Teil sein zu dürfen.
HERTLE: In den Prüfungsausschüssen gibt es ein gutes Miteinander. Hier bestehen und entstehen regelmäßig Bekanntschaften, die auch über die Prüfungen hinaus genutzt werden. Ein Netzwerk voller Fachleute, und die IHK bietet hierfür den Rahmen.
SCHIRMER: Vor allem im Ausbildungskontext finde ich es ganz wichtig, an einem Strang zu ziehen. Wir als regionale Unternehmensvertreter haben das gleiche Ziel, jeder für sich oder jeder für sein Unternehmen, aber schlussendlich eben dann doch wieder für die Region gesamt. Wir benötigen Auszubildende und die daraus resultierenden gut qualifizierten Fachkräfte – Qualifizierung und Fachkräftesicherung sind enorme Herausforderungen für jedes einzelne Unternehmen, und hier stehen die Unternehmen auch in einer gewissen Konkurrenzsituation. Aber jeder von uns will auch, dass die Region insgesamt wirtschaftlich gut dasteht. Dass man die jungen Menschen in Ausbildung bringt und gut qualifiziert, ist ein wichtiger Grundpfeiler unserer Stärke. Dazu gehört für mich dann dementsprechend auch die Bereitschaft, Prüfungen abzunehmen.
Abschlussprüfungen enden zumeist positiv, und man kann als Ausschuss am Erfolg der Absolventen partizipieren. Dagegen geht es im Schlichtungsausschuss um kritische und schwerwiegende Themen. Meistens geht es um die Kündigung von Ausbildungsverhältnissen. Was motiviert Sie, sich als ehrenamtlicher Schlichter zu engagieren?
SCHIRMER: Vor allem reizt mich die Herausforderung, mit der Schlichtung ein Ergebnis zu erzielen, bei dem beide Parteien zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss rausgehen. Im Idealfall sind wir als Schlichter das Zünglein an der Waage und erreichen ein Ergebnis, was die Parteien ohne uns nicht geschafft haben.
HERTLE: Es ist für einen persönlich auch eine Bereicherung. Ich nehme wahnsinnig viel mit, auch heute von dem Schlichtungstermin. Wie wird mit schwierigen Situationen umgegangen, und wie kann man Lösungen hierzu finden? Das sind wertvolle Erfahrungen, und man zieht automatisch Vergleiche zu Situationen, die man selbst schon miterlebt hat. Persönlich profitiert man hier sehr stark, und wenn man am Ende eine gemeinsame Lösung erarbeiten konnte, ist die Tätigkeit für einen selbst auch sehr sinnvoll und zufriedenstellend.
In den letzten Jahren sind viele Mitglieder altersbedingt ausgeschieden. Wie können wir, Ihrer Meinung nach, neue ehrenamtlich Tätige gewinnen und für die Prüfungstätigkeit begeistern?
HERTLE: Im Prinzip wäre es ganz einfach. Wenn jedes Unternehmen, das selbst ausbildet, einen Prüfer stellen würde, dann gäbe es kein Problem, die Prüfungsausschüsse zu besetzen. Natürlich gibt es auch viele Unternehmen, die nur wenig oder nur alle paar Jahre ausbilden, aber auch hier wäre eine Beteiligung wünschenswert. Man hat als Prüferin oder Prüfer immer die volle Kontrolle darüber, in welchem zeitlichen Umfang man sich engagiert. Und auf je mehr Schultern sich die Prüfungstätigkeit verteilt, desto geringer wird ja auch die aufzuwendende Zeit für jeden Einzelnen. Die Unternehmen sollten ihre r dazu animieren, sich in den Prüfungsausschüssen zu beteiligen. Davon profitieren alle. Die Ehrenamtlichen, die Unternehmen und die angehenden Fachkräfte. Es ist eine gemeinsame Aufgabe unserer regionalen Wirtschaft und unserer Partner der dualen Ausbildung.
SCHIRMER: Ich kann den Apell nur unterstützen. Man nimmt persönlich in dem Ehrenamt wirklich viel mit und hat dadurch ein unglaublich gutes Netzwerk. Da kann man nur jedem raten, das selbst mal auszuprobieren.

Interview: Frank Stumm

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