Fachartikel

Freistellung für die Prüfertätigkeit als aktive Personalentwicklung

Das System der dualen Aus- und Weiterbildung basiert auf der Bereitschaft und dem Einsatz ehrenamtlicher Prüferinnen und Prüfer. Die Freistellung von Fach- und Führungskräften für diese wichtige Tätigkeit ist durch das aktuelle Berufsbildungsgesetz (§ 40 Abs. 6a BBiG) geregelt. Die Möglichkeit des Perspektivwechsels, die eine Prüfungssituation bietet, ist für Prüferinnen und Prüfer aber auch eine Art individuelle Weiterbildung – die Freistellung für eine Prüfertätigkeit entspricht also der aktiven Personalentwicklung.
Radikale Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft machen das Ehrenamt immer unattraktiver, dabei ist genau dieses Engagement für die Funktionsfähigkeit vieler Bereiche unerlässlich. So auch im System der öffentlich-rechtlich geregelten Aus- und Weiterbildung: Es lebt von den Prüferinnen und Prüfern, die sich hier ehrenamtlich einbringen. In Zeiten eines kontinuierlich bestätigten Arbeits- und Fachkräftemangels und dessen negativen Einflusses auf die wirtschaftliche Entwicklung, den die IHK-Konjunkturumfragen auch für unsere Region attestieren, ist berufliche Bildung besonders wichtig. Qualitativ hochwertige und durch Prüfungen testierte Aus- und Weiterbildung heute, ist das zentrale Instrument, um den Bedarf von morgen zu decken.

Prüfungssituation im Gleichgewicht

Die Aufgabe des Prüfenden ist nicht ausschließlich mit der Kompetenzprüfung verknüpft. Vielmehr werden ihre Sach- und Fachkunde erst durch eine hohe soziale Kompetenz wirksam. Denn es gilt, die richtige Atmosphäre herzustellen, damit der zu Prüfende in der Lage ist, sein Wissen und seine Kompetenz auch abzurufen und angemessen vorzustellen. So entsteht ein gleichgewichtiges Bild im Prüfungsprozess: Nicht nur die zu prüfenden Personen bereiten sich vor, auch die Prüfenden selbst sind gefordert und müssen sich auf ihr Gegenüber einstellen. Als „Leistungs- und Kompetenzkontrolleure“ stellen sie sicher, dass eine abgeschlossene Aus- oder Weiterbildung auch ein aktuelles, hochwertiges situatives Know-how bedeutet. Und die IHK selbst investiert wiederum kontinuierlich in die Weiterentwicklung und Qualitätssicherung im Ehrenamt durch Prüfertrainings, Austauschforen und Expertenkreise.

Prüfertätigkeit: Unternehmenssicherungs- und Personalentwicklungsmaßnahme

Nicht nur die IHK-Organisation, sondern vor allem Unternehmen profitieren vom ehrenamtlichen Engagement der Beschäftigten im Prüfungsbereich. Die Prüfer und Prüferinnen erhalten Einblicke in Ausbildungssituation und -organisation anderer Unternehmen und ermöglichen so einen Transfer ins eigene Unternehmen. Ein weiterer großer Vorteil: Sie erhalten Zugang zu Spezialthemen durch spezielle Prüfungsformen in Aus- und Weiterbildung. Warum also die Freistellung für einen Prüfungstag nicht einmal mit der Aufgabe unterlegen, Optimierungspotenziale für die betriebsinterne Aus- und Weiterbildung zu ermitteln? Warum nicht einen Prüfer oder eine Prüferin auch in der internen Aus- und Weiterbildung einsetzen, um an der eigenen Qualitätsspirale weiterzuarbeiten? Die ehrenamtlich Tätigen für einen Tag freizustellen ist keine unproduktive Zeit: Denn die Prüfertätigkeit sichert zum einen das national wie international stets positiv bewertete Aus- und Weiterbildungssystem, und zum anderen ist jeder Prüfungstag eine Investition in die Zukunft der Arbeitsmarktfähigkeit von Menschen und der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.

Clemens Besenfelder, Jürgen Schatz