Interview

„Nachhaltige und langlebige Produkte sind sexy.“

Jens Gramer ist der Inhaber von Fifty Eight in Ulm. Vor 30 Jahren hat er mit dem Schwerpunkt Skaten und Snowboarden angefangen – heute wird sein Angebot neben dem Verkauf von Boards und Lifestyle-Mode durch Stand-up-Paddling, Verleih, Kurse und Gastronomie ergänzt. Der Fifty Eight stand schon immer für jugendlichen Lifestyle – Jens Gramer erzählt im Interview vom Zeitgeist der letzten drei Jahrzehnte.

Herr Gramer, wie hat sich in 30 Jahren der Zeitgeist verändert?

Nun, wir werden oft einfach auf das Skaten heruntergebrochen – wir haben aber auch nachhaltige sportliche Mode, sind also auch im Bereich Nachhaltigkeit und Fashion aktiv. Und hier hat sich viel verändert! Nachhaltigkeit war in den Anfängen noch gar kein Thema und ist erst in den letzten Jahren dazugekommen.

Wie fing das an?

Wir haben über den Wintersport schon früh bemerkt, dass da etwas kommt: Gletscher werden kleiner, der Schnee wird weniger. Dann wurden Themen wie Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen – Kinderarbeit und so weiter – wichtiger. Da war mir völlig klar, dass wir da etwas tun müssen, denn das wird die Zukunft sein. Wir haben also gleich angefangen, bei unseren Marken zu schauen, ob die sich darüber Gedanken machen. Zum Thema Nachhaltigkeit kam auch viel von meinen Mitarbeitern: Die haben das gelebt und darauf aufmerksam gemacht, keine Plastikflaschen verwendet, Thermoskannen mit auf den Berg genommen, so fing das an.

Was lockt die junge Kundschaft in den Fifty Eight?

Das ist nicht so leicht zu sagen, und hier muss man unbedingt trennen zwischen Einzelhandel, Dienstleistung und Gastronomie. Bei der Dienstleistung – also unsere Kurse und die Academy –, da kommen die jungen Kunden, genau wie bei den Klamotten. Aber inzwischen kommt auch schon die zweite und dritte Generation bei uns einkaufen.
Die Frage muss aber immer sein: Was ist „die Jugend“?
– Jens Gramer

Sie haben die junge Kundschaft nicht neu angeworben?

Um junge Kunden geworben haben wir nicht besonders. Es sind die jungen Sportarten, die sie anziehen – und da haben wir viel gemacht: Events, Kurse und die Skate Academy – und so kriegst du einfach die jungen Leute. Mit dem Standort-Wechsel an die Donau neben dem SSV-Bad sind wir direkt an der Quelle für unsere zukünftigen Kunden. Mit der Gastronomie konnten wir die Eltern abholen: Bei Weihnachts-, Geburtstags- oder Firmenfeiern. Und so schließt sich der Kreis. Jetzt decken wir alle Altersgruppen ab, unsere Kundschaft reicht von 4-Jährigen bis zu 70-Jährigen.

Spielt die ganz junge Kundschaft nicht mehr die tragende Rolle wie am Anfang?

Die sind natürlich wichtig! Wenn du einen jungen Kunden hast, der von den Eltern gesponsert wird, wie die meisten, dann bleibt der sechs bis sieben Jahre lang dein Kunde.

Wie sprechen Sie die Jugend direkt an?

Über Social Media. Die Frage muss aber immer sein: Was ist „die Jugend“? Welche Jugend willst du abholen? Denn die Jugend ist sehr breit gefächert, einerseits so konform und andererseits so individuell gleichzeitig. Einige bekommt man nur mit Marken wie Nike – aber der Rest, da gibt es ein Riesenspektrum an Klamotten, die sie tragen. Bei den Teenagern, den 16- bis 18-Jährigen ist die Corona-Zeit zu spüren.
Denen fehlte das Rausgehen, das Gesellige und das auf andere Zugehen in der Pubertät. Diese Jugendlichen sind viel online unterwegs. Wir holen junge Leute über unseren Namen ab, über die Historie, über Sport und Klamotten. Weil wir einfach gewisse junge Marken haben, auf die sie stehen.

Was unterscheidet die Generation Y von der Generation Z?

Die Generation Z ist als Kunde cool, teilweise auch anstrengend. Als Mitarbeiter sind sie eine echte Herausforderung. Ihnen ist Work-Life-Balance wichtig, sie wollen keine feste Bindung und sich nicht festlegen. Eher nach dem Motto: „Schauen wir mal, so ein bisschen arbeiten – vielleicht 20 Stunden oder so.“ Deren Verhältnis zum Thema Geld und Arbeit ist irre, für uns kaum nachzuvollziehen, aber vielleicht ist es auch einfach Frustration über die Politik der letzten Jahre. Wir spüren jedenfalls, dass sich die junge Generation nichts nehmen lassen will – nicht den Wintersport und auch sonst nichts. Sie wollen sich schon was gönnen und einkaufen. Aber dabei hat Nachhaltigkeit Priorität: gebraucht kaufen und nachhaltige, langlebige Produkte sind sexy. Wir bedienen beides. Wir haben einen Mix aus hochpreisigen und gebrauchten Produkten. Als Gegengewicht auch zu eBay. Wir haben Service. Wir sind da.

Interview: Josef Röll, Christin Schiele