Interview

„Das Live-Erlebnis ist gerade im Modebereich für viele immer noch wichtig“

Vor zehn Jahren gestaltete das Modehaus bredl in Ravensburg sein Geschäft für junge Mode am Marienplatz 55 zum Young-Fashion-Concept-Store YOUTOPIA um. Für junge Kunden entstand hier eine Welt, die sowohl mit bekannten Marken als auch mit lässiger Freizeitbekleidung bis coolem Partystyle lockt. Wir sprachen mit Geschäftsführer Gerhard Gieseke darüber, was das Konzept ausmacht und was er sich für die Ravensburger Innenstadt wünscht.

Herr Gieseke, wie hat sich die Zielgruppe junger Kunden seit der Eröffnung des YOUTOPIA im Jahr 2013 verändert?

Die Zielgruppe der kaufkräftigen Kundinnen und Kunden ist älter geworden. Die Tendenz, zum einen seltener und zum anderen nachhaltiger und ökologischer einzukaufen, ist nach der Corona-Pandemie und in Zeiten der Inflation zumindest bei Teilen unserer Kundschaft deutlich spürbar. Viele Labels haben sich an diese Nachfrage angepasst und bieten entsprechende Produkte an. Ebenfalls eine Folge von Corona ist die Zunahme des Online-Shoppings. Rund 40 Prozent des gesamten Marktvolumens im Modebereich werden inzwischen online erwirtschaftet. Seit Ende 2022 gibt es aber erfreulicherweise auch im stationären Modehandel wieder leichte Zuwächse.

Wie sprechen Sie Ihre Kundinnen und Kunden an, zum Beispiel in den sozialen Medien? Und welche Rolle spielt der Online-Handel für YOUTOPIA?

Wir versuchen tatsächlich, verstärkt über Social-Media-Kanäle Anreize zu setzen, zum Beispiel mit Fotos von verschiedenen Outfits oder mit Livestreams. Im Marketing ist das regelmäßige Posten auf Instagram, Tiktok, Facebook und Co. zur Pflicht geworden. Der Verkauf erfolgt trotzdem weiterhin ganz überwiegend vor Ort im Store – auch, weil wir hier im ländlichen Raum nicht alle Kundinnen und Kunden über Social Media erreichen. Außerdem ist das Live-Erlebnis gerade im Modebereich für viele immer noch wichtig: Im Store kann man verschiedene Größen anprobieren, unterschiedliche Materialien fühlen und Kleidungsstücke miteinander kombinieren. Wir verkaufen aber auch auf Online-Marktplätzen wie Zalando. Allerdings ist das wirtschaftlich eher fragwürdig, und es ist noch offen, ob wir diesen Verkaufskanal in Zukunft fortführen werden.

Ihren Store YOUTOPIA betreiben Sie ja in einem der traditionsreichsten Einzelhandelsgebäude in der historischen Innenstadt von Ravensburg. Welche Rolle spielt dieser Standort für ihr Publikum?

Auch für junge Leute ist Ravensburg als Einkaufsstadt sehr beliebt. In unserer ländlich geprägten Region verbinden gerade Kunden aus dem Umland das Einkaufen oft mit einem Ausflug, bei dem man nicht nur die Geschäfte besucht, sondern auch flanieren, essen gehen oder ein Café besuchen möchte. Diese Aspekte sind auch für das Publikum von YOUTOPIA relevant, und deshalb erfreut sich das Store-Konzept mitten in der Altstadt nach wie vor großer Beliebtheit.

Ist das Umfeld, in dem Sie ihren Store betreiben, ausreichend „jugendaffin“ oder wünschen Sie sich mehr korrespondierende Angebote in der Umgebung?

Es ist in der Tat eine Gefahr, dass immer mehr Angebote aus der City verschwinden und die Innenstadt zunehmend als Wohn- und Lebensraum genutzt wird. Hier gehen die Interessen der jüngeren und älteren Zielgruppen tatsächlich auseinander. Aus meiner Sicht als Einzelhändler ist es wünschenswert, dass sich möglichst viele Barbershops, Shisha Bars, Clubs und Restaurants in der Innenstadt ansiedeln und dort auch bleiben. Deshalb sollten alle Innenstadt-Akteure dafür sorgen, dass die Vermietung leerstehender Geschäfte und die Erweiterung der Angebotsvielfalt forciert werden, damit die City ein lebendiger Ort bleibt.

Wie gut ist die Ravensburger Innenstadt in Hinblick auf die Zielgruppe junger Menschen aufgestellt?

In letzter Zeit wurde das gastronomische Angebot in Ravensburg zwar stark ausgeweitet, allerdings nicht unbedingt für junge Menschen. Ich würde mir hier deutlich mehr Angebote wünschen – und das bestätigen uns auch unsere jungen Kundinnen und Kunden. Das wäre doch eine großartige Strategie, mit der wir gleichzeitig das Potenzial der leerstehenden Geschäfte nutzen könnten, die es leider auch in der Innenstadt von Ravensburg gibt.

Interview: Bernhard Nattermann, Gudrun Hölz