Mit Jugend wird die Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsensein bezeichnet. Jugendliche müssen in dieser Phase unterschiedliche Herausforderungen bewältigen, die im Zusammenhang mit ihrer Entwicklung, auch Adoleszenz genannt, stehen. Dazu gehört unter anderem die Ablösung von den Eltern, emotionale Unabhängigkeit, die Entwicklung einer eigenen Identität, die Übernahme einer Geschlechterrolle, Beziehungen zu Altersgenossen, der Aufbau von ethischen Werten und die Berufswahl als Ausgangsbedingung von Zukunftsbewältigung.
Von Konvention zu Pop-Kultur
In traditionalen Kulturen wurde und wird dieser Entwicklungsprozess weitgehend vom Senioritätsprinzip bestimmt. Wer älter ist, besitzt Vorrechte (hat Recht), das Gegebene wird plausibel begründet und legitimiert, Gebote und Verbote stabilisieren den Übergangszustand der Adoleszenz. Die Generation der Traditionalisten interpretiert die eigene Lebenskultur als die bestentwickelte. Ungewohntes und Andersartiges wird diskriminiert, abgewertet und verächtlich gemacht, um das eigene Identitätskonzept zu erhalten. Das technische Zeitalter hat jedoch eine Entwicklung angebahnt, die zu einem ständigen Wandel führte, die angestammten Kultur- und Gesellschaftsformen weitgehend auflöste und so ein verändertes Identitätskonzept der Generationen mit sich brachte. Der Wandel vom Senioritätsprinzip hin zum juvenilen Prinzip entwickelte sich im Zuge der Beschleunigung der gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitsverhältnisse in den 60er-Jahren. Im Zeitraum der Generation der Baby-Boomer lösten sich die vorgegebenen Sozialformen und Bindungen und traditionelle Versorgungszusammenhänge wie Klasse, Schicht oder Familie immer mehr auf. Damit entfielen wichtige Orientierungshilfen für die Entwicklung der Jugendlichen. Hilfestellungen bei der Bewältigung ihrer Lebensaufgaben konnte die Pop- und Kulturindustrie liefern: Die Medien – TV, Radio, Print und Plakate – dienten zur Verortung; zugleich orientierten sich die Jugendlichen immer mehr an den Peer Groups, der Gruppe der Gleichaltrigen.
Schneller, bunter, individueller
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Pluralisierung, Globalisierung und Flexibilisierung förderten in den 70er-Jahren einen Trend zur Individualisierung. Diese Entwicklung begünstigte das Entstehen der sogenannten Generation X. Diese Generation lebte in der Überflussgesellschaft, die deutlich von der Werbung beeinflusst wurde. Haltungen und Werte wurden aber auch über Film, Musik und Jugendkultur, wie Punk oder Grunge transportiert. Gleichzeitig wirkten sich neue Technologien wie der Computer auf die Arbeitswelt und beispielsweise Videospiele auf die Freizeit aus. Mobilität, souveräne und selbstbewusste Bewältigungsstrategien, flexible Anpassungsleistungen, psychische und kognitive Kompetenzen wurden in den 80er-Jahren gefordert. Das begünstigte veränderte Bedürfnisse nach kulturellem Ausdruck und das Entstehen der Generation Y. Berufliches und Privates mischten sich, Kommunikation fand online und mobil statt. Während bei der vorherigen Generation die Entwicklung von Identität in hohem Maße als soziale Interaktion stattfand, als eine Fähigkeit, sich aus der Perspektive der anderen zu sehen, lieferten für diese Generation die Medien und der jeweils favorisierte mediale Diskurs Anstöße und Anregung zur Konstruktion von Selbstkonzepten.
Das eigene Leben selbst entwerfen: eine große Verantwortung
Diese Entwicklung intensiviert sich bei der Generation Z. Die Einzelnen erhalten nicht nur in Bezug auf ihre Identitätsfindung zunehmend die Verantwortung, das eigene Lebe selbst zu entwerfen, zu inszenieren. Selbstwahrnehmung und Identität verknüpfen sich mit Selbstnarration, die vor allem im Internet (Soziale Medien) stattfindet. Eine authentische Selbstrepräsentation in den sozialen Netzwerken wird zunehmend zur Bedingung für die Integration in Beziehungsnetzwerke. Influencer haben in diesen Netzwerken eine zentrale Bedeutung für die Meinungsbildung und auch den Wertekonsens. Bei den Angehörigen dieser Generation hat Privates Vorrang vor der Arbeit, und sie wollen beides möglichst voneinander trennen. Sie leben in hybriden Lebensräumen, sie setzen keine klaren Grenzen zwischen realer und virtueller Welt.
Schnauze voll von Inszenierung: Be real!
Noch ist das Bedürfnis nach schmeichelhafter Selbstdarstellung, der sogenannten Instagram-Ästhetik, groß, doch es kann vermutet werden, dass die Generation Alpha andere Prioritäten setzen wird. Sie lehnen die von Algorithmen gepushte Omnipräsenz der Influencer ab. Verstärkt gerät bei dieser Generation, so erste Beobachtungen in Frankreich und den USA, das Authentische in den Blick. Ausdruck dieser Entwicklung ist die französische App „BeReal“. Im Verlauf des Tages taucht eine Push-Nachricht auf, jetzt „real“ zu sein. Danach haben die Jugendlichen zwei Minuten Zeit, eine Aufnahme zu machen, wobei sowohl die vordere als auch die hintere Kamera ausgelöst wird. Beide Bilder werden automatisch an die Follower gesendet. Ohne Kontaktaufnahme wird damit Verbundenheit suggeriert. Es geht nicht mehr um das Sammeln von Erinnerungsbildern, sondern um das Erzeugen des Gefühls, an einer realen Kommunikation, einer direkten Interaktion unter Gleichgesinnten teilzunehmen.
Prof. Dr. Franz-Josef Röll, Soziologe und Medienpädagoge