Interview

„Alle Akteure müssen eingebunden werden.“

Katja Gicklhorn leitet den Cluster Elektromobilität Süd-West und die Landeslotsenstelle Transformationswissen BW bei der Landesagentur für
neue Mobilitätslösungen und Automotive, e-mobil BW, in Stuttgart. Wir fragten sie, was getan werden muss, damit der Transformationsprozess in der Automobilwirtschaft gelingt.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Weiterentwicklung der Technologie im Bereich E-Mobilität?

Die Automobilwirtschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess, der etablierte Unternehmensstrukturen, von der Lieferkette bis zum Kundensegment, grundlegend verändert. Betriebe, die bis dato sehr erfolgreich im verbrennungsmotorischen Antriebsstrang waren, müssen sich neu positionieren, sich gegen Wettbewerber aus Asien und den USA behaupten sowie neue Produkte und Dienstleistungen in den innovativen Technologien erschließen. Da die E-Mobilität ein entscheidender Hebel ist, um die Klimaziele zu erreichen, unterstützt Baden-Württemberg die technologische Weiterentwicklung, vor allem beim Ausbau des batterie- und brennstoffzellenelektrischen Antriebs sowie beim Aufbau der Ladeinfrastruktur, beim Recycling von Batterien, bei der CO-neutralen Produktion und bei der Digitalisierung.

Wie genau unterstützt die Landesagentur e-mobil BW die Unternehmen dabei?

Um im komplexen Transformationsprozess zu bestehen, wird das Thema Kooperation und Netzwerkarbeit immer bedeutender. Genau das ist Aufgabe der Landesagentur e-mobil BW. Wir vernetzen Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft. Davon profitieren gerade kleine Betriebe, denn sie verringern so mögliche finanzielle Risiken, beschleunigen ihre technologische Entwicklung und sind besser über aktuelle Förderungen und Weiterbildungsangebote informiert. Aber auch große Unternehmen profitieren von den gebündelten Kräften, so finden sie etwa neue Partner für zukünftige Wertschöpfungsketten und Kooperationen. Wichtig ist auch der Wissenstransfer, weshalb wir regelmäßig Studien zur Automobilwirtschaft und ihrer künftigen Ausrichtung herausgeben und diese öffentlich kommunizieren. Für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen ist vor allem ihre strategische (Neu-)Ausrichtung in der Transformation entscheidend. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium und Transformationswissen BW haben wir hierfür ein Gutscheinprogramm aufgebaut, das externe Beratungsleistungen finanziell bezuschusst.

Wo stehen die Unternehmen im Land aktuell bei der Transformation?

In Baden-Württemberg gibt es zahlreiche Unternehmen, die in Zukunftsthemen wie Batterie, Elektromotor, Maschinenbau, Wasserstoff- und Brennstoffzelle, Automatisierung, Thermomanagement oder digitalen Mobilitätslösungen tätig sind und ihr Geschäftsmodell erfolgreich neu ausrichten. Komponenten, Bauteile und Systeme für die Elektromobilität Made in Baden-Württemberg sind im globalen Wettbewerb eine herausragende Kenngröße. Dennoch gibt es akute Herausforderungen: Neben den Lieferketten sind das vor allem die Digitalisierung und der Fachkräftemangel. Den Unternehmen sind diese Herausforderungen wohl bekannt und sie wappnen sich entsprechend, etwa durch die Mitarbeit in unseren Clustern Elektromobilität Süd-West und Brennstoffzelle BW. Auch im Strategiedialog Automobilwirtschaft BW, kurz SDA BW, zeigt sich, dass die Unternehmen den Transformationsprozess entschlossen mitgestalten.

Wie sehen die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Transformation in den Bereichen Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung, Forschung und Gesetzgebung aktuell aus?

Die Landesagentur e-mobil BW arbeitet seit ihrer Gründung daran, gute Rahmenbedingungen für die Betriebe im Land zu schaffen. Viele Gesetze entstehen heute allerdings auf Bundes- oder EU-Ebene. Die Mitglieder des Strategiedialogs Automobilwirtschaft BW bringen deshalb die baden-württembergische Perspektive in übergeordnete Rechtsverfahren ein. Dabei werden alle relevanten Stakeholder der Automobilbranche, von Herstellern über Zulieferer bis hin zu Zivilgesellschaft und Forschung, eingebunden, um Verbesserungsbedarfe zu benennen und konkrete Handlungsempfehlungen zu geben. Andere Themen gehen wir direkt im Land an, etwa das Projekt QualiBattBW, indem Schulungsangebote für Fachkräfte im Bereich der Batterieproduktion entstehen. Oder die Mission des SDA BW „Transferqualifizierung und Veränderungsbereitschaft“, in der diskutiert wird, wie bestehendes Personal im Wandel hin zu neuen Produkten und Geschäftsmodellen mitgenommen werden kann und welche erforderlichen Kompetenzen dazu aufgebaut werden müssen.

Wo gibt es noch Verbesserungsbedarf?

Damit Lieferketten stabiler werden, Fachkräfte sich weiterbilden können und die Mobilität elektrischer, vernetzter und autonomer wird, müssen alle relevanten Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in die Weiterentwicklung der Branche und der Transformation eingebunden werden und gemeinsam an den Herausforderungen arbeiten. Um dieses Ziel zu erreichen, fokussieren wir bei unserer Arbeit drei Stellschrauben: Wissen vermitteln, innovative Projekte initiieren und Menschen miteinander vernetzen. So kommen wir vom Sprechen über die Transformation ins Machen. Dabei zählt jedes Projekt, egal ob zu digitalen Fahrzeugarchitekturen, zum Hochleistungsschnellladen für LKWs oder zum Recycling von Lithium-Ionen-Batterien.

Interview: Elena Skiteva, Gudrun Hölz