Interview

„Investitionen in alternative Kraftstoffe brauchen klare Rahmenbedingungen.“ -Oliver Hoch im Interview

Rolls-Royce Power Systems entwickelt nachhaltige Energie- und Antriebslösungen, etwa für die Schifffahrt und stationäre Energieversorgung. Wir sprachen mit Oliver Hoch, Regulatory Expert Energy Market and Alternative Fuels, darüber, worauf Rolls-Royce auf dem Weg zur Klimaneutralität seiner Produkte setzt und was er in Sachen alternativer Kraftstoffe wie Wasserstoff und E-Methanol von der Politik erwartet.

Welche Strategie verfolgt Rolls-Royce Power Systems, damit die Produkte des Unternehmens klimaneutral betrieben werden können?

Rolls-Royce entwickelt und liefert komplexe Energie- und Antriebslösungen für sicherheitsrelevante Anwendungen zu Land, zu Wasser und in der Luft. Unter der Marke mtu vertreibt Rolls-Royce Power Systems schnelllaufende Motoren und Antriebssysteme unter anderem für Schiffe und die Energieversorgung. In unseren Anwendungsfeldern ist die Emissionsreduzierung aufgrund der hohen benötigten Antriebsleistung und des eingeschränkten Platzes besonders herausfordernd. Man spricht hier von sogenannten Hard-to-abate-Sektoren, also Sektoren, in denen sich die Dekarbonisierung besonders schwierig gestaltet. Daher wird der Einsatz von – nahezu – CO2-neutralen Flüssigkraftstoffen im Luft- und Seeverkehr die einzige Option zur Defossilisierung sein.

Welche Rolle spielen wasserstoffbetriebene Motoren im Produktportfolio von Rolls-Royce Power Systems?

Wir entwickeln derzeit Wasserstoff-Verbrennungsmotoren für die stationäre Energieversorgung. Der Motor soll als zuverlässige und saubere Stromquelle für Aggregate und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in der Energiewende dienen. Betrieben mit „grünem“ Wasserstoff, hergestellt mit Energie aus erneuerbaren Quellen, ist er quasi klimaneutral. Die Gasmotoren der mtu-Baureihe 4000 sind schon jetzt für den Betrieb mit einer begrenzten Wasserstoffbeimischung geeignet. Im Rahmen eines aktuellen Projekts wird ein Umrüstsatz für bestehende mtu-Gasaggregate entwickelt, der auch 100 Prozent Wasserstoffnutzung ermöglicht. Das bedeutet, dass sowohl aktuell laufende mtu-Gasmotoranlagen als auch zukünftig angeschaffte mtu-Aggregate eine zukunftssichere Investition sind, wenn irgendwann die Kraftstoffinfrastruktur von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt wird. Aus diesem Grund bezeichnen wir das mtu-Gasmotorensystem bereits als H2-ready. Die erste Installation von mtu-Motoren, die mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden, ist bereits ab 2024 für das Leuchtturmprojekt Enerport II im deutschen Binnenhafen Duisburg geplant, als Teil der Entwicklung einer CO2-neutralen Energieversorgung für ein neues Containerterminal. Wann wirklich Motoren im größeren Umfang mit Wasserstoff betrieben werden, hängt stark von dem Hochlauf von Produktionskapazitäten für sauberen Wasserstoff und Transport- beziehungsweise Tank-Infrastruktur ab. Aufgrund fehlender Regulatorik war die Dynamik bisher hier gedämpft.

Welche Rolle spielen andere regenerative Energieträger wie etwa E-Fuels für die Produktentwicklung von Rolls-Royce Power Systems?

Alternative Kraftstoffe wie Biofuels und E-Fuels sind unverzichtbar, um den Luft- und Seeverkehr klimafreundlich zu machen. Turbinen und Motoren werden hier mangels Alternativen weiterhin benötigt. Daher ist es notwendig, den Kraftstoff CO2-neutral zu machen. Für unsere Anwendungen sehen wir in den kommenden Jahren auf Biomasse basierende Kraftstoffe wie HVO oder Biomethan als geeignete Alternativen, um die Hochleistungsanwendungen nahezu CO2-neutral betreiben zu können. Die Produktionskapazität von Biokraftstoffen ist allerdings begrenzt. Daher brauchen wir langfristig sogenannte E-Fuels. Aus unserer Sicht wird vor allem E-Methanol für die Schifffahrt eine große Rolle spielen, da dieser Kraftstoff viele Vorteile vereint. Im Vergleich zu anderen nachhaltigen Kraftstoffen wie Wasserstoff, Methan und Ammoniak hat Methanol die höchste Energiedichte unter Berücksichtigung des Tanksystems. Logistik und Handhabung sind wesentlich unkomplizierter, da Methanol unter normalen Randbedingungen ein flüssiger Kraftstoff ist. Zudem wird Methanol heute schon international gehandelt und besitzt damit bereits eine verwendbare Infrastruktur. Weil jetzt bereits in der Hochseeschifffahrt begonnen wird, auf Methanol zu setzen, wird sich der Markthochlauf beschleunigen.

Welche Forderungen stellt Rolls-Royce Power Systems an die Politik, damit Wasserstoff und E-Fuels möglichst schnell in den Markt kommen?

Um den Markthochlauf zu schaffen, sind pragmatischere Regulierungsvorgaben und ambitioniertere Ziele auf EU-Ebene notwendig. Nehmen wir das Beispiel E-Methanol: Im Gegensatz zur traditionellen Methanolherstellung, bei der fossile Brennstoffe verwendet werden, setzt die E-Methanol-Produktion auf Elektrolyseverfahren, bei denen Wasserstoff mit erneuerbaren Energien erzeugt wird. Dieser Wasserstoff wird dann mit Kohlenstoffdioxid kombiniert, das aus verschiedenen Quellen stammen kann, etwa aus industriellen Prozessen oder aus der Atmosphäre. Die EU-Regulierung setzt zwar hohe Ambitionen für Quoten, aber die Produktion in Europa ist im Gegensatz zu anderen Regionen auf der Erde nur begrenzt wirtschaftlich. Das heißt, dass E-Methanol zukünftig importiert werden muss. Der Import in die EU ist aktuell faktisch unmöglich, da für die Herstellung von E-Methanol CO2 benötigt wird. Allerdings schreibt die EU vor, dass das benötigte CO2 aus Bioquellen stammen muss, diese sind aber mengenmäßig limitiert. Alternativ könnte es per Direct Air Capture direkt aus der Luft entnommen werden, eine Technik, die industriell aber noch nicht nutzbar ist. Es bliebe nur der Einsatz von CO2 aus der Industrie. Das wäre jedoch nur dann möglich, wenn das Herkunftsland über ein effektives Preissystem für CO2 im Sinne der EU verfügt. Leider erfüllen kaum Länder diese EU-Anforderungen, insbesondere die nicht, die über viel Sonne und Wind verfügen. So laufen wir Gefahr, dass nicht nur die maritime Energiewende auf Grund läuft, sondern auch die Energiewende im Luftverkehr. Hier brauchen wir vor allem für die Markthochlaufphase viel pragmatischere Ansätze.

Sehen Sie Probleme beim Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur in der Region?

Der Bodenseekreis ist geprägt von einem starken produzierenden Gewerbe, einer hohen Beschäftigungsquote und einer niedrigen Arbeitslosigkeit. Trotz ihrer geografischen Randlage in Deutschland und Baden-Württemberg weist die Region eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Prosperität auf. Ohne eine gesicherte Energie- und Wasserstoffversorgung droht diese zu schwinden. Aus diesem Grund setzen wir uns mit weiteren regionalen Unternehmen, Institutionen und Verbänden, darunter auch die IHK Bodensee-Oberschwaben, für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung und -infrastruktur ein. Vor dem Hintergrund, dass in den nächsten Jahren rund 65 Prozent der gesicherten Kraftwerksleistung in Baden-Württemberg wegfallen, müssen heute bereits Investitionen in dezentrale Energieerzeugungsanlagen erfolgen. Die aktuellen politischen Rahmenbedingungen schaffen allerdings keine Investitions- und Planungssicherheit. Unsere Forderung daher: schnellstmögliche Strommarktreform und die Einführung eines Kapazitätsmarktes, damit die Investitionen insbesondere in dezentrale Anlagen schnellstmöglich erfolgen. Dasselbe gilt für Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur. Baden-Württemberg und insbesondere die Bodenseeregion sollen erst nach 2030 mit Wasserstoff versorgt werden. Daher fordern wir die Politik auf, Prioritäten neu zu setzen und den Süden von Deutschland früher mit Wasserstoffinfrastruktur auszustatten. Denn Investitionen in Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen mit Wasserstoff werden nur stattfinden, wenn auch die Infrastruktur vorhanden ist.
Interview: Stefan Kesenheimer, Gudrun Hölz