Herr Rickert, woher kommt Ihre Leidenschaft für das Sachverständigenwesen?
Nach meinem Jura-Studium habe ich als Rechtsreferendar die Verwaltungsstation bei der IHK gemacht. Dabei bin ich zum ersten Mal mit dem Thema in Berührung gekommen. Ich habe mich intensiver damit beschäftigt, und seit fast 30 Jahren lässt mich das Thema nicht mehr los.
Was macht das Sachverständigenwesen so spannend?
Ich finde, wir haben in Deutschland ein sehr gutes System. Einerseits darf sich jeder „Sachverständiger“ nennen und als solcher arbeiten. Das spiegelt unseren freiheitlichen Grundgedanken wider. Gleichzeitig haben wir es durch die öffentliche Bestellung und Vereidigung geschafft, eine gesetzlich geregelte Qualitätssicherung einzuführen. Diese Kombination aus Verbraucherschutz und Liberalität sucht in unserer regulierten Welt ihresgleichen.
Was unterscheidet einen Sachverständigen von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen?
Wer einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen beauftragt, kann sich sicher sein, dass er mit einem der Besten des Faches zusammenarbeitet. Der Titel „öffentlich bestellt und vereidigt“ ist ein Qualitätssiegel, das besondere Sachkunde und persönliche Eignung garantiert. Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist immer überdurchschnittlich qualifiziert, neutral und unabhängig. Das ist bei einem Sachverständigen nicht automatisch der Fall.
Welche Vorteile bringt der Titel den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen?
Im großen Markt der Sachverständigen heben sich die Experten durch den Titel heraus. Ihnen wird automatisch mehr Vertrauen entgegengebracht. Aufgrund der Verpflichtung zur Neutralität sind Gerichte angehalten, bevorzugt mit öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu arbeiten. Auf dem freien Markt können sie tendenziell höhere Honorare verhandeln.
Inwiefern profitieren Unternehmen von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen?
Vor allem vor Gericht wird die Bedeutung von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen deutlich. Sie treten professionell auf und lassen sich von den Anwälten der Verfahrensbeteiligten nicht provozieren. Ihre Gutachten sind neutral, nachvollziehbar, für Laien verständlich und werden von Dritten akzeptiert. All das verkürzt die Dauer von Prozessen, senkt die Transaktionskosten für Unternehmen und führt zu schnelleren Lösungen. Kürzere Prozesse sorgen dafür, dass Unternehmer sich schneller wieder ihrem Business widmen können.
Welche Rolle spielen die IHKs bei der Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen?
Für mich gibt es jenseits der beruflichen Bildung keine wichtigere hoheitliche Aufgabe der IHKs als die Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen. Die Kammern beraten, informieren, prüfen die Anträge und sichten die Unterlagen. Außerdem lassen sie ein ehrenamtliches Fachgremium aus Experten die fachliche Expertise begutachten (siehe Infokasten). Sowohl der Aufwand der IHKs als auch ihre Verantwortung gegenüber den eigenen Mitgliedern ist enorm, aber auch gerechtfertigt. Denn mit der öffentlichen Bestellung und Vereidigung eines Sachverständigen geben sie ein Qualitätsversprechen. Wenn die IHKs ihre Aufgabe gut machen, profitieren alle: die Experten, die Unternehmen, die Gerichte und die Kammern. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten!
Interview: Anne Besser