In der aktuellen Situation treffen die schwächelnde Weltwirtschaft, gewaltsam ausgetragene geopolitische Konflikte sowie Strukturprobleme (Fachkräftemangel, Bürokratie, nicht konkurrenzfähige Energiepreise) aufeinander, die zusammen den Abwärtstrend der hiesigen Wirtschaft beschleunigen. Während zu Beginn des Jahres noch jedes zweite Unternehmen den Daumen hob, bezeichnet aktuell nur noch ein gutes Drittel seine aktuelle Lage als gut. Der Anteil der Betriebe, deren Geschäfte schlecht laufen, hat sich auf über 23 Prozent nahezu verdoppelt. Die hohe Inflation zehrt trotz gestiegener Löhne an der Kaufkraft der Verbraucher. Die mehrfach angehobenen Leitzinsen bremsen den Konsum zusätzlich. Folglich spüren über drei Viertel der Einzelhändler eine hohe Kaufzurückhaltung. Stark gestiegene Bau- und Finanzierungskosten haben den privaten Wohnungsbau einbrechen lassen. Die schwächelnde Weltkonjunktur macht der Industrie zusätzlich zu schaffen. Unter dieser Entwicklung leidet auch der Großhandel. Lediglich die Dienstleister konnten sich bislang erfolgreich behaupten.
Anhaltende Skepsis
Anzeichen für eine baldige Trendumkehr sind nicht zu erkennen. Weder aus dem In- noch aus dem Ausland kommen derzeit nennenswert nachlassende Investitionsbereitschaft die Nachfrage zusätzlich. Nur noch jedes zehnte Industrieunternehmen kann steigende Inlandsaufträge verbuchen. Jeder zweite Betrieb meldet eine schrumpfende Nachfrage. Aus dem Ausland kommt auch keine frische Brise. Die Exporterwartungen haben sich gegenüber dem Frühjahr deutlich eingetrübt. Lediglich die Absatzmöglichkeiten in Nordamerika werden weiterhin von etwas mehr Unternehmen positiv als negativ gesehen.
Risiken bleiben bestehen
Der Fachkräftemangel verliert zwar auf hohem Niveau etwas an Bedeutung, bleibt jedoch das am häufigsten genannte Geschäftsrisiko und damit ein Wachstumshemmnis. Die steigenden Arbeitskosten belasten immer mehr Unternehmen. Die Bedeutung der Energiekosten als Geschäftsrisiko nimmt weiter ab. Sie sind in Deutschland im internationalen Vergleich jedoch immer noch viel zu hoch und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unternehmen. Auch die Inlandsnachfrage bereitet wieder mehr Betrieben Sorgen.
Finanzsituation vorerst stabil
Trotz abflauender Konjunktur bewerten wie zuvor fast zwei Drittel der Unternehmen ihre aktuelle Finanzlage als unproblematisch. Jedoch ist der Anteil der Betriebe, die in ihrer Finanzierung als Geschäftsrisiko sehen, von 14 Prozent im Frühjahr auf 20 Prozent gestiegen. Im Schnitt aller Branchen melden derzeit 19 Prozent der Unternehmen Eigenkapitalrückgänge, 13 Prozent Liquiditätsengpässe und elf Prozent einen erschwerten Zugang zu Fremdkapital.
Fehlende Planungssicherheit bremst Investitionen
Fast vier von zehn Unternehmen bewerten die Wirtschaftspolitik als Risiko für ihre Geschäfte, im Frühjahr taten dies nur 28 Prozent. In der Folge sinkt die Bereitschaft, in Deutschland zu investieren. Notwendige Ersatzinvestitionen wollen die Unternehmen für Innovationen und Rationalisierung nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. In die Erweiterung der Kapazitäten investieren nur knapp 16 Prozent der Betriebe, noch geringer war dieser Anteil nur während der Corona-Krise sowie der globalen Finanzmarktkrise.
Arbeitslosigkeit steigt leicht
Die schwache Konjunktur schlägt sich auch auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Arbeitslosenquote lag im September 2023 bei 3 Prozent, ein Jahr zuvor lag sie noch bei 2,6 Prozent. Ein Viertel der Unternehmen plant, Personal abzubauen, nur jeder zehnte Betrieb schafft zusätzliche Stellen. Trotzdem bleiben Fachkräfte knapp. 56 Prozent der Betriebe haben derzeit offene Stellen, die sie nicht besetzen können. Deshalb wollen fast zwei Drittel der Unternehmen trotz aller Skepsis ihre Arbeitskräfte halten. Die Arbeitslosigkeit dürfte deshalb nur wenig zunehmen.
Fazit: Rezession kaum noch vermeidbar
Die Stimmung in der regionalen Wirtschaft bleibt weiterhin gedrückt. Der Anteil der Betriebe, die Rückschläge befürchten, ist gegenüber dem Frühjahr von 25 auf 30 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der Optimisten ist leicht gestiegen, um 14 auf 18 Prozent. Die regionale Wirtschaft geht tendenziell von einer Fortsetzung der Abwärtstendenz aus. In Kombination mit der kräftig zurückgegangenen Lagebewertung deutet die anhaltend skeptische Stimmung darauf hin, dass mit einer rezessiven Entwicklung für die nächsten Monate zu rechnen ist.
Jonas Pürckhauer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm