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Freizeitwirtschaft – viel zum Anschauen und Erleben
Die Freizeitwirtschaft gilt als Deutschlands größter Arbeitgeber, enormer Wachstumsmarkt und wichtiger Motor für den Tourismus. Gerade in der Region zwischen Alb und Bodensee ist die Branche besonders stark vertreten und bietet Feriengästen und Einheimischen, Familien und Schulklassen, Abenteuerlustigen und Mittelalterfans viel zum Anschauen und Erleben. Über bewährte Konzepte und neue Trends sprachen wir mit einem großen und zwei kleinen Anbietern sowie einem Tourismusverband.
Am Osterwochenende haben sie nach der Winterpause alle wieder aufgemacht: Das Ravensburger Spieleland, der Kletterwald in Laichingen, die Bachritterburg in Kanzach – und die ganzen anderen beliebten Einrichtungen in der Region, in denen viele Menschen gerne ihre Freizeit verbringen. Die Gäste kommen aus nah und fern und schätzen die hohe Qualität der Angebote. Kein Wunder also, dass der Tourismus in Baden-Württemberg im Jahr 2023 endlich wieder an die Rekordergebnisse aus dem touristischen Spitzenjahr 2019 – dem Jahr vor der Corona-Pandemie – anknüpfen und sie in manchen Regionen sogar übertreffen konnte. Zum Beispiel in Oberschwaben-Allgäu, das 2023 so beliebt war wie nie zuvor und sich über 10 Prozent mehr Ankünfte als 2019 freuen konnte. Die Urlaubsregion zählt bundesweit zu den Tourismusdestinationen mit der schnellsten Erholung nach der Corona-Pandemie und sicherte sich mit 89,4 (von maximal 100) Punkten auch den höchsten Zufriedenheitswert von neun untersuchten Regionen in Baden-Württemberg.
Mitmach-Konzept im Ravensburger Spieleland
Eine herausragende Rolle in Tourismus und Freizeitwirtschaft spielt das Familiensegment, denn Familien sind immer auf der Suche nach gemeinsamen Erlebnissen und kinderfreundlichen Angeboten. Genau an der richtigen Adresse sind sie da im Ravensburger Spieleland. „Mit unserem Mitmach-Konzept bieten wir schon seit 26 Jahren unvergessliche Familienmomente. Kinder von zwei bis zwölf Jahren können hier bei uns im Grünen gemeinsam mit ihren Eltern viel entdecken und erleben, Neues lernen und jede Menge Spaß haben“, ist sich Geschäftsführerin Siglinde Nowack sicher – und der jahrelange Erfolg und die aktuellen Zahlen geben ihr recht: Allein im vergangenen Jahr besuchten 460.000 Gäste das Ravensburger Spieleland, 40.000 davon als Übernachtungsgäste im parkeigenen Feriendorf, und bescherten dem Freizeitpark einen neuen Besucherrekord.
Viele Familien aus der Region haben eine Saisonkarte, und viele Gäste von außerhalb kommen jedes Jahr wieder.– Siglinde Nowack
© Rolf Schultes
„Viele Familien aus der Region haben eine Saisonkarte, und viele Gäste von außerhalb kommen jedes Jahr wieder, weil wir mehr als 70 Attraktionen in acht Themenwelten haben und uns immer wieder etwas Neues einfallen lassen“, betont Nowack. In diesem Jahr können die Besucherinnen und Besucher zum Beispiel den beliebten Hasen Lotti Karotti aus dem meistverkauften Kinderspiel der Marke Ravensburger treffen. „Das kuschelige und freche Tier, das im ganzen Land bekannt ist, erwacht im Ravensburger Spieleland zum Leben und zieht als neues Maskottchen in unseren Freizeitpark ein. Jeden Tag um 15:15 Uhr können die kleinen und großen Fans an einem Treffpunkt Erinnerungsfotos mit dem Langohr machen“, erzählt die Geschäftsführerin und verrät auch gleich die Attraktion des nächsten Jahres: „Ab dem Sommer 2025 geht es bei uns auf die Jagd nach dem geheimnisvollen Mister X.“ Auch der ist eine bekannte Figur aus einem millionenfach verkauften Brettspiel von Ravensburger, dem Kultspiel „Scotland Yard“ aus den 1990er-Jahren. „Unsere Attraktionen im Spieleland wecken Erinnerungen an die beliebten Spiele unserer Marke Ravensburger, die für Werte wie Freude, Bildung und Gemeinsamkeit steht“, erklärt Nowack. „Das blaue Dreieck mit dem Ravensburger Schriftzug feiert in diesem Jahr übrigens seinen 50. Geburtstag unter dem Motto ‚Moments that connect‘ –, und genau wegen solcher Momente ist das Ravensburger Spieleland so beliebt bei unseren Gästen.“ Die kamen im Jahr 2023 zu 60 Prozent aus Deutschland, zu 30 Prozent aus der Schweiz und zu 8 Prozent aus Österreich – so wie das in allen Einrichtungen in der Nähe des Bodensees durchaus üblich ist.
Das Beste vom See bei den Bodenseesternen
„Die internationale Bodenseeregion gehört zu den beliebtesten Urlaubsregionen in Europa, und das liegt auch an unserem außerordentlich großen Freizeitangebot“, sagt Markus Bumiller. Er ist Sprecher des Verbands der Tourismuswirtschaft Bodensee e. V. (VTWB), dem größten internationalen touristischen Netzwerk am Bodensee, zu dem sich 52 Leistungsträger der Freizeitwirtschaft zusammengeschlossen haben. Sie nennen sich „Bodenseesterne – das Beste vom See“ und verstehen sich nicht als Konkurrenz, sondern als Teil einer starken Gemeinschaft. Verbandsmitglieder sind zum Beispiel die Burg Meersburg, das Schloss Salem, die Insel Mainau und das Ravensburger Spieleland in Deutschland, das Festspielhaus Bregenz und die Pfänderbahn in Österreich sowie das Napoleonmuseum Arenenberg und die Schwebebahn Schwägalp-Säntis in der Schweiz.
© Rolf Schultes, Drumlin Photos
Wir bieten eine Auszeit vom Alltag – für Einheimische und Gäste gleichermaßen.– Markus Bumiller
Die Mobilität in der Region garantieren die Flotte der Bodensee-Schifffahrtsbetriebe ebenso wie die schweizerische Regionalbahn Thurbo und die Historische Schifffahrt mit dem Jugendstil-Dampfschiff „Hohentwiel“ und dem Art-déco-Motorschiff „Oesterreich“ – und rund um den See mit seiner Uferlänge von rund 170 Kilometern verläuft der Bodensee-Radweg. „Wir allesamt sind Top Professional und stehen für die Marke Bodensee. Wir bieten eine Auszeit vom Alltag, ein Zuhause auf Zeit, schaffen Infrastruktur, gestalten Umwelt und Lebensqualität für Einheimische und Gäste gleichermaßen“, erklärt Bumiller, der selbst Geschäftsführer von MB Events & Adventures in Moos am Bodensee ist und unterschiedliche Outdoor-Erlebnisse und Incentive-Programme von der Kanutour bis zum Rafting anbietet. Solche Aktivitäten im Freien haben während der Corona-Pandemie stark an Bedeutung gewonnen. Weil sie weder ins Museum noch ins Kino gehen durften, entdeckten viele Menschen in dieser Zeit das Wandern oder Radfahren (wieder) für sich oder probierten Trendsportarten wie Inline-Skating und Stand-up-Paddling aus. Dieser Trend hält sowohl bei Tages- als auch bei Urlaubsgästen noch an und ist – ebenso wie der erlebnisorientierte Familientourismus – derzeit ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Freizeitwirtschaft. „Über solche aktuellen Entwicklungen im Freizeitverhalten sprechen wir als Verband der Tourismuswirtschaft Bodensee e. V. mit der Politik, bringen unsere Expertise zu Fragen der Freizeitwirtschaft ein und fördern die Vernetzung mit anderen Organisationen, Verbänden und Zusammenschlüssen“, erklärt Bumiller. „Denn es braucht viele leistungsstarke Akteure, um Erlebnisse mit hoher Qualität zu erhalten und weiterzuentwickeln – und die Bodenseeregion als eine der beliebtesten Ausflugsziele in Deutschland, Österreich und der Schweiz weiterhin attraktiv und wettbewerbsfähig zu halten.“ Und auch ein allgemein bekanntes Problem steht bei seinen Gesprächen mit der Politik regelmäßig auf der Agenda: der Personalmangel. Über den klagen fast alle Einrichtungen – vom Museum bis zum Schifffahrtsbetrieb –, und er betrifft fast alle Tätigkeiten vom Kassendienst bis hin zu den Führungskräften.
Mittelalter erleben in der Bachritterburg
Diese Herausforderung kennt auch Klaus Schultheiß, der seit 2019 ehrenamtlicher Bürgermeister der kleinen Gemeinde Kanzach ist. Der Ort im Landkreis Biberach hat gerade einmal 500 Einwohnerinnen und Einwohner, liegt etwa 5 Kilometer westlich des Federsees und ist bekannt für seine Bachritterburg. In diesem Freilichtmuseum, das zum Archäopark Federsee gehört, können die Besucherinnen und Besucher jedes Jahr von Ostern bis Mitte Oktober die Faszination Mittelalter hautnah erleben. Die einfache Burg aus Holz ist ein vollständig rekonstruierter Nachbau einer mittelalterlichen Wohnburg und zeigt, wie ein oberschwäbischer Kleinadliger im Mittelalter gelebt haben könnte. „Deshalb kommen viele Schulklassen zu uns, deren Lehrkräfte den Geschichtsunterricht anschaulich gestalten wollen. Und natürlich Mittelalterfans“, erzählt Schultheiß.
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Mittelaltergruppen sind wichtige Aushängeschilder für die Bachritterburg.– Klaus Schultheiß
Zum Start in die aktuelle Saison übernahm am Ostersamstag die Living-History-Gruppe Reisecen 1220 bis 1250 e. V. zusammen mit befreundeten Mittelaltervereinen die Bachritterburg und stellte das alltägliche Leben in einem niederadligen Lehen vor, von der Arbeit der Knechte und Mägde und der Bauern und Handwerker bis hin zum höfischen Alltag in der Burg. „Solche Mittelaltergruppen sind wichtige Aushängeschilder für die Bachritterburg und brachten uns vor der Pandemie bis zu 10.000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr“, sagt der Bürgermeister. „Diese guten Zeiten sind aber seit Corona vorbei. Im letzten Jahr kamen nur noch knapp 3.800 Gäste in die Bachritterburg. Mit deren Eintrittsgeldern konnten wir nicht einmal unsere Betriebskosten von knapp 20.000 Euro im Jahr decken.“ Das ist bitter für die kleine Gemeinde, die den Nachbau der mittelalterlichen Burg in Zusammenarbeit mit Archäologen, Bauforschern, Architekten und traditionell arbeitenden Handwerkern stemmte und 2001 den hölzernen Wohnturm und 2004 die Vorburg baute. Von den rund 2 Millionen Euro Baukosten finanzierte 70 Prozent die EU über das LEADER-Programm, und jeweils 15 Prozent der Kosten trugen das Land Baden-Württemberg und die Gemeinde Kanzach. Heute trägt die Gemeinde die Betriebskosten jedoch allein und braucht kluge Konzepte gegen den Besucherrückgang – dazu gehören zum Beispiel Mittelaltermärkte, Feste, Konzerte und Führungen. Ideen haben der Bürgermeister und der Förderverein Freunde der Bachritterburg e. V. jede Menge, doch auch sie finden kein Personal, zum Beispiel für den Kassendienst am Wochenende, und mussten sehr lange nach einem neuen Pächter für die Burgschänke suchen. „Vor der Pandemie hatten wir viele große Veranstaltungen in der Bachritterburg, und unsere Burgschänke kümmerte sich hervorragend um das leibliche Wohl unserer Gäste. Doch im letzten Jahr musste der Pächter aus gesundheitlichen Gründen aufhören und wir standen ohne Bewirtung da“, erinnert sich der Bürgermeister. Inzwischen versorgt BBQ Genussevents zumindest an den drei Mittelalter-Wochenenden die Besucherinnen und Besucher mit leckerem Streetfood.
Von Baum zu Baum schwingen im Kletterwald Laichingen
In der Saison beschäftigen wir 30 bis 40 Aushilfen. Wir sind ein cooles Team, und das spricht sich herum.– Sascha Vetter
Auch der Kletterwald in Laichingen öffnete am Osterwochenende seine Pforten. „Wir sind Ba-den-Württembergs größter Kletterwald auf der Schwäbischen Alb und liegen gleich neben der Tiefenhöhle“, sagt Geschäftsführer Sascha Vetter. Der 44-Jährige löste im vergangenen Jahr seinen Vater Roland ab, der in Rente ging, aber nach wie vor Mehrheitsgesellschafter des Kletterwalds ist. Nun betreibt Sohn Sascha den Kletterwald zusammen mit seiner Frau Nori und fünf festangestellten Kräften. „In der Sai-son unterstützen uns noch zwischen 30 und 40 Aushilfen. Das sind alles junge Leute, und jedes Jahr kommen neue dazu. Denn wir sind ein cooles Team, und das spricht sich herum“, freut sich Vetter.
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Auch der Besuch des Kletterwalds ist ziemlich cool und kommt gut bei Schulklassen, Familien, Vereinen und Unternehmen an. Pro Jahr sind rund 30.000 Besucherinnen und Besucher im Kletterwald Laichingen und schwingen sich dort von Baum zu Baum, steigen über wackelige Brücken und überqueren Hindernisse an Seilen. „Wir haben Kletterelemente in bis zu 16 Metern Höhe in einem wunderschönen Waldgebiet“, schwärmt der Geschäftsführer. „Unsere längste Seilbahn ist 152 Meter lang, und unsere 19 Parcours reichen von ganz leicht für Einsteiger bis hin zu anspruchsvoll für Profis.“ Auch Menschen, die nicht klettern wollen oder können, kommen im Kletterwald auf ihre Kosten: Sie können seit 2021 in Explore-Games auf dem Tablet eine Art Schnitzeljagd auf dem Kletterwaldgelände machen – und digital die Natur erkunden. Das ist ebenfalls ein aktueller Trend in der Freizeitwirtschaft: Virtuelle Angebote ergänzen oder erleichtern den Zugang zu Freizeitaktivitäten. Es bleibt also spannend, nicht nur in den vielen Attraktionen der Freizeitwirtschaft, sondern auch in der gesamten Branche.
Elke Zapf lebt und arbeitet als freie Journalistin in Ravensburg