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die WIRTSCHAFT | Das Magazin
Nr. 5870372
4 minLesezeit
Interview
„Kosteneffizienz ist beim Einkauf das A und O.“
Die Schnitzer Group mit Hauptsitz in Wangen ist ein unabhängiges, global agierendes technisches Dienstleistungsunternehmen. Seit 1992 hat sie sich primär im Automotive-Sektor auf die Industrialisierung komplexer technischer Entwicklungs- und Anlaufprojekte spezialisiert. Im Bereich Supply Chain Management unterstützt die Schnitzer Group mit 55 Mitarbeitern und von sieben Standorten aus ihre Kunden bei der innerbetrieblichen und externen strategischen Koordination aller Tätigkeiten, die in Verbindungen mit Liefertätigkeiten stehen. Dazu gehört auch die Lieferantenqualifizierung in Europa, USA und China sowie die Unterstützung der Kunden bei Lieferantenauswahl, Outsourcing und Standortwahl. Wir sprachen mit Geschäftsführer Peter Schnitzer über das Lieferketten-Management im Automotive-Bereich.
Herr Schnitzer, Ihr Unternehmen begleitet seit 30 Jahren komplexe technische Industrialisierungsprojekte im Automotive-Sektor bei allen Planungs- und Realisierungsstufen. Wie haben sich während dieser Zeit die Ansprüche und Erwartungen von Ihren Kunden an die Zulieferer geändert?
Während dieser drei Jahrzehnte durften wir bereits einen grundlegenden Transformationsprozess mitgestalten. In dieser Zeit ist die Produktverantwortung für Einzelteile und Module von den OEMs, also den Erstausrüstern beziehungsweise in unserem Fall den Fahrzeugherstellern, in die Supply Chain, die Lieferkette, gewandert. Mit dieser Verantwortung kam es nicht nur zu einer Verlagerung des Serien-Risikos zu den Zulieferern, sondern auch zu einer deutlichen Erweiterung des Dienstleistungsportfolios eines Zulieferers. War bisher die technische Umsetzung eines Produkts aus-reichend, kamen nun Projektkoordination, interdisziplinäre Projektkommunikation, Risikoabsicherung, interne Freigabeprozesse und vieles mehr hinzu. Ein erfolgreicher Zulieferer muss heute über detaillierte Kenntnisse der hauseigenen Prozesse des Kunden verfügen und muss diese Prozesse kommunikationstechnisch auf den Punkt bedienen können. Kurz gesagt: Bin ich als Zulieferer nicht in der Lage, meinen Kunden zu verstehen und damit in gewisser Weise auch zu steuern, werde ich weder meine monetären noch meine terminlichen Ziele erreichen!
Welche Faktoren spielen Ihrer Erfahrung nach die entscheidende Rolle bei der Auswahl von Lieferanten?
Wie schon José Ignacio López de Arriortúa, von 1987 bis 1992 Chefeinkäufer von General Motors, wusste, ist Kosteneffizienz das A und O aller Einkaufsorganisationen. Das heißt, Methodik und Verfahren orientieren sich an einem polypolistischen Anbietermarkt, und am Ende entscheidet schlicht der Preis. Aufgrund des laufenden Konsolidierungsprozesses im Anbietermarkt gibt es immer mehr Segmente, die eher durch einen oligopolistischen Markt geprägt sind. Hier entscheidet nun nicht mehr ausschließlich der Preis, sondern das am besten vermittelte Konzept. Das bedeutet: Wer sein Konzept kommunikativ und strategisch am besten verkaufen kann, macht das Rennen. Dies setzt nicht nur voraus, dass man seinen Kunden und dessen Organisation in ihren Informationsbedürfnissen lesen kann, sondern dass man auch in der Lage ist, die eigenen Konzepte gegenüber den Marktbegleitern entsprechend abzusetzen.
Welche Trends beobachten Sie in Bezug auf Sourcing-Strategien von Unternehmen? Was können Betriebe tun, um die aktuelle Herausforderung der gestörten Lieferketten zu bewältigen?
Ich persönlich halte nichts von Schnellschüssen. Eine gestörte Lieferkette heißt für mich, dass man eine differenzierte Analyse der aktuellen Störfaktoren vornehmen muss, ohne die bestehenden Lieferverbindungen zu zerstören. Nach einer solchen Risikoanalyse ist es langfristig sinnvoll, gezielt eine Second Source, also eine zweite Einkaufsquelle, beziehungsweise eine angepasste Logistikstrategie umzusetzen. Das Sourcing an sich wird komplexer werden. Einkaufsorganisationen müssen sich darauf einstellen, aufgrund des geopolitischen Veränderungsprozesses künftig drei „nationale Machtbereiche“ global zu koordinieren – also China, Europa und die USA. Wir leben bereits mitten in der Re-Globalisierung!
Die Lieferketten müssen sich wohl deutlich ändern. Aber müssen die Unternehmen tatsächlich ihre Produktionsstandorte wieder in die Nähe verlagern?
In den nächsten Jahren werden wir erleben, dass sich der riesige Warenstrom rund um den Globus in einen Strom mit vielen kleineren Abzweigen und Verästelungen verwandeln wird. Dies wird das Gesamtkonstrukt insgesamt stabiler machen. Produktionen werden sich wieder an den vorher genannten drei globalen Wirtschaftsbereichen orientieren. Marktzutritt wird automatisch heißen, lokal zu produzieren. Diese Welle ist bereits am Laufen. Das bedeutet konkret: Was Sie bisher an einem Standort produziert haben, werden Sie in Zukunft an drei Standorten weltweit produzieren müssen, um Ihre Produkte überhaupt in dem jeweiligen lokalen Markt verkaufen zu können. Kunden werden künftig nach Zulieferern suchen, die ihre eigenen Fertigungsstandorte weltweit bedienen können. Für die Zulieferer bedeutet das, dass ihre Produktion flexibel und hochvernetzt gestaltet sein muss und dass ihre Teams mit einem internationalen Netzwerk kooperieren können – sowohl kundenseitig als auch im eigenen Haus.