Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen sind und bleiben laut China-Strategie ein wichtiger Bestandteil der deutsch-chinesischen Beziehungen. Allerdings erkennt die Bundesregierung eine zunehmende Verschiebung bei den wirtschaftlichen Abhängigkeiten. Während China von Europa immer unabhängiger wurde, nahm Deutschlands Abhängigkeit von China in den vergangenen Jahren stetig zu. So habe die chinesische Regierung in ihrer Strategie „Made in China 2025“ deutlich gemacht, dass sie die globale Markt- und Technologieführerschaft in Sektoren anstrebe, die für Deutschland und die EU essenziell seien und in denen sie lange Zeit technologisch führend gewesen seien, stellt die Bundesregierung fest. Auch die industriepolitische Strategie der „Dualen Zirkulation“ ziele auf eine stärkere wirtschaftliche Unabhängigkeit Chinas bei gleichzeitig wachsenden asymmetrischen Abhängigkeiten des Auslands. „Made in China 2025“, die „Duale Zirkulation“ und Äußerungen der chinesischen Führung (wie etwa die von Präsident Xi Jinping 2020 vor Parteigremien) deuteten darauf hin, dass China anstrebe, wirtschaftliche und technologische Abhängigkeiten zu schaffen, um diese dann zur Durchsetzung politischer Ziele und Interessen zu nutzen. Gleichzeitig arbeite die Volksrepublik mit Verweis auf Sicherheitsinteressen daran, sich selbst unabhängiger von ausländischen Beiträgen und Zulieferungen zu machen, so das Regierungsfazit. Die Bundesregierung sieht es als dringend geboten an, die eigenen wirtschaftlichen Risiken zu mindern (De-Risking) – gerade, weil China seine Wirtschaftskraft gezielt einsetze, um seine politischen Ziele zu verwirklichen. „Eine Entkopplung unserer Volkswirtschaften (De-Coupling) lehnen wir hingegen ab“, wird im Papier betont.
„De-Risking“ in kritischen Bereichen
An anderer Stelle konkretisiert die Bundesregierung, dass es beim „De-Risking“ in erster Linie darum geht, Abhängigkeiten in kritischen Bereichen zu verringern. Kritisch seien etwa Produkte, die für die Gesundheit, die Energiewende oder für technologische Innovationen und damit für die technologische Souveränität unerlässlich sind. Im Falle Chinas bestünden zahlreiche kritische Abhängigkeiten.
Betroffen seien etwa verschiedene Metalle und seltene Erden, Lithiumbatterien und Photovoltaik sowie (veterinär-)pharmazeutische Wirkstoffe, darunter Antibiotika. Die Bundesregierung will kritische Abhängigkeiten fortlaufend analysieren. Sie werde die deutsche Wirtschaft bei der Erschließung diversifizierter, nachhaltiger Bezugsquellen unterstützen, unter anderem im Rahmen ihrer Rohstoffpolitik, so das Strategie-Papier. Es geht dabei sowohl um unverarbeitete Rohstoffe als auch um Vorprodukte. Bei Letzteren sei die Abhängigkeit von der Volksrepublik China besonders groß, hält die Politik fest.
Keine Pflicht zum Risikomanagement
Die China-Strategie erwähnt weder gesetzliche Pflichten für Unternehmen zum Risikomanagement noch zur Dokumentation im China-Geschäft. Es werden zum Beispiel keine gesetzlichen Stresstests verlangt, die die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen bei sich verändernden Rahmenbedingungen im China-Geschäft abschätzen helfen. Unabhängig davon kann es durchaus sinnvoll sein, etwa den Liefer-Stopp wichtiger Vorprodukte oder Rohstoffe für das eigene Unternehmen durchzuspielen. Ein solcher könnte bei Kontingentierung oder gar Verbot bestimmter Exportprodukte entstehen. Ein aktuelles Beispiel sind die von der chinesischen Regierung seit 1. August 2023 verlangten Exportlizenzen für die Ausfuhr von Gallium und Germanium. Beide werden für die Produktion von Halbleitern benötigt. Ihre Verknappung kann bei der marktbeherrschenden Stellung chinesischer Lieferanten indirekt auch auf Halbleiter angewiesene Industrien treffen. Andere Stresstests könnten durchspielen, wie ein durch die Umsetzung von „Made in China 2025“ oder der „Dualen Zirkulation“ erschwerter Marktzugang sich auf das eigene Unternehmen auswirken könnte.
Risiken verstärkt selbst tragen
Ein verstärktes Risikomanagement für das eigene China-Geschäft lohnt sich auch, weil die Bundesregierung in ihrer China-Strategie deutlich macht, dass „Kosten für Klumpenrisiken unternehmensseitig verstärkt internalisiert werden müssen, damit im Falle einer geopolitischen Krise nicht staatliche Mittel zur Rettung entstehen müssen“. Im Klartext: Kosten mangelnder unternehmerischer Vorsorge im China-Geschäft werden künftig nicht mehr oder nur noch im begrenzten Maße durch den Steuerzahler getragen. Sie sind stattdessen verstärkt vom jeweiligen Unternehmen selbst zu schultern.
Besserer Zugang zum chinesischen Markt
„In China haben deutsche Unternehmen weiterhin Nachteile, unter anderem durch Marktzugangs- und Investitionsbeschränkungen, Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe, ungleiche Wettbewerbsbedingungen, zum Beispiel durch öffentliche Subventionen, regulatorische Diskriminierung, erzwungenen Wissens- und Technologietransfer sowie mangelnden Schutz geistiger Eigentumsrechte, einschließlich Produktpiraterie“, macht das Strategiepapier deutlich. Die Bundesregierung werde gegenüber China konsequent umfassende strukturelle Verbesserungen des Marktumfeldes einfordern, ist zu lesen. Sie leiste zudem politische Unterstützung für deutsche Unternehmen im Umgang mit diesen Benachteiligungen.
Chinesische und deutsche Direktinvestitionen
Die von der chinesischen Regierung vorangetriebene „Politik der zivilmilitärischen Fusion“ sei bezogen auf chinesische Direktinvestitionen besonders kritisch, da sich zivile Unternehmensinteressen und die Entwicklung militärischer Fähigkeiten nicht mehr genau trennen ließen, heißt es weiter. Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen im Ausland eröffneten den Zugang zu Märkten und Technologien. Daraus dürfe kein Risiko für die deutsche öffentliche Ordnung und Sicherheit erwachsen, etwa durch den Abfluss „sicherheitssensibler Technologien“. Dies spiele insbesondere bei Investitionen in Hoch- und Grundlagentechnologien eine Rolle. Dem Schutz kritischer Infrastrukturen, wie der Telekommunikations-, Daten-, Energie- und Verkehrsinfrastruktur komme eine wichtige Bedeutung zu. Die Investitionsstrategien chinesischer Unternehmen könnten sich ändern, auch in Reaktion auf Maßnahmen zur Investitionsprüfung. Daher und wegen der grenzüberschreitenden Dimensionen mancher Vorhaben, will die Bundesregierung den Austausch insbesondere in der EU, mit den USA und im G7-Rahmen weiter intensivieren. Auf diese Weise ließen sich in strategisch relevanten Sektoren neue Investitionsstrategien rechtzeitig erkennen, ein abgestimmter Umgang sei leichter möglich. Die Bundesregierung plant, das Investitionsprüfrecht zu novellieren und dabei in einem eigenen Gesetz zu konsolidieren. In der China-Strategie sind noch keine Outbound-Investitionskontrollen vorgesehen. Es könnte aber künftig zu bestimmten Sicherheitsanforderungen bei „hochmodernen Technologien“ kommen.
Geschäfte weltweit diversifizieren
Mit Geschäftspartnern in vielen anderen Märkten der Welt sollen Geschäfte leichter möglich sein und dadurch die Diversifizierung bei Sourcing wie Absatz zunehmen. Dazu strebt die Bundesregierung im Rahmen der EU zügig mehr Handelsabkommen an, unter anderem ein transatlantisches Handelsabkommen inklusive gegenseitiger Anerkennung von Transformationstechnologien und die Abschaffung von Industriezöllen. Bei Regulierung und Standards will man enger kooperieren, um den transatlantischen Handel zu intensivieren und so dazu beitragen, global bessere Regeln zu setzen. Auch den vertrauenswürdigen transnationalen Datenverkehr will man befördern.
Ausverhandelte Handelsabkommen müssten schneller in Kraft treten. „Die Bundesregierung setzt sich für eine rasche Finalisierung laufender Verhandlungen und zügige Ratifizierung ausverhandelter Abkommen ein, insbesondere mit Australien, Mercosur, Mexiko, Chile, Kenia, Neuseeland, Indien, Indonesien und Thailand. Parallel werden wir uns für die Wiederaufnahmen von Verhandlungen mit Malaysia und den Philippinen einsetzen“, ist in dem Papier zu lesen.
Sicherheit im Cyberraum
Chinesische Cyberakteure versuchten immer wieder, über Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage an Geschäfts- und Forschungsgeheimnisse zu gelangen, so die Erkenntnis. Ins Visier geraten dabei bevorzugt Hochtechnologieunternehmen und industrielle Weltmarktführer. Im Rahmen der Initiative Wirtschaftsschutz berate die Bundesregierung deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu Cyber-Gefahren sowie hybriden und physischen Sicherheitsrisiken.
Internet-Dienstleistungen, Apps und soziale Medien aus China, die auf grenzüberschreitendem Datentransfer basierten, könnten Risiken für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bergen, so das Strategiepapier, etwa wenn sensible Daten abfließen und staatliche chinesische Stellen darauf zugreifen können. Die Bundesregierung verwende deshalb entsprechende Dienstleistungen und Apps dienstlich sehr restriktiv. Der Staat verpflichtet sich also hier selbst. Eine Pflicht für Unternehmen zum restriktiven Umgang mit chinesischen Apps und sozialen Medien ist in der Strategie nicht enthalten.
Visavergabepraxis verbessern
Der zwischenmenschliche Austausch sei im Interesse Deutschlands, betont die Regierung. Das betreffe besonders Reisen und Aufenthalte im jeweils anderen Land. Die Bundesregierung will moderne Visaverfahren schaffen, um die Antragstellung zu beschleunigen und zu vereinfachen. Das gilt dann auch für Besuche chinesischer Geschäftspartner in Deutschland. Umgekehrt will die Bundesregierung „den Dialog mit China nutzen, um auch auf chinesischer Seite entsprechende Erleichterungen in Visaverfahren zu erreichen.“ Vielleicht werden dadurch Geschäftsreisen und Mitarbeitereinsätze in beiden Richtungen zukünftig leichter möglich.
Frachtrouten im Asien-Geschäft
Die Bundesregierung nutze bilaterale Dialoge auch dazu, China zur Einhaltung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Seerechtsübereinkommen (SRÜ) sowie dem verbindlichen SRÜ-Schiedsspruch von 2016 zum Südchinesischen Meer aufzufordern. Für die Rechte und Freiheiten aller Staaten nach dem SRÜ werde man regelmäßig eintreten und sie durch maritime Präsenzfahrten bekräftigen, wird betont.