1. November 2023

Konjunktur: IHK-Klimaindex bricht ein

Die Stimmung der Unternehmen im Bezirk der IHK Kassel-Marburg hat sich zum Herbst hin weiter deutlich eingetrübt.
Die Geschäfte verlieren an Schwung und die Aussichten für die kommenden Monate sind von großer Skepsis geprägt. Dies hat zur Folge, dass die Personal- und Investitionspläne aufgrund der rezessiven Tendenzen nach unten angepasst werden. Das ist das Ergebnis der Konjunkturumfrage Herbst 2023 der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg. Beteiligt haben sich daran über 250 Unternehmen der Region aus verschiedenen Branchen. Der IHK-Klimaindex, das wirtschaftliche Stimmungsbild der Region, fällt sehr deutlich um 20,7 auf nun nur noch 85,5 Punkte.
Nahezu alle Branchen vom Abschwung betroffen
Beim Blick in die einzelnen Branchen gibt es mehr Verlierer als Gewinner. Große Verluste verzeichnet die beschäftigungsintensive Industrie. Sie steht unter dem Eindruck hoher Energiepreise und eines rückläufigen Exportgeschäfts. Bauwirtschaft und Einzelhandel vermelden ebenfalls schlechte Zahlen. Auch der pessimistische Ausblick im Einzelhandel kurz vor dem Weihnachtsgeschäft gibt Anlass zur Sorge. Die Inflation und die damit verbundenen Sorgen um eine sinkende Konsumneigung prägen die Einschätzung der Unternehmen. „Immer mehr Branchen sehen sich im Abschwung“, sagt IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan. „Wir erleben einen Vertrauensverlust der Wirtschaft in die Politik. Die nachlassenden Investitionen sprechen dafür. Gleichzeitig verlieren die Verbraucher das Vertrauen in die Zukunft, da sie Einkommensverluste verzeichnen und weniger konsumieren. Es ist höchste Zeit, dass die Politik handelt. So zum Beispiel beim Bürokratieabbau, in der Fachkräftesicherung und in der Energiepolitik. Das Leitmotiv für alle politischen Entscheidungen sollte jetzt lauten, wieder mehr Wirtschaft zu wagen.“
Schwache Weltkonjunktur
Angesichts des aktuellen Umfelds und der schwachen Weltkonjunktur ist der Fachkräftemangel mit 60 Prozent nicht mehr das größte Risiko für die kommende wirtschaftliche Entwicklung. Als größte Risikofaktoren für die eigene wirtschaftliche Entwicklung nennen rund 66 Prozent die Energie- und Rohstoffpreise. An zweiter Stelle nennen 65 Prozent die Binnennachfrage. Das Auslandsgeschäft der Unternehmen aus Nordhessen und Marburg geht ebenfalls deutlich zurück. Nur noch 13 Prozent der exportierenden Unternehmen gehen von einem steigenden Exportvolumen aus. Rund 34 Prozent rechnen mit einem rückläufigen Auslandsgeschäft. „Neben den schwierigen Rahmenbedingungen in Deutschland belastet die schwache Weltwirtschaft zunehmend die Geschäfte der heimischen Wirtschaft. Die aktuellen geopolitischen Spannungen werden das Marktumfeld eher verschlechtern“, sagt Andreas Bartsch, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Marburg-Biedenkopf. Im aktuellen Tagesgeschäft der Firmenkundenberater sei die angespannte Konjunktur und Investitionszurückhaltung spürbar. „Die bundesweit steigenden Insolvenzahlen sollten als deutliches Warnsignal verstanden werden.“
Neben den üblichen Fragen zur wirtschaftlichen Entwicklung, hat die IHK Kassel-Marburg die Unternehmen zum Zugang zu nachhaltigen Finanzierungen/Sustainable Finance befragt. Rund 78 Prozent der Unternehmen verfügen nicht über ein ESG-Rating (das sogenannte ESG steht für Environmental Social Governance – zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Dagegen verfügen bereits rund 40 Prozent über ein Umweltmanagementsystem bzw. planen ein solches einzuführen. „Wir können den Unternehmen nur raten, das Thema der nachhaltigen Finanzierung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Ein erhöhter CO2-Ausstoß kann in Zukunft deutlich die Unternehmensfinanzierung verteuern“, so Thomas Katzenmayer, Vorsitzender des Vorstands der Evangelischen Bank. Katzenmayer wies auch auf die schwierige konjunkturelle Situation im Gesundheitswesen hin: „Durch die steigenden Kosten für Heizung, Strom, Materialien und Personal drohen perspektivisch deutlich mehr Insolvenzen.“
„Die deutsche Wirtschaft ist in einer Rezession und es gibt derzeit keine Anzeichen für einen Aufschwung. Seit Jahren dämpfen hohe Unternehmenssteuern und eine überbordende Bürokratie das Wachstum. Schwellenländer sind als fähige Wettbewerber herangewachsen. Was an höherwertiger Technik bisher aus Deutschland importiert werden musste, kann in vielen Ländern inzwischen oft günstiger selbst hergestellt werden. Die Politik muss die strukturellen Rahmenbedingen schnell verbessern, Planungs- und Genehmigungsverfahren erleichtern, die Energiewende realistisch gestalten und Infrastruktur ausbauen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Wirtschaft erwartet Lösungen und Planungssicherheit“, so zusammenfassend Dr. Arnd Klein-Zirbes.
Der gesamte Konjunkturbericht mit detaillierten Brancheninformationen ist unter www.ihk.de/kassel-marburg/konjunktur zu finden.