Die sorgfältige Auswahl geeigneter KI-Tools ist entscheidend und vergleichbar mit der Auswahl von Werkzeugen für komplexe Fertigungsprozesse. Während man in einem gut sortierten Baumarkt vor allem Single-Purpose- Tools von der Stange findet, benötigt man für Multi-Purpose-Tools den spezialisierten Fachhandel. Eine wesentliche Werkzeugkategorie sucht das Management jedoch an beiden Orten vergeblich: die maßgeschneiderten Enterprise-Specific-Purpose KI-Tools.
Single-Purpose KI-Tools: Die Spezialisten
Single-Purpose KI-Tools sind wie Bohrmaschinen oder Kreissägen – spezialisiert, leistungsstark und ideal für bestimmte Aufgaben. Diese Werkzeuge werden von Dritten entwickelt und erleichtern häufig anfallende Arbeiten im Unternehmen. Ein Beispiel sind automatisierte Rechnungsverarbeitungssysteme, die eingehende Rechnungen effizient verarbeiten, indem sie Daten extrahieren und in Buchhaltungssysteme übertragen. Auch Software zur automatischen Transkription von Sprache oder zur Erstellung standardisierter Finanzberichte gehört dazu. Diese Tools sind zwar in ihrer Funktionalität eingeschränkt, bieten aber in ihrem Bereich ein Höchstmaß an Effizienz und Präzision. Für das Management ist bei der Auswahl entscheidend, die eigenen Anforderungen klar zu definieren und die Mitarbeiter ausreichend in den Tools zu schulen.
Multi-Purpose KI-Tools: Vielseitige Problemlöser
Im Gegensatz zum Single-Purpose sind Multi-Purpose KI-Tools vergleichbar mit einer CNC-Fräse oder einem 3D-Drucker. Diese Werkzeuge bieten ein breites Anwendungsspektrum und können für eine Vielzahl von Aufgaben in unterschiedlichen Branchen und Abteilungen eingesetzt werden. Bekannte Sprachmodelle wie GPT 4 sind in der Lage, ein breites Spektrum von Anweisungen und Fragen zu verstehen, um spezifische Antworten zu geben oder Ideen zu generieren. Für die effektive Integration in die Unternehmensprozesse muss sich das Management bewusst sein, dass die Qualität der Ergebnisse stark variiert und ein gutes Bedienverständnis (zum Beispiel Prompting) erfordert. Der Mensch wird zwar in seiner täglichen Arbeit unterstützt, sein Urteilsvermögen kann das KI-Tool jedoch nicht ersetzen.
Enterprise-Specific-Purpose KI-Tools: Maßgeschneiderte Lösungen
Enterprise-Specific-Purpose KI-Tools sind die individuell entwickelten Spezialmaschinen im KI-Portfolio eines Unternehmens und weder im Baumarkt noch im Fachhandel erhältlich. Sie sind auf die spezifischen Anforderungen und Daten eines Unternehmens zugeschnitten und erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen Management, Fachabteilungen, IT-Experten und Data Scientists. Beispiele sind KI-basierte Tools zur Bewertung und Überwachung unternehmensspezifischer Risiken (etwa in der Lieferkette) oder zur Unterstützung komplexer Entscheidungen in Produktions- und Vertriebsprozessen, bei denen eine Vielzahl von Informationen berücksichtigt werden muss. Diese KI-Tools haben ein hohes Differenzierungspotenzial durch die gezielte Nutzung von Unternehmensdaten. Die Neuausrichtung der Informationsflüsse erfordert jedoch einen ganzheitlichen Ansatz. Eine Detailanalyse der eigenen Unternehmensprozesse und eine spezialisierte Expertise sind notwendig, um Enterprise-Specific- Purpose KI-Tools erfolgreich zu entwickeln und einzusetzen.
Auswahl der richtigen KI-Tools
Aufgrund der stark wachsenden Anzahl von Single-Purpose KI-Tools, der Vielseitigkeit von Multi-Purpose-Tools und den speziellen Anforderungen von Enterprise- Specific-Purpose KI-Tools erscheint ein unkoordiniertes Testen und Ausprobieren wenig erfolgversprechend. Die Auswahl geeigneter KI-Werkzeuge aus den drei Kategorien erfordert vielmehr eine abgestimmte KI- und Datenstrategie, die sich an den Unternehmenszielen und Herausforderungen orientiert. Für das Management ist es von entscheidender Bedeutung, eine solche Strategie zu entwickeln und umzusetzen. Wesentlich für den Erfolg ist das Bewusstsein, Daten als Wettbewerbsfaktor zu begreifen und gleichzeitig ein tiefes Verständnis für die Funktionsweise von KI zu entwickeln. Eine solche Strategie kann zum Schlüssel für Innovation und Effizienzsteigerung in einer zunehmend von KI geprägten Geschäftswelt werden.
Prof. Jürgen Graef, Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU) und Dr. Robert Jenke, Jenke Institut GmbH, Wolfegg