„Mit der Note 3,1 liegen wir im Land bei den Standortfaktoren für Innovationen aus Sicht unserer Unternehmen zwar noch besser als der Standort Deutschland mit der Note 3,4 – allerdings können wir als starkes Innovationsland gerade im internationalen Vergleich damit absolut nicht zufrieden sein“, erklärt Christian O. Erbe, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK). Die Bewertung habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert: Während es 2017 mit der Note 2,4 noch ein knappes „gut“ gegeben habe, hätten die Betriebe den Innovationsstandort 2020 nur noch mit der Note 2,75 bewertet. „Das zeigt: Für Unternehmen ist es in wenigen Jahren erkennbar schwieriger geworden, Ideen in neue marktgängige Produkte und Dienstleistungen umzusetzen“, so Erbe weiter. „Beim global stetig zunehmenden Innovations- und Transformationsdruck ist das ein schlechtes Signal für unsere Wettbewerbsfähigkeit.“
Gefährlicher Mix an Hemmnissen
Am stärksten in ihrer Innovationstätigkeit eingeschränkt sehen sich die Betriebe durch fehlendes (Fach-)Personal und hohe bürokratische Anforderungen, etwa bei Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren. Jeweils rund 70 Prozent der Unternehmen gaben dies in der Umfrage an. Drittgrößtes Hemmnis ist der hohe Aufwand zur Aufrechterhaltung von Schutzrechten wie etwa Patenten: 45 Prozent der Unternehmen sehen sich dadurch in ihren Innovationsaktivitäten eingeschränkt. Mit weiteren schwierigen Standortfaktoren, wie international nicht wettbewerbsfähige Energiepreise und Unsicherheiten bei der Energieversorgung, ist das ein gefährlicher Mix.
Weniger Innovationsbereitschaft
Die Innovationsbereitschaft von Unternehmen hat massiv abgenommen. Die Differenz des Anteils an Betrieben, die in den nächsten zwölf Monaten höhere Innovationsaktivitäten planen, minus des Anteils derer, die mit geringeren Innovationsaktivitäten kalkulieren, liegt deutschlandweit bei einem Rekordtief von 23 Punkten. Vor drei Jahren lag der Wert noch bei 36 Punkten, 2010 bei noch knapp 60. „Zwar liegen wir in Baden-Württemberg im Vergleich mit 33 Punkten beim DIHK-Innovationssaldo noch deutlich besser“, so Erbe. „Nach 45 Punkten im Jahr 2020 ist das aber auch bei uns ein vergleichbar deutlicher Rückgang.“
Verlagerung von Forschungsaktivitäten ins Ausland
Die Zahlen untermauern auch eine besonders bedrohliche Entwicklung: Rund 34 Prozent der befragten Unternehmen wollen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Ausland aufbauen. Aus Baden-Württemberg sind es sogar 38 Prozent. „Zusammen mit dem Befund der abnehmenden Innovationsbereitschaft der Betriebe sind das deutliche Anzeichen für eine Verlagerung unternehmerischer Forschung und Entwicklung“, betont Erbe. Dabei wird der Schritt ins Ausland mit steigender Unternehmensgröße relevanter: Von den Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern wollen in den kommenden zwölf Monaten sogar 66 Prozent stärker als bisher Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Ausland aufbauen.
Mehr Luft für Innovationen nötig
„Wir müssen unseren Unternehmen wieder mehr Luft für Innovationen verschaffen“, so Erbe. Insbesondere bei kleinen und mittleren Betrieben gebe es kaum Kapazitätsreserven. Zusätzliche Regulierungen und gesetzliche Vorgaben gingen dann vielfach auch zu Lasten von Forschungs- und Entwicklungsprojekten. „Die IHKs unterstützen die Landesregierung unter anderem durch ein starkes Engagement in der Entlastungsallianz und dem Normenkontrollrat, um beim Thema Bürokratieabbau voranzukommen“, betont Erbe. „Was wir aber jetzt brauchen, ist die Entfesselung von größtmöglichen ökonomischen Impulsen und Wachstumsanreizen, zusammen mit spürbaren Entlastungen.“ Deshalb müsse das Wachstumschancengesetz wie ursprünglich vom Bundestag verabschiedet vollumfänglich beschlossen werden.
WAB