Das ist zwar ein leichtes Plus gegenüber dem durch Ukrainekrieg und Energiepreiskrise ausgelösten historischen Tief von 2023 – letztlich verharrt der Wert aber weiterhin deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt und markiert den zweitschlechtesten Wert in der Geschichte des Energiewende-Barometers. In Baden-Württemberg fällt die Bilanz zur Energiewende zudem noch etwas negativer aus als bundesweit (minus 20). Zudem bleibt die heimische Industrie (minus 31,3) ebenso wie die Industrie bundesweit bei ihrer noch deutlich pessimistischeren Bewertung als die Gesamtwirtschaft
Investitionen werden zurückgestellt, Abwanderung gewinnt an Bedeutung
„Das Vertrauen in die Energiepolitik ist stark angeschlagen. Die baden-württembergischen Unternehmen sehen in den bisherigen energiepolitischen Maßnahmen keine Grundlage zur Entwarnung. Vielmehr werden nach wie vor deutlich mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit erkannt. Gerade mit Blick auf den Wirtschaftsstandort Baden- Württemberg mit seiner starken Industrie ist das besorgniserregend“, fasst Jan Stefan Roell, Vizepräsident und energiepolitischer Sprecher des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), die Ergebnisse zusammen. Außerdem geht aus dem Barometer hervor, dass die gegenwärtige Energiewirtschaft und -politik und die damit verbundenen hohen Preise auch auf die Investitionsfähigkeit der Unternehmen drücken. Über alle Branchen hinweg erwägt jeder sechste Betrieb die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland oder die Einschränkung der Produktion im Inland. In der Industrie fallen die Anteile mit 38,5 (gesamt) beziehungsweise mehr als 52 Prozent (mehr als 500 Beschäftigte) noch deutlich höher aus – ein neuer Branchen-Höchstwert. „Es geht nicht darum, den Standort Baden-Württemberg schlecht zu reden. Mit Blick auf die Zahlen muss aber endlich ein Umdenken stattfinden. Die Wirtschaft benötigt dringend stabile Rahmenbedingungen mit einer verlässlichen Energieversorgung und wettbewerbsfähigen Preisen“, so Roell.
Fehlende Planbarkeit und Bürokratie hemmen Transformation
Die Unternehmen sind sich bewusst, dass ihnen zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität eine Schlüsselrolle zukommt. Sie arbeiten auch seit Jahren an der Optimierung ihrer Energieversorgung und ihres Energieverbrauchs. Vor allem bei der Steigerung der Energieeffizienz wurden bereits von sehr vielen Unternehmen verschiedenste Maßnahmen umgesetzt. Eine fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit (64 Prozent), zu viel Bürokratie (62 Prozent) sowie langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren (48 Prozent) stehen als größte Hemmnisse noch mehr betrieblichen Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität entgegen. „Die Haupthemmnisse für unternehmerische Transformationsbemühungen liegen in Handlungsfeldern, die von der Politik direkt geändert werden könnten. Das muss aber endlich auch konsequent passieren, die Wirtschaft steht bereit“, appelliert der BWIHK-Vizepräsident.
Ausbau der Energieinfrastruktur muss endlich vorankommen
Konkret fordern die Unternehmen von der Politik vor allem den Ausbau der Energieinfrastruktur, also die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Eigenversorgung und Direktlieferverträge (94 Prozent Zustimmung), Zugang zu Wasserstoff (73 Prozent Zustimmung) sowie die Überwindung der Engpässe bei Übertragungs- und Verteilnetzen (83 Prozent Zustimmung). Eine hohe Zustimmung von 88 Prozent erhält zudem die Forderung nach Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit als Leitprinzipien bei Energieeffizienzmaßnahmen. Ebenso sind die Energie und Strompreise stark im Fokus: Neben der schon erwähnten Eigenerzeugung sehen 79 Prozent der heimischen Betriebe die Senkung von Steuern und Abgaben auf den Strompreis an vierter Stelle der Forderungen. 67 Prozent verlangen zudem, dass die einheitliche Strompreiszone erhalten bleiben sollte – ein Anstieg um knapp 10 Prozentpunkte gegenüber 2023. Außerdem zeigen die bundesweiten Ergebnisse des Energiewende-Barometers, dass sich auch die Mehrheit der Unternehmen in Deutschland insgesamt für eine solche Beibehaltung ausspricht (58 Prozent).
WAB