Das Unternehmen ZOLLERN benötigt für seine Prozesse eine gesicherte Energieversorgung. Warum ist diese wichtig, und was wären die Folgen, wenn es Ausfälle geben würde?
Wir produzieren an sieben Standorten anspruchsvolle Produkte. Unsere zwei größten Werke befinden sich in Oberschwaben, in Laucherthal fertigen wir beispielsweise Hochleistungsbauteile im Guss- und Schmiedeverfahren sowie Spezialprofile aus Stahl. Die Anlagen für diese Thermoprozesse sind energieintensiv. Ohne die Energieversorgung aus den Netzen würde die Produktion in unseren Werken stillstehen. Das gilt auch für unser Getriebewerk in Herbertingen. Mit unserem Blackout-Plan sind wir in der Lage, eine gewisse Zeit kritische Anlagen mit Notstrom zu versorgen, um Schäden zu verhindern und die Sicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten. Um die Energieautonomie zu erhöhen und gleichzeitig die Klimaneutralität und Energieeffizienz zu unterstützen, setzen wir bereits jetzt verstärkt auf die Eigenstromproduktion sowie auf alternative, regenerative stationäre Energiesysteme.
Sie haben ein Energiemanagement nach ISO 50001. Welche Vorteile und welchen Nutzen bringt Ihnen solch ein System?
Für uns ist es wichtig zu wissen, wo sich insbesondere unsere größten Energieverbraucher befinden. Nur so können wir Maßnahmen einleiten, um die Energieeffizienz zu erhöhen. Die Transparenz der Energieverbräuche und deren Intensität sind notwendig, um Hotspots zu analysieren, und zwar sowohl hinsichtlich des Energieeinsatzes als auch mit Blick auf die sich daraus ergebenden Emissionen. Mit dem Energiemanagement sind wir in der Lage, zielgerichtete Maßnahmen zu entwickeln und deren Wirkung direkt zu messen.
Der Bund möchte bis 2045 klimaneutral sein und Baden-Württemberg bis 2040. Das ist eine große Herausforderung für die Wirtschaft. Welche Chancen und Risiken sehen Sie dabei?
Wir arbeiten aktuell intensiv an einer Klimastrategie und stellen uns der Aufgabe einer klimaneutralen Produktion. Die wirtschaftliche Aktivität mit Umwelt- und Klimaschutz in Einklang zu bringen, sehen wir als Chance und Notwendigkeit, um nachhaltig zu arbeiten und verantwortungsvoll mit Blick auf die kommenden Generationen zu handeln. Wir setzen seit vielen Jahren auf ressourcenschonende Maßnahmen. Dazu gehört bei uns beispielsweise die Wärmerückgewinnung, bei der wir die Abwärme unserer Kompressoren und teilweise auch unserer Produktionsanlagen zu Heizzwecken und zur Warmwassergewinnung nutzen. Bereits seit 30 Jahren verfolgen wir außerdem ein Konzept zur Optimierung des Trinkwassereinsatzes. Zur Klimaneutralität: Um die Zielvorgaben mit konkreten Maßnahmen untermauern zu können, erstellen wir seit dem Jahr 2022 einen unternehmerischen CO2 Fußabdruck über unsere gesamte Unternehmensgruppe mit allen Werken. Basierend auf diesem Status Quo werden Reduktionsmaßnahmen ermittelt und umgesetzt. Für Zollern steckt die größte Herausforderung in den emissionsarmen Prozessenergien und in einer emissionsfreien Beschaffung der Rohmaterialien.
Gibt es Maßnahmen, die zu diesem Ziel der Klimaneutralität führen und die Energieeffizienz unterstützen?
Vor einigen Wochen haben wir unsere Photovoltaikanlage am Standort Laucherthal in Betrieb genommen. Die Anlage in unserem Werk in Herbertingen wird im Sommer fertiggestellt. Insgesamt haben wir rund 15.000 PV Module verbaut und erzielen damit eine Leistung von 6.242 KWp in Laucherthal und nochmals 2.200 KWp in Herbertingen. Damit betreiben wir aktuell die größte Dachanlage in Baden-Württemberg. Die Anlage innerhalb eines Jahres zu planen und umzusetzen, war ein enormer Kraftakt und ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität. Derzeit läuft ein neuer Bauantrag für eine weitere 391-KWp-Anlage auf einer Freifläche. In Laucherthal nutzen wir 80 Prozent des gewonnenen Stroms selbst, in Herbertingen sind es 40 Prozent. Hier fertigen wir Elektromotoren, Getriebe und Winden und entwickeln Automatisierungslösungen. Der Strombedarf fällt dabei geringer aus als bei den thermischen, formgebenden Prozessen, und damit auch die Emission. Generell gilt für uns der Ansatz der initialen Vermeidung, dann der Reduktion von Emissionen. Wir konzentrieren uns im ersten Schritt auf die direkten Emissionen der Produktion. Mit den installierten PV-Anlagen leisten wir einen Beitrag zur Vermeidung von Emissionen. Bei unseren Klimazielen und Maßnahmen orientieren wir uns am SBTi-Standard der Science Based Targets Initiative. Dieser wissenschaftsbasierte Standard sieht unter anderem eine Netto-Null-Emission bis 2050 vor. Der Standard ist global anerkannt und gibt unseren Kunden Sicherheit und Transparenz und ermöglicht uns einen standardisierten Nachweis unserer Nachhaltigkeitsaktivitäten und Klimaziele.
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist wichtig für die Wirtschaft. Was raten Sie der Politik?
Die Wirtschaft braucht mehr Planungssicherheit, weniger Regulierung und Bürokratie. Außerdem sollten innovative Ansätze besser gefördert werden. Die Unterstützung und das Vertrauen seitens der Politik in die Wirtschaft und in die mittelständische Industrie sind für uns absolut notwendig. Denn eine nachhaltige Energiewende gelingt nur gemeinsam.
Interview: Stefan Kesenheimer, Gudrun Hölz