Magazin Wirtschaft

Ausbilder als Coach an der Seitenlinie

Ausbildung in Teams und an Projekten – das ist eine der Perspektiven, die beim Zukunftskongress Ausbildung von IHK und Arbeitgeberverband Südwestmetall diskutiert wurden.
Kongress Zukunft Ausbildung gestalten bei der IHK
„Wir haben mit dieser Veranstaltung einen Nerv getroffen“, freute sich IHK-Vizepräsident Thorsten Pilgrim angesichts der fast 500 Gäste beim zweiten Kongress „Zukunft Ausbildung gestalten“ im Stuttgarter IHK-Haus. Während das Ergebnis der ersten Auflage des Kongresses 2023 ein Impulspapier gewesen sei, das in der Szene viel beachtet wurde, stehen nun konkrete Tipps im Mittelpunkt: „Sie werden ein Potpourri von Ansätzen mit nach Hause nehmen, die Sie gleich in Ihrem Betrieb ausprobieren können.“
IHK-Vizepräsident Dr. Thorsten Pilgrim (l.) mit Moderator Michael Antwerpes
IHK-Vizepräsident Dr. Thorsten Pilgrim (l.) mit Moderator Michael Antwerpes © Reiner Pfisterer
Im ersten Impulsvortrag zeigte Unternehmer und Bildungsspezialist Moritz Ettl auf, dass es in einer sich rasant verändernden Welt darauf ankomme, dass die Azubis von heute zu lebenslangem Lernen bereit und fähig sind. Statt Menschen passend zu machen für die Zukunft, gehe es darum, sie zu befähigen, die Zukunft zu gestalten. Das gelinge aber nur, wenn die Meta-Skills stimmen, vor allem Selbstwirksamkeit, Belastbarkeit, Flexibilität und Motivation.

Azubis Verantwortung übertragen

Zwar gebe es eine Lücke zwischen Ambitionen und Realität, so Ettl, doch auch die Generation Z könne man dazu bringen, wenn man ihr die Möglichkeit zu einem „Challenge based“ Lernen gibt. Gemeint ist damit die Übersetzung von Lerninhalten in Projekte, die die jungen Leute eigenverantwortlich und im Team lösen müssen. Allerdings sollten die Projekte möglichst „echt“ sein – nur dann fühlen sich die jungen Leute ernst genommen. Dem Ausbilder komme dabei die Rolle des Coaches „an der Seitenlinie“ zu.
Genau genommen fange alles sogar mit der Veränderungsbereitschaft der Ausbildungsverantwortlichen an: „Fragen Sie sich welches Risiko Sie bereit sind, dabei einzugehen,“ rät Ettl. Ausbildern in kleinen Betrieben machte er Mut: Zwar hätten sie weniger Projektmöglichkeiten und weniger Azubis, dafür aber eine größere Nähe zur Unternehmensführung, um so die neuen Ideen durchzusetzen.

Im Blick behalten: Erwachsene ohne Ausbildung

Dr. Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, wurde live aus Berlin zum Kongress zugeschaltet. Seiner Meinung nach ist der Fachkräftemangel die derzeit größte Herausforderung. Um ihr zu begegnen, sei es wichtig, das Potenzial derjenigen jungen Erwachsenen zu heben, die keine Ausbildung abgeschlossen haben und sich auch nicht in einem Studium befinden. „Diese jungen Menschen dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, sondern müssen lösungs- und zielorientiert vorgehen, denn sie bieten großes Potenzial,“ so Brandenburg. Ein wichtiger Schritt sei hierbei die Berufsvalidierung, bei der die Industrie- und Handelskammern zukünftig eine große Rolle spielen.
Erfolgsrezepte für eine zukunftsfähige duale Berufsausbildung sollte die erste Diskussionsrunde des Tages liefern. Teilgenommen haben Dr. Jens Ottnad, Leiter Ausbildung global bei Trumpf, Moritz Ettl, Gründer und Geschäftsführer Forever Day One, Miriam Höfer, Abteilungsleiterin Ausbildung, Andreas Stihl AG, Aylin Agcakoc, Auszubildende und Gesicht der IHK-Berufsausbildungskampagne und Frank Fillinger, Leiter kaufmännische und IT-Berufe bei Roche Diagnostics.
Unter anderem wurde erörtert, wie man bei den Unternehmen ein Umdenken und eine Aufbruchstimmung erreichen kann. Zum anderen wurde diskutiert, was sich die junge Generation von einer Ausbildung erhofft. „Viele junge Leute denken, dass man in der Ausbildung nur ausgenutzt werde,“ sagt Aylin Agcakoc, Bankkauffrau in der Ausbildung und Gesicht der aktuellen IHK-Ausbildungskampagne. „Mir aber macht meine Ausbildung total Spaß und ich tue etwas für meine Zukunft.“
Moritz Ettl
Moritz Ettl © Reiner Pfisterer

Spaß stellt sich durch Arbeiten ein

Spaß, Zufriedenheit und Leidenschaft sind auch für Moritz Ettl wichtige Aspekte im Arbeits- und Ausbildungsleben. Diese blieben leider oftmals beim herrschenden Leistungsdenken auf der Strecke. Die jungen Menschen müssten die Erfahrung machen, dass Lernen Spaß machen kann, dies gehe vor allem über praktisches Arbeiten. Dass sich die jungen Leute beim Thema Ausbildung nicht abgeholt fühlen, diese Erfahrung macht auch Miriam Höfer, Abteilungsleiterin Ausbildung bei Stihl. Sie hat festgestellt, dass die Frage nach dem Sinn, in dieser Generation eine wichtige Rolle einnimmt. Warum mache ich etwas? Hier könnten Unternehmen schon mit wenig Mitteln Dinge verändern und bei Problemlösungen einfach mal die Azubis ranlassen.

Alte Methoden passen nicht mehr

Dass das Umdenken schon in der Schule beginnen müsse, darin sind sich alle einig. Die herkömmlichen Bildungsmethoden würden nicht mehr zu dieser Generation passen. Lernen und Wissen werde in der Schule passiv vermittelt, aber in der Ausbildung sollen die jungen Menschen plötzlich eigenverantwortlich handeln. Genau hier setzt die personalisierte Ausbildung bei Roche Diagnostics an. Frank Fillinger, Leiter der kaufmännischen und IT- Berufe bei Roche erklärt, dass die jungen Menschen durch die „Personalisierte Ausbildung“ Selbstlernkompetenz entwickeln. Sie müssen selbst wissen, was die Zukunft von ihnen fordert und welche Wege sie gehen müssen. Frank Fillinger sieht sich hierbei in der Rolle des Begleiters auf dem Weg durch die Ausbildung.

Es bringt nichts, über die Jungen zu schimpfen

Auch Dr. Jens Ottnad, Leiter der Ausbildung global bei Trumpf hat erkannt, dass in der Ausbildung neue Wege gegangen werden müssen. Auszubildende bei Trumpf bekommen aus dem Fachbereich eine Aufgabenstellung, die sie dann dem Vorstand präsentieren müssen. Laut Ottnad wird den Auszubildenden das Gefühl gegeben, dass sie ein reales Produkt auf die Straße bringen. Und hierbei sei der Weg das Ziel und nicht die Ergebnisse.
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer vor allem darin, dass die Unternehmen sich an die Erwartungen und Forderungen der jungen Generation anpassen und diese verstehen lernen müssen, anstatt permanent auf sie zu schimpfen. Denn die Betriebe brauchen diese Auszubildenden – um die Fachkräfte von morgen zu sichern.
Die duale Ausbildung ist zukunftsfähig, wenn…

…wir stärker auf die Jugendlichen zugehen. (Fillinger)

…wir uns ständig hinterfragen und verbessern. (Ottnad)

…wir Mut haben, neue Wege zu gehen. (Höfer)

…wenn ich begleitet werde und Mut habe. (Agcakoc)

…wenn Ausbildungsleiterinnen und Ausbildungsleiter Lust auf Lernen haben. (Ettl)