Hidden Champion

Bauen für die Zukunft

Wollte man eine Hitliste der Klimasünder erstellen – die Baubranche stünde ganz oben. Allein bei der Zementherstellung werden Unmengen von CO2 freigesetzt. Fachleute schätzen, dass die negative Klimabilanz beim Bau eines konventionellen Massivbeton-Gebäudes später selbst dann nicht ausgeglichen werden kann, wenn es höchste energetische Standards erfüllt - zumal oft nach 30 Jahren schon wieder der Abriss ansteht.
 Gerd Hansen und sein Sohn Yannik Hansen-Schütz vor der Rommelmühle in Bietigheim-Bissingen.
Das war Gerd Hansen schon vor 40 Jahren klar. Nach Abschluss seines Architekturstudiums an der Universität Stuttgart brannte er darauf, seine Vorstellung von umweltschonendem Bauen in die Praxis umzusetzen. „Aber es gab schlicht kein Büro, in dem das möglich gewesen wäre. Es gab zunächst auch keine Kunden und keine Nachfrage.“ Also gründete er sein eigenes Architekturbüro und auch gleich seine eigene Bauträgergesellschaft – die Archy Nova GmbH.

Jedes Jahr zwei Mitarbeiter mehr

Den Anfang machten drei Holz-Wohnhäuser in Bietigheim-Bissingen mit dreifacher Dämmebene und Mehrglasfenstern wie es heute üblich ist, damals jedoch Aufsehen erregte. Von da an ging es stetig bergauf. „Wir haben jedes Jahr zwei Leute eingestellt und hatten auf dem Höhepunkt 30 Mitarbeiter“, erinnert sich Hansen. Zur eigenen Projektgesellschaft kam im Laufe der Zeit eine Montage von Regenwassernutzungsanlagen hinzu sowie ein Baustoffhandel – „regenerative Materialien wie Holz oder Zellulosedämmung gab es anfangs in Deutschland ja kaum“.
Inzwischen sind das Architekturbüro und die meisten Nebenaktivitäten per Mitarbeiter-Buy-Out aus dem Unternehmen ausgegliedert, Archy Nova ist wieder ein reiner Projektentwickler mit acht Mitarbeitern, geführt von Gerd Hansen und seinem Sohn Yannik Hansen-Schütz. „So können wir uns besser auf unser Kerngeschäft konzentrieren“, erklärt der Seniorchef. Um neue Ideen sind die beiden Öko-Planer auch nach vier Jahrzehnten nicht verlegen. „Nachhaltiges Bauen ist mehr als Dämmung, Wärmepumpe und Photovoltaik“, sagt Hansen-Schütz. „Viele Ressourcen lassen sich aber sparen, indem man in einem Wohnhaus zusammenlebt und Einrichtungen gemeinsam nutzt.“

Ressourceneffizienz und nachhaltiges Leben

So entstand das Konzept der „We-Hous­es“. Das sind Gemeinschaftshäuser, die neben Ressourceneffizienz eine Plattform für nachhaltigeres Leben bieten wollen. Die Bewohner schließen sich in einer GmbH & Co. KG als Baugemeinschaft zusammen. Neben einem großen Gemeinschaftsraum gibt es auch eine Gästewohnung, Sharing-Angebote und ein Restaurant, das die Ernte aus dem Dachgewächshaus verarbeitet.
Energiebedarf sinkt unter zehn Kilowattstunden pro Quadratmeter
Gemeinschaftshäuser haben die Stuttgarter schon vorher gebaut. Teile des We-House-Gedankens haben sie schon in den letzten Jahrzehnten in der Rommelmühle in Bietigheim-Bissingen, dem „Silberado“ im Stuttgarter Westen oder dem „Friedel Areal“ in Bad Cannstatt umgesetzt. „Mit den We-Houses betreten wir aber eine neue Stufe“, so Yannik Hansen-Schütz. Das erste Projekt wurde vor fast zwei Jahren im westfälischen Herne fertiggestellt und beherbergt 45 Bewohner in einem umgebauten ehemaligen Hochbunker. Eine große Photovoltaik-Anlage liefert Strom, zusätzlich wird die Abwärme einer Sendeanlage genutzt. „Dadurch sinkt der Energiebedarf auf unter zehn Kilowattstunden pro Quadratmeter“, sagt Gerd Hansen.

Unnötige Hindernisse im Baurecht

Das nächste Projekt mit 54 Wohnungen für 120 Bewohner baut Archy Nova derzeit in Hamburg. Ein ähnlich dimensioniertes Projekt mit höchsten ökologischen Baustandards wollte das Unternehmen zur internationalen Bauausstellung IBA 27 auch in Stuttgart verwirklichen. Doch die „Rote Wand“ auf dem Killesberg scheiterte – „nachdem wir mit zwei Jahren Planung und vier Millionen Euro in Vorleistung gegangen waren.“
„Leider sind unsere Baubehörden und unser Baurecht nicht besonders gut auf ökologisches Bauen ausgerichtet“, bedauert Hansen. Gut gemeinte Reformen wie die Holzbaurichtlinie hätten die Situation sogar „verschlimmbessert“. Doch davon lassen sich die Projektierer nicht abschrecken, trotz schwachem Immobilienmarkt ist Hansen zufrieden: „In Hamburg haben wir die Wohnungen in Rekordgeschwindigkeit vergeben.“