Magazin Wirtschaft

Öffentliche Aufträge: ein Stück vom Kuchen

Der Markt für öffentliche Aufträge ist riesig. Allein in Deutschland beträgt er rund 360 Milliarden Euro. EU-weit sind es sogar bis zu 1,9 Billionen Euro. Allerdings haben öffentliche Ausschreibungen den Ruf, aufwändig und kompliziert zu sein. Nicht ganz zu Unrecht. Unser Sechs-Stufen-Plan kann Ihnen helfen, „ein Stück vom Kuchen“ abzubekommen.

Stufe 1: So finden Sie geeignete Ausschreibungen


Bei europaweiten Ausschreibungen werden Sie schnell fündig, denn hier besteht die Verpflichtung, diese auf einer einheitlichen Plattform namens TED (Tenders Electronic ­Daily) zu veröffentlichen.
Nationale Ausschreibungen sind auf den Internetseiten des Auftraggebers oder auf Internetportalen zu veröffentlichen. Gut zu wissen: Sie müssen zentral über die Suchfunktion des Internetportals www.bund.de ermittelt werden können.
Um die für Sie passende Ausschreibung zu finden, sollten Sie sich Zeit nehmen. Am besten blockieren Sie sich täglich oder wöchentlich einen festen Termin im Kalender. Suchen Sie nach geeigneten Oberbegriffen oder CPV-Codes und achten Sie auf die Fristen. Legen Sie sich eine Merkliste der für Sie geeignetsten Webseiten an. Dabei sollte unbedingt die IHK-Plattform unter www.stuttgart.ihk.de, Dok-Nr. 4364074 sein. Auch unser kostenloser Newsletter ist hilfreich. Sie abonnieren ihn unter www.stuttgart.ihk.de, Dok-Nr.  4321656
Sie können sich auch bei öffentlichen Auftraggebern proaktiv melden und nach konkreten Vergabeabsichten samt Termin fragen. Öffentliche Auftraggeber müssen ihre Beschaffungen nämlich bereits ein Jahr im Voraus im Haushaltsplan mit einem konkreten Zeitplan hinterlegen.

Stufe 2 oder lohnt sich eine Teilnahme wirklich?

In Stufe 1 haben Sie eine passende Ausschreibung gefunden. Jetzt heißt es, die Unterlagen zu sichten und zu analysieren.
Wichtigste Frage: Erfüllen Sie die Eignungskriterien und Mindestanforderungen? Und umgekehrt: entspricht die geforderte Leistungsbeschreibung Ihrem Profil? Können Sie die genannte Angebots- und Lieferfrist einhalten? Brauchen Sie Subunternehmer, um Teilaufgaben zu erledigen? Wenn ja: sind diese überhaupt zugelassen?
Überlegen Sie auch, welche weitergehenden Verpflichtungen durch etwaige Lastenhefte, Mindestlohn etc. Sie eingehen müssten. Haben Sie hierfür Rückendeckung der Geschäftsführung? Brauchen Sie interne Genehmigungen oder müssen Sie bereits jetzt erste Prozesse anstoßen?
Bevor Sie den ganz großen Aufwand starten: recherchieren Sie erst einmal, wie Ihre Auftragschancen stehen und mit wem Sie wahrscheinlich konkurrieren werden.
Werfen Sie zusätzlich einen genauen Blick auf die geforderten Nachweise. Liegen sie vor oder können sie mit überschaubarem Aufwand beschafft werden?  Beim Nachweismanagement im Liefer- und Dienstleistungsbereich unterstützen wir Sie gerne mit der Präqualifizierung. Denn wenn Ihr Unternehmen präqualifiziert ist, dann fällt die aufwändige Nachweissuche weg.
www.stuttgart.ihk.de, Dok-Nr. 4364074

Stufe 3 oder so geht man vor

Nachdem Sie Stufe 2 durchlaufen haben – stellen Sie fest, dass sich eine Teilnahme lohnen könnte. Nun geht es in die Vorplanung:
  • Tracken Sie die Angebotsfrist
  • Bestimmen Sie die Schnittstellen, die Sie für Ihr Angebot benötigen
  • Informieren Sie die Schnittstellen über die Angebotsfrist - möglichst mit Puffer
  • Lassen Sie sich regelmäßige Updates Ihrer Schnittstellen geben, sodass Sie nachjustieren können
  • Haben Sie immer ein Auge auf das Vergabeportal, falls da Änderungen in den Vergabeunterlagen publiziert werden
  • Kalkulieren Sie Themen wie Zeitverschiebungen, Feiertage, Urlaubszeit  ein
  • Schreiben Sie sich die Mindestanforderungen aus den Vergabeunterlagen auf und kontrollieren Sie regelmäßig, ob diese berücksichtigt werden können
  • Notieren Sie sich die exakte Leistungsbeschreibung ggf. mit Lastenheften und tracken Sie, ob alle geforderten Punkte in Ihrer Angebotsmatrix berücksichtigt sind
  • Holen Sie sich notwendige interne Genehmigungen ein
  • Geben Sie regelmäßige Updates
  • Bei Unklarheiten formulieren Sie mögliche Bieterfragen.

Stufe 4 – die Angebotserstellung

Sie haben einen Plan gemacht, Ihre Schnittstellen eingebunden, sogar eine Matrix erstellt und sind nun bereit, das Angebot mitsamt Preiskalkulation zu erstellen.
Vorher sollten Sie aber alles noch einmal unter folgenden Aspekten kontrollieren - am besten nach dem Vier-Augen-Prinzip:
  • Stimmt die Leistungsbeschreibung in Ihrem Angebot mit den Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung in den Vergabeunterlagen exakt überein?
  •  Ist Ihre Preismatrix exakt so dargelegt worden, wie vom öffentlichen Auftraggeber gemäß den Vergabeunterlagen gefordert – enthält sie alle Angaben?
  • Welche Fragen sind noch ungeklärt und müssen zwingend vom ­öffentlichen Auftraggeber beantwortet werden?
  • Achten Sie unbedingt darauf, keine unzulässigen Nebenangebote mit einzureichen.
  • Sind alle geforderten Erklärungen da und von den Zuständigen unterschrieben?
  • Wurden alle Kreuzchen auf den beiliegenden Formularen exakt gemacht? Zum Beispiel die Erklärung zum Mindestlohn?
  • Liegen alle geforderten Zertifikate und Eigenerklärungen vor und sind sie noch gültig?
Diese Genauigkeit ist mühsam und zeitaufwendig, aber sehr wichtig, da Sie die Vergabeunterlagen unter keinen Umständen verändern, anpassen oder ergänzen dürfen. Dies führt nämlich in jedem Fall zum sofortigen Ausschluss Ihres Angebots.

Stufe 5 - das kann/muss der Bieter fragen

Bieterfragen sind bei Unklarheiten, Fehlern oder Defiziten in den Vergabeunterlagen vom Bieter zu stellen. Der öffentlichen Auftraggeber ist verpflichtet, sie rechtzeitig zu beantworten und gegebenenfalls die Vergabeunterlagen zu überarbeiten. Die Antworten muss er allen Bewerbern unverzüglich, identisch und gleichzeitig zugänglich machen. Individuelle Antworten sind nur möglich, wenn offensichtlich ein Missverständnis seitens des Bieters vorliegt oder wenn ansonsten Geschäftsgeheimnisse verletzt oder die Identität des Fragenden preisgegeben würde. Reicht die Frist zur Angebotserstellung dann nicht mehr aus, muss sie angemessen verlängert werden.
Bieterfragen können – falls nicht befristet - bis Ablauf der Abgabefrist gestellt werden. Deswegen sollten Sie sie unbedingt im Auge behalten. Zwar bekommen ­registrierte Bieter in der Regel automatisch eine Benachrichtigung, doch wenn der Kollege, an dessen Adresse sie geht krank oder in Urlaub ist, nützt das wenig. Deshalb kann es sinnvoll sein, eine allgemeine E-Mail-­Adresse für das Team der Ausschreibungsbearbeitung anzulegen.

Stufe 6 - die Angebotsabgabe

Auf den letzten Metern sollten Sie das ­finale Angebot erneut im Vier-Augen-­Prinzip schrittweise auf mögliche fehlende Inhalte, Kreuzchen, Erklärungen, Unvollständigkeit, Unklarheit, fehlende Nachweise etc. durchgehen (siehe IHK-Tipp), bevor Sie es dann hochladen und die Abgabe besiegelt ist.
Jetzt haben Sie es geschafft! Wenn Sie den Zuschlag erhalten: Herzlichen Glückwunsch! Wenn nicht, setzen Sie sich mit Ihrem Team zusammen und erörtern Sie Dinge die gut gelaufen sind (das motiviert) und Dinge, die sie künftig besser machen sollten. Seien Sie versichert, mit jeder Ausschreibung kommt mehr Routine hinzu.
Melanie Franke, IHK Region Stuttgart, Auftragsberatungsstelle für Magazin Wirtschaft 11-12.2023, Rubrik Rat&Tat

IHK-Checkliste: 12 Kontrollfragen  vor der Abgabe

Bevor Sie Ihr Angebot an einen öffent­lichen Auftraggeber final hochladen, ­checken Sie noch einmal folgende elf Punkte:
1) Nachweise: Sind alle geforderten Nachweise beigefügt, sind diese gemäß den Vorgaben aus den Vergabeunterlagen gültig und vollständig?
2) Formblätter: Sind alle geforderten Formblätter ausgefüllt und alle Kreuzchen an den hierfür vorgesehenen Stellen gesetzt?
3) Bietergemeinschaften: Können Sie Ihre Kräfte ­bündeln, indem Sie mit anderen Unternehmen kooperieren?
4) Unterschriften: Wurden alle geforderten Unterschriften geleistet? Haben die berechtigen Personen unterschrieben?
5) Sicherheit: Steht ein IT-Experte bei etwaigen technischen Problemen beim Hochladen im Hintergrund zur Verfügung, falls möglich?
6) Haben Sie die Kontaktdaten des jeweiligen Plattformanbieters griffbereit?
7) Tracking: Wurden alle internen Prozesse eingehalten und ist dies auch dokumentiert?
8) Vollständigkeit: Sind alle Angaben und Unterlagen vollständig gemacht worden?
9) Struktur; Klarheit: Ist das Angebot klar ­strukturiert und kann objektiv beurteilt werden?
10) Leistungsbeschreibung: Gehen Sie auch diese nochmals im Detail durch.
11) Preismatrix: Auch hier unbedingt nochmals drüber gehen: Legen Sie Ihr Augenmerk auf die Preise aber auch auf die Bemerkungen auf dem Preisblatt, wie diese konkret abzugeben sind.
12) Kontrolle: Speichern Sie am Schluss Ihr finales Angebot auch unbedingt als solches auf dem Laufwerk.