Interview

„Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle mit Blick auf die klimaneutrale Produktion.“

Vier Zementhersteller machen gemeinsame Sache: Buzzi Unicem – Dyckerhoff, Heidelberg Materials – HeidelbergCement AG, SCHWENK Zement GmbH & Co. KG und Vicat S.A. haben sich zur Forschungsgesellschaft Cement Innovation for Climate GmbH & Co. KG (CI4C) zusammengeschlossen. Das Ziel: Die Zementherstellung nachhaltiger gestalten. Jürgen Thormann ist technischer Geschäftsführer von CI4C und ehemaliger Werksleiter des Zementwerkes von SCHWENK Zement in Mergelstetten, wo die Projektanlage gebaut wird. Im Interview spricht er darüber, was es braucht, dass die Zementherstellung klimaneutraler wird und wie sich SCHWENK dafür einsetzt.

Gibt es spezifische Innovationen oder Entwicklungen, die SCHWENK im Bereich der Energieeffizienz vorantreibt?

Vor dem Hintergrund der CO2-Emissionsminderung beteiligt sich SCHWENK gemeinsam mit dem Konsortium CI4C an der Entwicklung einer neuen Technologie zur Abscheidung von CO2 mit Hilfe des Oxyfuel-Verfahrens. Die CO2-Abscheidung ist an sich energieintensiv; innerhalb dieses Prozesses hat das Oxyfuel-Verfahren Potenzial für erhebliche Energieeinsparungen. Darüber hinaus befasst sich SCHWENK am Standort Allmendingen mit einer weiteren Intensivierung der Abwärmenutzung bei der Zementherstellung mit dem Ziel, Abwärme in elektrischen Strom umzuwandeln. Ein dazu aufgelegtes Projekt wird vom Bund gefördert.

Welche Rolle spielt Wasserstoff in Ihrer Vision einer klimaneutralen Produktion?

Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle mit Blick auf die klimaneutrale Produktion. Wasserstoff wird einerseits benötigt, um fossile Energieströme im Klinkerbrennprozess zu reduzieren. Des Weiteren wird Wasserstoff benötigt, um CCU*-Projekte umzusetzen. Dabei dient der Wasserstoff als Bindungspartner für den Kohlenstoff aus abgeschiedenem CO2.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von Wasserstofftechnologien in der Zementherstellung?

Aufgrund der bisher geringen Verfügbarkeit von Wasserstoff und der eingeschränkten Transportmöglichkeiten konnten noch keine umfangreichen großtechnischen Versuche unter Einsatz von Wasserstoff durchgeführt werden. Hierzu planen wir ein Versuchsprogramm mit Beginn der Wasserstoffbereitstellung über Pipelines. Wegen der erheblichen Entfernung zu möglichen CCS*-Anwendungen setzt SCHWENK an den süddeutschen Standorten auf CCU, um das CO2 vor Ort bzw. in erreichbarer Nähe zu verarbeiten. Vorrangig wird dabei die Herstellung von nachhaltigem Flugtreibstoff aus CO2 und Wasserstoff angestrebt. Unabhängig davon, ist die Bereitstellung einer CO2-Pipeline zur Anwendung von CCS für den Transport von CO2 über größere Strecken erforderlich.

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit anderen Industriezweigen und Regierungsbehörden, um eine nachhaltige Produktion zu gewährleisten?

Für die Bereitstellung von Wasserstoff über Pipelines ist es wichtig, dass die Industriebetriebe aus der Region ihre Bereitschaft zum Einsatz von Wasserstoff bekunden und insbesondere den Bedarf an Wasserstoff anmelden. Es hat sich gezeigt, dass die Bedarfsmeldungen hinsichtlich Menge und Termin maßgeblich sind für die Planung und Umsetzung der H2-Pipelineprojekte sowie für die Belieferung mit Wasserstoff. Die Zusammenarbeit mit den Regierungsbehörden ist dringend notwendig, um die Wasserstoffbereitstellung per Pipeline bis 2030/2032 in unserer Region sicherzustellen. Darüber hinaus muss in Zusammenarbeit mit Behörden und Politik auch die Frage der Verwendbarkeit von Wasserstoff für die klimaneutrale Produktion und die Verwendung des Wasserstoffs im Rahmen von CCU geklärt werden, wenn der gelieferte Wasserstoff nur in Teilen in erneuerbarer Qualität bereitgestellt wird. Grundsätzlich ist es notwendig, dass die Lieferung von klimaneutralem Wasserstoff im Rahmen der Hochskalierung zu wettbewerbsfähigen Preisen erfolgt.

Was ist nötig, um die Zementherstellung in Richtung Klimaneutralität lenken zu können?

Wichtig ist, sowohl für die Anwendung von CCU als auch CCS, dass der rechtliche Rahmen für die Anrechenbarkeit von abgeschiedenem CO2 im ETS kurzfristig geschaffen wird. Darüber hinaus dürfen bei CCU-Projekten keine rechtlichen Hürden im Zusammenhang mit der Frage der permanenten Bindung von abgeschiedenem CO2 geschaffen werden, die eine technische Umsetzung unmöglich machen würden. Der erforderliche Rechtsrahmen muss die Planungssicherheit für die wirtschaftliche Umsetzung von CCU/CCS Projekten herstellen.
Interview: Sonja Adamiak

*CCU: Carbon Capture and Utilization
*CCS: Carbon Capture and Storage