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Fachkräfteeinwanderung – was sich mit der Novelle ändert

Fachkräfte dringend gesucht: Jedes zweite Unternehmen in Deutschland hat laut dem aktuellen Fachkräftereport der DIHK Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Am häufigsten fehlen Fachkräfte mit einer dualen Berufsausbildung. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen sieht in der Anwerbung ausländischer Arbeits- und Fachkräfte aus Nicht-EUStaaten eine Option zur Fachkräftesicherung. Mit den Änderungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, die zwischen November 2023 und Juni 2024 in Kraft treten, soll dies nun einfacher werden. Gleichzeitig wird der gesamte Prozess durch die Neuregelungen noch einmal komplexer. Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland einstellen wollen, sollten sich deshalb gründlich über die neuen Wege und die damit verbundenen Voraussetzungen informieren.

Schnellere Einreise mit „Anerkennungspartnerschaft“

Während bisher eine Anerkennung des Berufsabschlusses für die Einreise zwingend erforderlich war, können Fachkräfte seit dem 1. März 2024 auch ohne vorheriges Anerkennungsverfahren nach Deutschland kommen.
Die sogenannte Anerkennungspartnerschaft zwischen Fachkraft und Unternehmen ermöglicht es nun, das Anerkennungsverfahren erst in Deutschland zu beginnen, parallel zur Beschäftigung. Dabei verpflichten sich beide Seiten, nach Einreise so rasch wie möglich einen Anerkennungsantrag zu stellen. Voraussetzung ist, dass die Fachkraft über eine zweijährige Ausbildung verfügt und ihr Abschluss in ihrem Heimatland anerkannt ist. Außerdem muss sie Deutschkenntnisse mindestens auf dem Niveau A2 nachweisen.
„Für viele Fachkräfte kann die Anerkennung des Berufsabschlusses aus dem Ausland eine Hürde sein, die mit dieser neuen Möglichkeit nun entfällt. Der Vorteil für die Unternehmen: Wenn es sich nicht um einen reglementierten Beruf handelt, können die Fachkräfte sofort nach der Einreise ihre Arbeit aufnehmen“, sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der DIHK. „Damit die Anerkennungspartnerschaft in der Praxis funktioniert, brauchen Fachkräfte und Unternehmen aber verlässliche Informationen und Beratung.“ Den Nachweis, ob eine zweijährige Ausbildung mit staatlicher Anerkennung im Ausland vorliegt, soll künftig die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) übernehmen; die Berufsanerkennung selbst erfolgt für IHK-Berufe weiterhin über die IHK Foreign Skills Approval (IHK FOSA). „Ob dieses gesplittete Vorgehen funktioniert und nicht zu unnötigem Mehraufwand oder sogar zu unterschiedlichen Bewertungen führt, wird die Praxis zeigen“, gibt Dercks zu bedenken.
“Wenn es sich nicht um einen reglementierten Beruf handelt, können die Fachkräfte sofort nach der Einreise ihre Arbeit aufnehmen.”
- Achim Dercks

Mindestgehalt statt Anerkennung

Zahlt ein Unternehmen oberhalb einer festgelegten Gehaltsgrenze, kann das Berufsanerkennungsverfahren seit dem 1. März 2024 sogar ganz entfallen. Voraussetzung ist auch hier, dass die Fachkraft über eine zweijährige Berufsausbildung mit einem im Herkunftsland anerkannten Berufsabschluss oder ein sogenanntes AHK-Zertifikat verfügt. Außerdem muss sie einschlägige Berufserfahrung nachweisen. Ob ihre Deutschkenntnisse für die Stelle ausreichen, entscheidet der Arbeitgeber. Das Mindestgehalt beträgt 45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung. Diese liegt 2024 bei 40.764 Euro. „Wir halten es für eine gute Möglichkeit, auch ohne Berufsanerkennung einreisen zu können, denn nicht alle gut qualifizierten ausländischen Fachkräfte können oder wollen das Anerkennungsverfahren durchlaufen“, sagt Dercks. „Je nach Branche und Region könnte das Mindestgehalt jedoch eine zu hohe Hürde darstellen. Aus unserer Sicht wäre hier eine Grenze von 30.000 Euro sinnvoller gewesen.“
Seit November 2023 gilt außerdem, dass Fachkräfte mit einer vollen Berufsanerkennung jeder qualifizierten Beschäftigung nachgehen können. So kann beispielsweise eine Fachkraft mit einem anerkannten Abschluss als Restaurantfachmann auch einer Beschäftigung als Hotelfachmann nachgehen oder umgekehrt. Ausgenommen sind reglementierte Berufe wie Altenpfleger oder Erzieher. „Hier wurde ein pragmatischer Weg geschaffen, den viele Arbeitgeber begrüßen werden“, so Dercks. Auch Akademiker können nun in Berufen mit Ausbildungsabschluss arbeiten.

Arbeitsplatzsuche mit Chancenkarte

Wer noch keinen Arbeitsvertrag hat, aber zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen will, kann künftig die Chancenkarte nutzen, die am 1. Juni 2024 in Kraft tritt und ein Jahr gültig ist. Sie basiert auf einem Punktesystem. Die Punkte werden nach Auswahlkriterien wie zum Beispiel Sprachkenntnissen, Berufserfahrung und Alter vergeben. Wer bereits das Berufsanerkennungsverfahren durchlaufen und eine volle Anerkennung erhalten hat, benötigt für die Einreise keine weiteren Punkte. Die Chancenkarte ermöglicht unter anderem jeweils zweiwöchige Probearbeiten.
Auch bei der Blauen Karte EU, mit der Akademiker aus Nicht-EU-Staaten zum Arbeiten nach Deutschland kommen können, gibt es Neuerungen: So wurden die Gehaltsgrenzen gesenkt und der Personenkreis, der die Blaue Karte beantragen kann, erweitert. Unter anderem können nun auch IT Spezialisten ohne Hochschulabschluss, die mindestens drei Jahre Berufserfahrung mitbringen, eine Blaue Karte erhalten.

Unternehmen hoffen auf zügige Umsetzung

Seit dem 1. März 2024 wird beim Familiennachzug auf den Nachweis ausreichenden Wohnraums verzichtet, zudem können Fachkräfte nun auch ihre Eltern und Schwiegereltern nach Deutschland holen. Damit die neuen Regelungen zum gewünschten Erfolg führen, müssen laut Dercks auch die Rahmenbedingungen stimmen. „Dazu gehören ausreichender Wohnraum in Unternehmensnähe, Sprachlernangebote im In- und Ausland sowie schnellere Verwaltungsverfahren.“ Um das gesamte Zuwanderungsverfahren schneller und transparenter zu gestalten, plädiert die DIHK für eine Digitalisierung des Visumverfahrens, beginnend mit der Online-Antragstellung. Darüber hinaus fordert sie eine bundesweite Clearingstelle, die Unternehmen und Fachkräfte bei praktischen Fragen und Unklarheiten im laufenden Zuwanderungsverfahren unterstützt, eine zentrale Ausländerbehörde in jedem Bundesland sowie eine stärkere Zusammenarbeit zwischen IHKs und Ausländerbehörden, um praktische Probleme gemeinsam zu lösen.
Mascha Dinter