Magazin Wirtschaft

Ein halber Schweizer steigt (uns) aufs Dach

Axel Jetter hat eine Lehre als Zimmermann gemacht und dann Bauingenieurwesen studiert. Ein Mann also, der die harten Fakten mit der wissenschaftlichen Theorie zu verbinden weiß. Oder, wie er sagt, ein Mann für die Schnittstellen­probleme, der weiterhilft, „wo es ­zwischen den Gewerken richtig weh tut“.
Jahrzehntelang war er Projektleiter bei großen Bauprojekten, die schon mal um die 50 Millionen Euro kosteten. Doch die „Daumenschrauben der Großprojekte“ machten ihm immer mehr zu schaffen.  Als der 50. Geburtstag nahte, wollte der Mann aus Leinfelden-Echterdingen darum raus aus dem bequemen aber einengenden Angestelltenverhältnis.
Raus aus dem bequemen Angestelltenlegen – rein in die Selbständigkeit
Er hatte da auch schon eine Firma im Sinn, mit der er seine Idee verwirklichen wollte: die SunStyle aus dem schweizerischen Bollingen. Für den Solar-Spezialisten hatte er bereits mehrere Projekte in Deutschland betreut. Und überhaupt „Mein Herz ist zur Hälfte schweizerisch“, lächelt er.
Das Produkt überzeugte ihn auf jeden Fall. Es handelt sich um Solarziegel als Glas-Glas-Konstruktion, in die Photovol­taik-Zellen laminiert sind. Sie werden wie gewöhnliche Ziegel auf Dächer gedeckt und sorgen gleichzeitig für Schutz und Energie. Bauwerkintegrierte ­Photovoltaik heißt diese Zwei-in-Eins-Lösung. Weil es sie in Schwarz, Terracotta und Grau gibt, passen sie sich optisch in die Architektur ein, sodass selbst erste Denkmalschutzämter sie für historische Gebäude empfehlen.
O.k., wir machen das gemeinsam, in welcher Form, sehen wir dann
Um seine Idee zu verwirklichen, ­verbrachte Jetter Ostern 2022 in der Schweiz. „Eigent­lich wollte ich als Einzelkämpfer und ohne Vertrag einfach mal anfangen, das System in Deutschland zu verkaufen“, erinnert er sich. Sunstyle war sehr interessiert, denn das Unternehmen sieht Deutschland als seinen größten ­Zukunftsmarkt. Dies umso mehr, als der Markt in der Schweiz nach 15 Jahren eher gesättigt ist. Man ging auseinander mit dem Beschluss: „O.k., wir machen was ­gemein­- sam – in welcher Form, sehen wir dann.“
Die mündliche Zusage reicht
Jetter reichte das als Zusage: „Ich bin von der Schweizer Mentalität überzeugt.“ Er kündigte seine feste Stelle bei einem ­großen Stutt- garter Architekturbüro und begann mit den Vorbereitungen.
Im Herbst 2022 wurde dann auch die ­Frage der Form gelöst: seither gibt es die Sunstyle Germany GmbH mit Axel Jetter als Geschäftsführer. Und seit genau ­einem Jahr ist der nun 50-Jährige mit dem Produkt auf dem deutschen Markt unterwegs. Erfolgreich, „mit einem ­ordentlichen Umsatz“, wie er stolz berichtet.
Allein in Stuttgart betreut er gerade vier Projekte. Mehrere Gebäude am ­Bodensee und im Schwarzwald sind bereits mit den Solarziegeln gedeckt und auch die Kreissparkasse Ludwigsburg plant mit dem Produkt. Prestige-Projekt ist das Behnisch-Haus des verstorbenen Stararchitekten. Inzwischen hat er Büroräume in ­einem Coworking-Space in Vaihingen bezogen und die erste Mitarbeiterin eingestellt.
Architekten sollen Influencer werden
Nun sieht es Jetter als seine Hauptaufgabe, das Produkt bekannter zu machen und ein Netzwerk zu flechten. Ein Netzwerk einerseits aus Architekten als ­„Influencer“, die mit dem Produkt planen, und andererseits aus Handwerkern, die es dann verbauen. So soll das Geschäft skaliert werden. Das wiederum soll mittelfristig zu günstigeren Preisen führen, denn noch muss man mit circa einem Viertel mehr Kosten rechnen als bei ­konventionellen Lösungen.
Axel Jetter ist jedenfalls rundum zu­frieden mit dem (späten) Schritt in die Selbständigkeit: „Ein neues Leben hat für mich begonnen, zwar mit mehr Verantwortung aber auch mit mehr Freiheit“, freut er sich. Zumal er auf familiäre ­Unterstützung zählen kann: seine Frau betreibt in Leinfelden-Echterdingen das Café Cavero.  
 Dr. Annja Maga, Redaktion Magazin Wirtschaft, für Rubrik „Menschen und Ideen”