Magazin Wirtschaft

Ein Signal setzen, dass es jetzt reicht

Magazin Wirtschaft: Herr Conrad, die Verkehrsbranche schaut leider noch pessimistischer in die nähere Zukunft als alle anderen Branchen außer dem Einzelhandel. Teilen Sie diese Einschätzung?
Porträbild Conrad
Timo Conrad, Geschäftsführender Gesellschafter der ERA Internationale Spedition GmbH, Kornwestheim und Mitglied im IHK-Verkehrsausschuss © Andreas Dalferth
Conrad: Ja. Bis Ende November hatten wir ein ­ordentliches Jahr. Unser größtes Problem waren die Transportkapazitäten und das Fachpersonal – wir waren froh, wenn wir alle Kunden bedienen konnten. Jetzt entspannt sich gerade das Fachkräfteproblem zumindest leicht, aber konjunkturell wird es seit Dezember schwieriger. Von Einbruch will ich noch nicht sprechen, aber man spürt überall erste Signale von Verhaltenheit und Verunsicherung. In der Automotive-Branche wird das besonders deutlich. Das merken wir 1:1.
Magazin Wirtschaft: Können Sie das irgendwie auffangen?
Conrad: Zum Glück sind wir sehr stark im ­Medizin- und Pharmabereich, aber auch im ­Maschinenbau und in der Telekommunikationsbranche. Da läuft es noch stabil. Aber ganz klar: die Krise bei Automotive wirkt sich auf die Konsumfreude aus und daraus kann sich eine ganz gefährliche Abwärtsspirale er­geben. Allerdings bin ich Berufsoptimist und gehe davon aus, dass sich das wieder fängt. Sicher wäre ich mir da aber nicht.
Man muss sich doch vor einer Grundsatzentscheidung fragen, was sinnvoll ist, was wirtschaftlich ist und was funktioniert!
Magazin Wirtschaft: Was ist die tiefere Ursache für die Pro­bleme?
Conrad: Es werden mit der Brechstange ­Regeln eingeführt, von denen man noch gar nicht weiß, ob sie funktionieren. Zu engstirnig ist mir das, weil zum Beispiel Technologie­offenheit keine Rolle spielt. Sehen Sie nur die neue Regel zum CO2-Ausstoß von LKW. Stand jetzt kann ich mit der vorhandenen Infrastruktur genau einen unserer LKW über Nacht elektrisch laden, und der würde in der Anschaffung das Vierfache eines Verbrenners kosten. Dabei könnte zum Beispiel der HVO-Diesel in ­meinen Augen eine geeignete ­Brückentechnologie sein.
Magazin Wirtschaft: Macht Ihnen das Sorgen?
Conrad: Ja, ich fürchte, wir verrennen uns da in etwas, das uns den Wohlstand kostet, dessen Auswirkung auf das Klima im Weltmaßstab ­gesehen aber zu vernachlässigen ist. Man muss sich doch vor einer Grundsatzentscheidung fragen, was sinnvoll ist, was wirtschaftlich ist und was funktioniert!
Welche Rolle spielen die hohen Kosten für Energie und die Steuern? Zusammen mit der Planungsunsicherheit und der Bürokratie ist das eine gefährliche ­Mischung. Viele unserer Kunden über­legen deshalb, ob sie noch am Standort Deutschland investieren sollen. Und wir als Dienstleister hängen da dran.
Magazin Wirtschaft: Die Mauterhöhung drückt sicher auch auf die Geschäfte in Ihrer Branche.
Conrad: Massiv! Gerade waren es 83 Prozent und im Juni folgt schon die nächste Erhöhung. Wegen all dem bin ich am 15. Januar nach Berlin gefahren und habe mit den Bauern ­demonstriert. Dass die Maut zurück­genommen wird – das wird nie passieren. Aber man muss doch mal ein Signal ­setzen, dass es jetzt reicht.
Magazin Wirtschaft: Der Staat braucht aber Geld, zum Beispiel für die vernachlässigte Infrastruktur.
Conrad: Wir haben doch kein Einnahmeproblem, ­sondern ein Ausgabenproblem. Nur leider wird das Geld nicht ausreichend zum Ausbau der Straßeninfrastruktur genutzt.
Magazin Wirtschaft: Sie sind hier keine 200 Meter vom ­Güterumschlagbahnhof Kornwestheim entfernt. Ist die Schiene eine ­Alternative? Conrad: Früher ja, aber inzwischen nutzen wir sie so gut wie gar nicht mehr – zu unzu­verlässig, zu teuer, die Laufzeiten sind zu lang und zu unflexibel und die Infor­mationspolitik der Bahn zu schlecht. ­Allerdings wird die Bahn sowieso überschätzt, wenn es um den ­Güterverkehr geht. Wussten Sie, dass man die Netz­kapazität verdoppeln müsste, um die Straße nur um fünf bis zehn Prozent zu entlasten?
Magazin Wirtschaft: Haben auch die großen Weltprobleme – Stichwort Ukraine, Gaza, Rotes Meer – Auswirkungen auf Ihr Geschäft?
Conrad: Ja, denn all das beeinträchtigt die Lieferketten, weswegen die Unternehmen wieder mehr auf Zwischenlagerung setzen. Aber wir leiden unter großer Flächenknappheit, kein Gemeinderat will uns haben!
Magazin Wirtschaft: Wenn eine gute Fee Ihrem Familien­unternehmen drei Wünsche gewährte, welche wären das?
Conrad: Mehr Planungs­sicherheit, weniger Bürokratie und mehr Wertschätzung für unser Gewerbe als systemrelevant.
Das Interview führte Dr. Annja Maga für Magazin Wirtschaft