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"Es geht nicht ohne Menschen"
Industrie 4.0, Büro 4.0, Finanzierung 4.0. Die Endung, die auf die vierte Revolution verweist, scheint nahezu universal einsetzbar - aber gilt das auch für den Schutz vor Feuer? Jürgen Klaft ist Sachverständiger für ganzheitlichen Brandschutz und weiß als Berufsfeuerwehrmann, worauf es wirklich ankommt.
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Wirtschaft: Was gehört zu einem modernen Brandschutz?
Jürgen Klaft: Dazu gehören bauliche und technische Maßnahmen - beide sind vorbeugend - sowie organisatorische und abwehrende Maßnahmen. Das alles ist im Brandschutzkonzept festgehalten, das die Bauaufsichtsbehörden beim Gewerbebau seit 2000 fordern. Da steht zum Beispiel, ob der Betrieb eine Brandmeldeanlage, eine Rauchwärmeabzugsanlage oder einen Brandschutzbeauftragten braucht. Es wird in der Regel von externen Firmen für den Betrieb ausgearbeitet.
Wirtschaft: Und aus technischer Sicht - was fällt unter Brandschutz 4.0?
Klaft: Zum Beispiel digitale und vernetzte Brandmeldeanlagen, die Türen automatisch schließen, oder automatische Feuerlöschanlagen, die den Löschvorgang selbstständig einleiten - mit Wasser, Schaum oder einer modernen Sauerstoffreduzierungsanlage. Selbst die Steuerung der Rettungswege kann automatisiert werden. So eine Anlage lotst den Menschen mit leuchtenden Pfeilen durch das Gebäude und zeigt ihm: Du musst rechtsrum, links brennt’s.
Wirtschaft: Sie wirken skeptisch - warum?
Klaft: Vieles, was technisch möglich ist, ist nicht unbedingt nötig. Worauf kommt es an? Die Brandmeldeanlage soll alarmieren. Dazu muss sie das Feuer entdecken. Und darin ist sie wesentlich besser als unsere eigene Brandmeldeanlage: die Nase. Eine Sauerstoffreduzierungsanlage würde in einem metallverarbeitenden Produktionsbetrieb eher nicht zum Einsatz kommen, wohl aber bei Kulturgütern von hohem Wert. Es kommt also immer darauf an, was ich schützen will und zu welchem Preis. Brandschutz ist ein höchst individuelles
Geschäft.
Geschäft.
Fünf Prozent der Mitarbeiter sollten mit Löschgeräten umgehen können, rät der Sachverständige Jürgen Klaft.
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Wirtschaft: Alles muss auf den Betrieb abgestimmt werden?
Klaft: Bis auf den Feuerlöscher. Er ist das einzige Löschgerät, das von München bis Flensburg gleich ist. Zur Veranschaulichung: Für Sonderbauten wie Schulen, Hotels, Raffinerien oder Flughäfen gelten Sonderbauvorschriften, die insgesamt 800 Brandschutzvorschriften umfassen. Ein mehrgeschossiges Hotel hat meist eine Brandmeldeanlage und Rettungswegbeleuchtung, aber eher keine Feuerlöschanlage. Die braucht etwa ein Betrieb, der gefährliche Stoffe verarbeitet.
Wirtschaft: Wie viel hängt an einer tollen Anlage, wie viel an einer guten Organisation?
Klaft: Beides muss zusammenspielen. Es reicht nicht, das Ganze nur technisch zu lösen. Die Feuerwehr braucht zehn Minuten, bis sie da ist, und noch mal zehn, um den Löschvorgang einzuleiten. Diese Zeit muss genutzt werden. Zur Evakuierung brauche ich Räumungshelfer, zur Bekämpfung Brandschutzhelfer. Es geht also nicht ohne Menschen. Fünf Prozent der Belegschaft sollten mit Geräten wie Feuerlöschern und Wandhydranten umgehen können.
Wirtschaft: Was wird am ehesten vernachlässigt?
Klaft: Zu den gravierendsten Sicherheitsmängeln zählen Öffnungen in Wänden und Decken, die nach Kabelverlegungen nicht geschlossen wurden. Dadurch kann sich Feuer und Rauch unheimlich schnell ausbreiten. Der zweite Aspekt ist die Mängelbeseitigung. Wir hatten einen Fall in Hessen, wo lange nichts gemacht wurde. Da waren wir am Ende bei 2,5 Millionen Euro für Brandschutzmaßnahmen.
Wirtschaft: Was sollten Unternehmen im Blick behalten?
Klaft: Die Kontrollen durch den Brandschutzbeauftragten und die Bauaufsichtsbehörde. Die Anlagen müssen gewartet und nach festgelegten Zyklen überprüft werden.
Interview: Andrea Scheffler
Veröffentlicht am 1. September 2017
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Benjamin Tietjen