Nachhaltige Gebäudetechnik

„Es geht immer häufiger darum, Kühllasten zu minimieren“

Professor Sebastian Fiedler forscht an der Technischen Hochschule Lübeck zum Thema nachhaltiges Bauen und Planen. Im Interview stellt er effiziente Sanierungsmaßnahmen für Unternehmen vor.
Welche Maßnahmen sind bei der energetischen Sanierung von Gewerbegebäuden am effektivsten?
Die Dämmung der Gebäudehülle spielt in der Regel eine deutlich geringere Rolle als bei Wohngebäuden. Es geht aber immer häufiger darum, Kühllasten zu minimieren, etwa durch Sonnenschutzsysteme, ohne dabei das Tageslicht einzuschränken. Auch die Umstellung auf energieeffiziente Beleuchtung und die energetische Optimierung von Lüftungsanlagen lohnen sich für Geldbeutel und Umwelt. Das gilt bei entsprechendem Stromverbrauch auch für das Nachrüsten einer Fotovoltaikanlage.
Wie groß ist der Einfluss von Gebäudeautomatisierung auf die Energieeffizienz?
Gebäudeautomatisierung ermöglicht Gebäudebetriebsoptimierung, mit der wiederum der Energieverbrauch etwa zwischen fünf bis 30 Prozent gesenkt werden kann – und das häufig mit geringinvestiven Maßnahmen. Dabei können der Einsatz von künstlicher Intelligenz und die Einbindung von Vorhersagen, etwa für das Wetter, helfen, das Optimierungspotential möglichst auszuschöpfen. Das Optimierungspotential selbst ist im Einzelfall zu prüfen und auch das Verhalten der Nutzer ist mit einzubeziehen.
Gebäudeautomatisierung ermöglicht Gebäudebetriebsoptimierung, mit der wiederum der Energieverbrauch etwa zwischen fünf bis 30 Prozent gesenkt werden kann.

Wie lassen sich Abwärmepotenziale in der Industrie für die Wärmewende nutzen?
Zunächst müssen die Abwärmepotentiale bekannt sein. Bei der laufenden Kommunalen Wärmeplanungen werden diese vielerorts erstmals strukturiert abgefragt. Auf dieser Grundlage können dann potenzielle Abnehmer von Abwärme, in der Regel Wärmenetzbetreiber, mit den Betrieben in die Abstimmung gehen. Dabei wird es darauf ankommen, dass die Abwärme langfristig verlässlich zur Verfügung steht und der Aufwand zu deren Nutzbarmachung in einem attraktiven Verhältnis zu möglichen Erlösen oder Einsparungen, etwa für die Kühlung, für die Industriebetriebe steht.
Professor Sebastian Fiedler © TH Lübeck
Welche Materialien und Techniken werden in Zukunft spannend sein?
Hier entfaltet sich zurzeit ein bunter Blumenstrauß: digitale Methoden von der Bestandserfassung über die Planung bis hin zur Fertigung, zum Beispiel dem Einsatz von Robotern in Fertigungshallen und auf Baustellen gehören dazu. Aber auch Ansätze für die serielle Sanierung, die aus dem Wohnungsbau auf geeignete Gewerbegebäude übertragen werden können. Ebenfalls ist die Weiter- und Wiederverwendung von Baumaterialien aus Bestandsgebäuden zu nennen. Außerdem: materialeffizienter Einsatz von bekannten Baumaterialien wie Beton, ohne den wir auch in Zukunft vermutlich nicht auskommen werden. Und der Einsatz von neuen Baustoffen zum Beispiel mit Pilzmyzel und Algen.
Interview: Marten Handzsuj
September 2024