Innovationen am Bau

Die Zukunft errichten

Beton aus dem Drucker, papierloses Baustellenmanagement oder Häuser aus Hanf - die Zeichen in der Bauwirtschaft stehen auf Effizienz und Nachhaltigkeit. Damit antwortet die Branche auf die aktuellen Herausforderungen. Das IHK-Magazin hat sich einige Trends genauer angesehen.

Der Fachkräftemangel sei mittlerweile auch in der Bauwirtschaft angekommen, sagt Alexander Türk, Geschäftsführer und Mitgründer der Aeditive GmbH. “Die Automatisierung von Abläufen auf dem Bau wird über kurz oder lang die einzige Lösung sein, um weiterhin die hohe Nachfrage zu bedienen.” Das Unternehmen aus Norderstedt hat ein innovatives 3-D-Druckverfahren entwickelt: Große Betonteile können auf einer Stahlpalette mithilfe eines Spritzverfahrens gedruckt werden. Der flüssige Beton wird dabei Schicht für Schicht aufgetragen. Die Bewehrung - das ist die Verstärkung des Betons durch Stahl oder andere Materialien - und andere Bauteile lassen sich während des Druckprozesses problemlos einbringen. “Dieses Verfahren beschleunigt die Vorfertigung von geometrisch anspruchsvollen Betonbauteilen erheblich”, sagt Türk. So ist etwa keine Schalung mehr nötig, die üblicherweise für den flüssigen Beton wie eine Gussform verwendet wird. Der studierte Mathematiker ist überzeugt, dass gerade die Vorfertigung von Teilen weiter an Bedeutung gewinnt. “Der 3-D-Druck ermöglicht eine deutlich größere Effizienz und Flexibilität. Er wird zudem der angespannten Fachkräftesituation gerecht.”
Auch würden die Arbeitsplätze durch die Automatisierung und die damit verbundenen fachlichen Ansprüche aufgewertet. Die Kunden von Aeditive erhalten eine Komplettlösung. „Unsere Anlage besteht aus zwei Robotern, einer eigenen Mischanlage, die den Beton je nach Verwendung anmischt, und der Software, die alle Fertigungsprozesse verbindet. “Wir beschäftigen uns mit einem komplexen Feld, das viele Disziplinen miteinander verbindet. Für unsere Kunden soll es aber so einfach wie möglich sein.” Dass Türk mit seiner Einschätzung richtigliegt, zeigt der Erfolg des 2019 gegründeten Start-ups. “Wir haben kürzlich die zweite Finanzierungsrunde erfolgreich bestanden und werden in den nächsten Monaten von zwölf auf 20 Teammitglieder wachsen.”
Tablet und Zollstock
Um Effizienz geht es auch bei der Baugeschäft Sievers GmbH & Co. KG. Seit mehr als 100 Jahren ist das Familienunternehmen aus Kropp im Kreis Schleswig- Flensburg bereits im Baugeschäft tätig. “Das gelingt nur, wenn man mit der Zeit geht”, sagt Oliver Rieper, Controller bei Sievers und verantwortlich für die Einführung einer neuen Software. “Den nächsten Schritt zu gehen, bedeutet für uns, alle Prozesse zu digitalisieren.” Ob Rechnungsmanagement, Arbeitszeiterfassung oder Baustellendokumentation - digitale Prozesse können das Arbeiten einfacher gestalten. “Wir wollen so noch besser werden und den Zeitaufwand für Standardaufgaben senken.” Was in anderen Branchen längst Einzug gehalten hat, ist auf dem Bau oft noch die Ausnahme: Ein digitales Bautagebuch und Baumanagement sind Topthemen der Branche - das zeigt der Digitalisierungsindex der Telekom in einer aktuellen Studie. “Viele haben die Krise im vergangenen Jahr genutzt und in die Digitalisierung investiert”, so Rieper. Es bleibe allerdings noch Luft nach oben.
“Auch künstliche Intelligenz als Basis für Planungen und Kalkulationen wird für uns wichtig werden.” Unterstützung bei der Digitalisierung hat sich Rieper bei dem Schleswiger Unternehmen Molteo geholt. Der Dienstleister bietet seinen Kunden eine Softwarelösung für Personalplanung, Zeiterfassung, Baudokumentation und Projektplanung. “Zettel und Stift haben ausgedient. Mit unserer Software können Unternehmen alle Projekte im Blick behalten und unkompliziert per Tablet oder Smartphone steuern”, sagt Jonas Stamm, Geschäftsführer bei Molteo. Doch nicht nur unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sei die Digitalisierung ein Gewinn, so Rieper. “Gerade jüngere Mitarbeitende fordern digitale Lösungen von ihrem Arbeitgeber.” Dafür waren Investitionen nötig. „Ein Tablet gehört bei uns jetzt dazu wie der Zollstock und die Sicherheitsschuhe.”
Nachhaltig bauen
Den Schritt in die Zukunft wagt auch Tim Lange. Der Unternehmer aus Hohenaspe im Kreis Steinburg handelt mit Baustoffen aus Hanf. “Es ist kein Allheilmittel, aber eine gute Alternative, um eine Wende im Bau herbeizuführen.” Lange vertreibt mit seinem Unternehmen von Hanf e. K. Steine, Bauplatten und Akustikplatten aus Hanf. “Im Prinzip lässt sich alles aus Hanf bauen. Das Material ist längst erprobt und europaweit in der Sanierung und bei Neubauten im Einsatz”, so Lange. Die Vorteile lägen auf der Hand, ergänzt Ehefrau und Unterstützerin Julia Lange. “Hanf ist schnell wachsend, bindet CO2 in erheblichem Maße und verfügt über herausragende bauphysikalische Eigenschaften.” 120 Tage brauche Hanf von der Aussaat bis zur Ernte, sechs Monate, bis der Baustoff entstanden sei. “Holz kann hier kaum konkurrieren”, so Julia Lange. Die Hanfsteine entstehen im energie-armen Kaltluftverfahren. Der angebaute Hanf wird zunächst von Fasern und Blättern getrennt und dann mit Naturkalk und Wasser vermischt, anschließend in Form gepresst und luftgetrocknet.
“Allein dabei wird zusätzlich CO2 gebunden. 100 Kilogramm speichern 75 Kilogramm CO2 dauerhaft ein”, so Julia Lange. Neben der guten Ökobilanz ist der Baustoff zudem atmungsaktiv und sorgt für ein angenehmes Klima. “Die Hanfsteine kühlen im Sommer und wärmen im Winter. Es ist keine zusätzliche Dämmung nötig. Entscheidet man sich für 40 Zentimeter breite Steine, lässt sich ein Passivhaus bauen”, sagt Tim Lange. Zwei bis drei Hektar Land sind nötig, um genügend Biomasse für ein Einfamilienhaus zu ernten. “Hanf lässt sich als Zwischenfrucht pflanzen und dank der langen Pfahlwurzeln wird Stickstoff in die Erde eingebracht. Das heilt sogar stark genutzte landwirtschaftliche Flächen.” Um die Klimaziele zu erreichen, werde sich auch die Bauwirtschaft auf Ökobilanzen einstellen müssen.
“Mit Hanf haben wir einen geeigneten Rohstoff, der haltbar sowie zu 100 Prozent recycelbar ist und ausgezeichnete Eigenschaften besitzt”, so der Unternehmer. Mittelfristig möchte Tim Lange auch regional selbst produzieren. Zunächst steht jedoch der Handel im Vordergrund. “Die Natur kann wahnsinnig viel leisten, und damit müssen wir arbeiten, um zukunftsfähig zu bleiben.“
René Koch
Veröffentlicht am 31. August 2021
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