Innovative Wohnkonzepte

Der Mensch im Mittelpunkt

Wie werden wir in Zukunft wohnen? Tradition, Gemeinschaft und Ökologie - das sind drei Aspekte moderner Wohnkonzepte. Peter Berg vom Handelsverein Flensburg e. V., Tanja Christoff von der Conplan Projektentwicklungsgesellschaft mbH & Co. KG und Ilse Töpfer vom Helgoland Tourismus-Service erzählen von ihren Projekten.
Was tun, wenn man in Not gerät? Die Flensburger Kaufmannschaft fand vor rund 100 Jahren eine Antwort darauf: Durch den Neubau einer Altenwohnanlage sollten alte und in Not geratene Kaufleute kostengünstigen Wohnraum erhalten. In den 80er-Jahren übernahm der Handelsverein Flensburg die Trägerschaft der Stiftung Altenwohnungen.
"Natürlich richtet sich das Angebot heute nicht mehr ausschließlich an Angehörige des Kaufmannstandes. Der Wohnraum ist für all diejenigen, die sich in einer Notlage befinden - das haben wir mit einer entsprechenden Satzungsänderung besiegelt", erklärt Peter Berg, ehemaliger Vorsitzender des Handelsvereins. Berg hat sich dafür eingesetzt, auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. "Während meiner Amtszeit haben wir uns entschieden, einen Neubau zu finanzieren."
So entstanden 15 Wohnungen auf einem bereits vorhandenen Grundstück in Flensburg. "Das war nicht gerade leicht zu stemmen für uns. Es hat viel Planung gekostet, das Projekt schließlich so zu finanzieren, dass die Kostenstruktur stimmt", erklärt Berg. Und das alles sei im Ehrenamt - Berg leitet ein Bestattungshaus - auch zeitlich nicht einfach gewesen. "Es lohnt sich, hier zu investieren. Die Zahl der Menschen, die sich bei uns um eine Wohnung bewerben, zeigt, wie groß der Bedarf ist."
Investiert haben auch Spender, die von der Idee überzeugt sind. "Dafür sind wir dankbar. Ohne Spenden ginge es nicht", so Berg. Insgesamt betreibt die Stiftung Altenwohnungen damit drei Wohnhäuser in Flensburg. "Bezahlbares Wohnen im Alter ist ein Thema von äußerster Relevanz - das gilt heute wie auch vor 100 Jahren."

Ökologie und Gemeinschaft

Um Gemeinschaft geht es auch beim Projekt "Am Krögen" in Bargteheide. "Wir betreiben keinen Massenwohnungsbau. Im Gegenteil. Baugemeinschaften sind Kerne, die eine Nachbarschaft stabilisieren und eine Identität schaffen", erklärt Tanja Christoff, projektverantwortlich bei Conplan. 42 Wohneinheiten - darunter Mehrfamilien- und Einfamilienhäuser - realisiert die Entwicklungsgemeinschaft in dem Ort im Kreis Stormarn.
"Wir planen große Gemeinschaftsflächen und Räume, Coworking-Spaces sowie Gästeapartments." Dank einer Tiefgarage soll das Gebiet weitestgehend autofrei sein. "Familienfreundlichkeit bedeutet auch, dass Kinder gefahrlos draußen spielen können", so Christoff.
Doch nicht nur Familien stehen im Fokus. Auch ältere Menschen, die gern Kinder um sich haben, profitieren von dem Konzept. Man könne einander helfen und füreinander da sein. Neben der Gemeinschaft gehe es dabei auch um Ökologie, erläutert Tanja Christoff: "Wir planen das Projekt mit eigener Energieversorgung und legen beim Bau viel Wert auf Energieeffizienz."
Ein eigenes Blockheizkraftwerk, Fotovoltaik, Gründächer und Regenwasser­management - nahezu autark lasse es sich "Am Krögen" leben. Um einen Platz zu bekommen, müsse man jedoch auch ein paar Hürden nehmen: "Zunächst geben Interessenten einen Steckbrief von sich ab. Dann geht es bei Treffen mit den bisherigen Käufern darum, einander kennenzulernen. Nur wenn alle einverstanden sind, erhält der Interessent auch einen Platz", erklärt Christoff. Damit wolle man bewusst die Gemeinschaft beteiligen und stärken. "Darum geht es ja schließlich auch bei diesem Projekt."

Papphäuser auf Helgoland

Ökologie steht auf der Helgoländer Düne im Vordergrund. Dort hat die Gemeinde Helgoland die ersten zwei Wikkelhouses Deutschlands gebaut. "Wir ersetzen dadurch die in die Jahre gekommenen sogenannten Robinson-Bungalows", erklärt Ilse Töpfer, Mitarbeiterin beim Helgoland Tourismus-Service. Wikkelhouses sind kleine Häuser, die in modularer Bauweise errichtet werden. "Unser kleines Haus besteht aus vier Modulen, das große aus sechs."
Jedes Modul misst in der Tiefe 1,20 Meter - bei einer Breite von 4,50 Metern und einer Höhe von 3,50 Metern. Urlaub auf 25 Quadratmetern. Das Besondere: Die Häuser bestehen überwiegend aus Pappe. "Die Module entstehen, indem Pappe in 24 Schichten um einen Metallkern gewickelt wird. Dieser Kern wird dann im Anschluss entfernt", so Töpfer. Verkleidet sind die Häuser innen und außen mit Holz. "Ich habe selbst bereits in einem der Häuser übernachtet; die Atmosphäre ist ganz anders als in einem normalen Ferienhaus."
Das Holz strahle Gemütlichkeit aus und das Raumgefühl sei einfach ganz besonders. "Alle Ecken sind rund", so Töpfer. Durch die Wickeltechnik gibt es in den Häusern keine rechten Winkel. Die beiden Wikkelhouses auf Helgoland sollen Touristen die Möglichkeit bieten, ökologisches Wohnen auf kleinstem Raum auszuprobieren. "Wir planen weitere Häuser zu errichten. Vorher wollen wir jedoch Erfahrungen sammeln." Strom gebe es im Haus, Küche und Nasszellen in unmittelbarer Nähe auf dem Campingplatz. Halten sollen die Häuser laut Herstellerangaben mindestens 50 Jahre. "Natürlich nur bei der richtigen Pflege. Etwa alle zwei bis drei Jahre muss die Außenverkleidung behandelt werden", erklärt Töpfer. Gefertigt werden die einzelnen Module in Amsterdam, aufgebaut vor Ort. "Wir können die Häuser jederzeit auch wieder zerlegen und woanders aufbauen."
Die Wikkelhouses lassen sich der Tinyhouse-Bewegung zurechnen - Wohnen auf kleinstem Raum und örtlich flexibel. "Wikkelhouses sind ein gutes Beispiel für das Wohnen der Zukunft. Ökologie und Flexibilität kommen hier wunderbar zusammen." Denn: Die Papphäuser lassen sich zu 100 Prozent recyceln.
Die Projekte zeigen: Beim Wohnen der Zukunft geht es nicht nur darum, eine Unterkunft zu finden. Wohnraum muss bezahlbar sein - für jeden. Er muss den steigenden Anforderungen der Umwelt gerecht werden - und nicht zuletzt dem Anspruch der Menschen auf Identität und Gemeinschaft.
René Koch
Veröffentlicht am 3. September 2019
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