Frau Döring, mehr als die Hälfte des Jahres 2024 ist vorbei. Wie steht die Wirtschaft in der Region in der Halbzeitpause da?
Elke Döring: Eher bescheiden, das kann man nicht anders sagen. Wir hatten Anfang des Jahres nach einem überaus schwierigen 2023 gehofft, dass sich die Situation der Unternehmen im Laufe des Jahres wieder bessert und die Stimmung sich deutlich aufhellt. Das ist nicht der Fall, auch wenn sich aktuell eine Belebung der Auftragslage in der Industrie abzeichnet.
Woran liegt es, dass die Wirtschaft nicht wieder an Fahrt aufnimmt?
Elke Döring: Vieles hat mit den internationalen Krisen und mit den Kriegen zu tun. Die wirtschaftliche Weltordnung sortiert sich neu und fordert die westlichen Industrienationen heraus. Das verunsichert die Unternehmen und verlangt ihnen eine Neuausrichtung ab. Das trifft alle, in Deutschland kommt aber noch ein dramatischer Vertrauensverlust der Wirtschaft in die Politik hinzu. Es ist zum Verzweifeln: Die Ampelkoalition lässt jeden klaren politischen Kurs vermissen. Schlimmer noch: Sie bewegt sich gar nicht oder unzureichend. Es gibt gute wirtschaftspolitische Ansätze, aber von einer großen Agenda, die den Unternehmen Zuversicht gibt und deren Investitionsbereitschaft ankurbelt, ist weit und breit nichts zu sehen. Dass die Wirtschaft stagniert, sich zum Teil im freien Fall bewegt, hängt auch damit zusammen, dass seit langem bekannte Probleme einfach nicht angegangen und stattdessen Großprojekte wie die Energiewende mit schöner Regelmäßigkeit in den Sand gesetzt werden.
Welche Probleme sind das?
Elke Döring: Die altbekannten: ausufernde Bürokratie, Fachkräftemangel, niedrige Produktivität, hohe Energie-, Arbeits- und Materialkosten. Das sind die Themen, die in unseren Konjunkturumfragen immer an erster Stelle der Geschäftsrisiken stehen. Aber das Geschäftsrisiko Wirtschaftspolitik wird auch immer häufiger genannt. Das zeigt: Die Unternehmen sind unzufrieden, frustriert und reagieren, wie Unternehmen nun mal reagieren: Sie ziehen sich zurück, wandern mitunter ab und orientieren sich neu.
Aber nicht allen Unternehmen geht es schlecht.
Elke Döring: Natürlich nicht, aber zu wenigen geht es wirklich gut, zu wenige blicken zuversichtlich in die Zukunft und zu viele haben den Glauben an den Standort verloren. In unserer Mittelstandsregion haben wir viele Unternehmen, die ein eiserner Durchhaltewille auszeichnet. Das hat die Region schon immer stark und widerstandsfähig gemacht. Doch auch die beste unternehmerische Resilienz hat ihre Grenzen.
Was haben wir von der IHK Heilbronn-Franken im zweiten Halbjahr zu erwarten?
Elke Döring: Dass Sie sich weiter einmischt, dass sie nicht aufhört, gemeinsam mit unserer Dachorganisation, der DIHK, die Herausforderungen und Probleme der Unternehmen an die Politik zu adressieren, Alternativen und Lösungsvorschläge aufzeigt und sie beim Wort nimmt, wenn sie verspricht, die Probleme anzupacken und die Hürden aus dem Weg zu räumen. Das ist schon mühsam genug. Wir wollen aber nicht nur meckern, sondern wir engagieren uns ganz im Sinne unserer Unternehmen für die Zukunftsfähigkeit der Region. Mit unseren strategischen Schwerpunktthemen Künstliche Intelligenz, Wasserstoff und GovTech besetzen wir die entscheidenden Zukunftsfelder und treiben die Entwicklung mit unseren Partnern und Netzwerken – etwa im Dialog Zukunft - voran.
Ist die Region zukunftsfähig?
Elke Döring: Sie ist auf einem guten Weg, auch im Wettbewerb der Regionen bei den großen Zukunftsthemen ganz vorn mitzuspielen. Das IPAI, der Innovationspark für Künstliche Intelligenz, ist ein Glücksfall für Heilbronn und die Region. Nirgendwo sonst haben Unternehmen die Möglichkeit, KI-Anwendungen so direkt und mit dem bestmöglichen Knowhow individuell zu entwickeln und anzuwenden. Das ist ein Technologievorsprung, der in vielen Bereichen für die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der Unternehmen entscheidend sein wird. Und wir sind mit unserem KI-Transferoffice KITO mittendrin. Wenn dann noch die Standortbedingungen, wie etwa die Infrastruktur, angepasst werden, stimmt eigentlich alles.
Die Infrastruktur ist auch so ein Dauerbrenner-Thema.
Elke Döring: Richtig, der A6-Ausbau dauert zu lange, die Digitalisierung kommt zu langsam voran, auf der Schiene bewegt sich zu wenig und auf den Neckar als zukunftsfähigem und umweltfreundlichem Transportweg brauchen wir auch mittel- bis langfristig nicht zu setzen. Das ist ein echtes Dilemma: Einerseits entsteht in Heilbronn eines der modernsten Hightech-Zentren, ein deutsches Silicon Valley, andererseits reist man in die Universitätsstadt mit der Regionalbahn an, wenn man den Anschluss in Würzburg oder Mannheim nicht verpasst hat. Das erklären Sie mal einer ausländischen Fachkraft, die sie für die Region begeistern wollen.
Wer mit so großen Namen wie Fraunhofer, TU München oder der ETH Zürich aufwarten kann, der wird natürlich international interessant.
Elke Döring
Aber ganz offensichtlich finden sich ja Menschen aus vielen Ländern, die in Heilbronn und der Region studieren oder an der KI-Zukunft mitgestalten wollen.
Elke Döring: Weil die Inhalte und Angebote stimmen. Wer mit so großen Namen wie Fraunhofer, TU München oder der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich aufwarten kann, der wird natürlich international interessant – auch ohne Fernzuganschluss.
Personal wird aktuell überall gesucht, auch bei der IHK?
Elke Döring: Ja klar. Vor allem aber auch im Ehrenamt. Unsere Ehrenamtlichen sind eine tragende Säule der IHK-Arbeit. Es ist schön zu sehen, dass Menschen, die einen ausgefüllten Terminkalender haben, bereit sind, sich in unserer Vollversammlung für die Belange der regionalen Wirtschaft einzusetzen. Oder sich als Prüferinnen und Prüfer der dualen Ausbildung verschrieben haben. Ganz ohne sind diese ehrenamtlichen Aufgaben schon lange nicht mehr. Unsere Prüferinnen und Prüfer müssen sich auch gesellschaftlichen Realitäten anpassen und sehen sich so manchem Konfliktfall gegenüber. Sie wissen aber, dass die duale Ausbildung die Fachkräfte von morgen sichert und eine der Stärken unserer Wirtschaft ist. Deshalb brauchen wir Prüferinnen und Prüfer und können nur an alle Menschen und Betriebe appellieren, sich im Prüfungswesen zu engagieren. Besuchen Sie unseren Welcome-Day und machen Sie mit. Es lohnt sich.
Dem Fachkräftemangel will auch die „Bildungsflotte 2030“ entgegenwirken. Was hat es damit auf sich?
Elke Döring: Die Bildungsflotte ist eines unserer Highlights in diesem Jahr. Die Vollversammlung hat sie gerade erst auf den Weg geschickt, und sie wird jetzt Fahrt aufnehmen. Ziel ist es, die duale Ausbildung als Kernstück der Fachkräftebildung zu verankern und durch moderne, flexible Bildungsangebote zu erweitern. Und damit das alles auch möglichst schnell umgesetzt werden kann, kommen sogenannte Schnellbote zum Einsatz, mit denen wir zum Beispiel an den Bedürfnissen der Auszubildenden ausgerichtete Ausbildungsformate, Programme für Quereinsteigerinnen und -einsteiger sowie sogenannte Anpassungsqualifikationen voranbringen wollen. Darüber hinaus übernimmt die IHK ab Januar 2025 die Anerkennung von nicht formal erworbenen Kompetenzen. Damit dürften den Unternehmern künftig deutlich mehr qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen.
Die IHK schreibt noch in diesem Jahr den mit 30.000 Euro dotierten Preis „Jugend macht Zukunft – meine Stadt - mein Leben – meine Zukunft“ aus.
Elke Döring: Genau, das war eine Idee unserer Präsidentin Kirsten Hirschmann. Mit diesem Preis wollen wir eine ganze Generation in unserer Region dazu ermuntern, sich an der Entwicklung ihres Lebensumfeldes zu beteiligen. Mitzumachen, wenn es darum geht, den Arbeitsplatz der Zukunft, die Stadt der Zukunft, Freizeit und Leben zu gestalten. Eine vergleichbare Initiative gab es in unserer Region bisher noch nicht, und wir sind gespannt, welche Initiativen und Projekte sich für den „Jugend macht Zukunft“-Preis bewerben.
Wann stehen die Preisträgerinnen und Preisträger fest?
Elke Döring: Ausgeschrieben wird der Preis noch in diesem Jahr, verliehen Mitte kommenden Jahres.
Was wünschen Sie sich bis zum Ende des Jahres?
Elke Döring: Einen politischen Masterplan, der unsere Unternehmen wieder mit Zuversicht in den Standort investieren lässt – und zwar schnellstmöglich.
Info: Detaillierte Informationen zu den angesprochenen Projekten gibt es auf der Webseite der IHK Heilbronn-Franken
www.ihk.de/heilbronn-franken