In vielen KMUs in Deutschland ist die ungelöste Frage der Unternehmensnachfolge ein aktuelles Thema. Die Nachfolge kann einerseits durch interne Lösungen umgesetzt werden, durch die Nachfolge an die eigenen Kinder innerhalb eines Familienbetriebs oder den sukzessiven Verkauf von Anteilen an Mitglieder der obersten Führungsebene. Andererseits besteht die Möglichkeit der externen Nachfolge. Dies beinhaltet den Verkauf von Unternehmensanteilen an einen strategischen Käufer, Finanzinvestor oder nicht zuletzt einen Privatinvestor, der selbst in die Geschäftsführung einsteigen möchte – man spricht hier auch von einem Management-Buy-in.
Der Verkauf von Anteilen geht in der Regel mit einem Transaktionsprozess einher. Ein Teil dieses Prozesses beschäftigt sich mit der Frage des Unternehmenswerts oder konkret: „Für wie viel Euro sollte oder kann ich mein Unternehmen verkaufen?“
Klärung von Begrifflichkeiten: Unternehmenswert und Kaufpreis
Häufig werden die Begriffe Unternehmenswert und Kaufpreis synonym verwendet. Dabei gibt es hier entscheidende Unterschiede, die man kennen sollte, um sicher durch den Prozess einer Unternehmensnachfolge zu gelangen.
Der (Brutto-)Unternehmenswert spiegelt den theoretisch ermittelten Wert eines Unternehmens und basiert auf finanziellen und nicht-finanziellen Faktoren. Es gibt nicht den einen richtigen oder falschen Unternehmenswert. Denn zum einen gibt es unterschiedliche Berechnungsmodelle mit verschiedenen Schwerpunkten. Zum anderen gibt es innerhalb eines Bewertungsverfahrens nicht die eine korrekte Antwort, da es sich hierbei um theoretische Modelle handelt, die auf diversen Annahmen beruhen und damit einen Spielraum zulassen.
Wichtig zu verstehen ist auch, dass nur wenige Verfahren eine relevante Rolle für KMUs spielen. Eines der etabliertesten Verfahren für mittelständische Unternehmen ist das Multiplikatorverfahren. Daneben gibt es einen sehr praxisorientierten Ansatz, das sogenannte anonyme Bieterverfahren. Beide Verfahren sollen im weiteren Verlauf näher beleuchtet werden. Je nach Größe, Industrie und Wachstum können noch weitere Berechnungsmethoden herangezogen werden. Hierzu zählen das Discounted-Cashflow-Verfahren, das Ertragswertverfahren sowie das Substanzwertverfahren.
Das Ergebnis der meisten Bewertungen spiegelt dabei allerdings nicht das Ergebnis aus Angebot und Nachfrage wider, sondern lediglich eine theoretische Größe. Ungeachtet dessen dienen sie jedoch oftmals Käufern und Verkäufern als Anhaltspunkt zur Findung eines Unternehmenspreises.
Der Kaufpreis ist schließlich der Betrag, der dann tatsächlich konkret für den Erwerb aller Anteile (Share Deal bei einer Kapitalgesellschaft) oder aller Vermögensgegenstände (Asset Deal) eines Unternehmens gezahlt wird. Er kann – und wird in der Regel – aufgrund verschiedener Faktoren vom vorher ermittelten Unternehmenswert abweichen. Die Ursache hierfür ist die sogenannte Überleitungsrechnung vom Brutto-Unternehmenswert zum tatsächlichen Eigenkapitalwert zum Stichtag. Ein sehr einfaches Beispiel sind vorhandene Bankverbindlichkeiten, die dem Unternehmenswert abgezogen werden und somit den Wert des Eigenkapitals reduzieren. Jedoch gibt es auch sehr viel speziellere Detailthemen wie Anpassungen des Kaufpreises auf Basis des zum Stichtag vorhandenen Umlaufvermögens und weitere.
Weitere Faktoren, die den Unternehmenswert im deutschen Mittelstand (KMUs) beeinflussen
Marktumfeld und Finanzierungssituation:
Das Marktumfeld, in dem ein KMU operiert, spielt eine wesentliche Rolle bei der Bestimmung seines Werts. Faktoren wie die allgemeine Wirtschaftslage, Branchentrends und die Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen beeinflussen deutlich die Umsatz- und Gewinnentwicklung. Eng damit verbunden ist die Finanzierungssituation des Unternehmens. Eine solide Kapitalstruktur und Finanzierung mit einem gesunden Mix aus Eigen- und Fremdkapital kann den Unternehmenswert steigern, indem sie Stabilität und Wachstumspotenzial signalisiert.
Unternehmerlohn:
In vielen KMUs fließt der Unternehmerlohn direkt in die Berechnung der Rentabilität des Unternehmens ein. Ein angemessener Unternehmerlohn, der den Marktkonditionen entspricht, kann den wahren Wert des Unternehmens widerspiegeln und zu einer realistischen Bewertung beitragen.
Unternehmerabhängigkeit:
Eine starke Abhängigkeit des Unternehmens vom Unternehmer stellt ein Risiko dar. Firmen, deren Erfolg eng mit der Person des Unternehmers verknüpft ist, können bei einem Führungswechsel an Ertragskraft verlieren. Demgegenüber steht ein gut strukturiertes Managementteam, das die Nachhaltigkeit und Stabilität des Geschäftsmodells unterstreicht und so den Unternehmenswert erhöht.
Kunden- und Produktdiversifikation:
Die Diversifikation von Kunden und Produkten reduziert das Risiko der Abhängigkeit von einzelnen Großkunden oder spezifischen Produkten. Ein breit aufgestelltes Portfolio kann die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens gegenüber Marktveränderungen verbessern und somit den Wert steigern.
Wettbewerbsumfeld:
Auch das Wettbewerbsumfeld beeinflusst den Unternehmenswert. Ein KMU, das in einem Markt mit hohem Wettbewerbsdruck operiert, könnte tendenziell niedriger bewertet werden als eines in einem weniger umkämpften „nischigeren“ Segment. Auch die Marktanteile und die Positionierung des Unternehmens können hier eine signifikante Rolle einnehmen.
Markteintrittsbarrieren:
Vorhandene Markteintrittsbarrieren können den Wert eines Unternehmens positiv beeinflussen. Sind diese Barrieren hoch, etwa durch Patente, hohe Investitionserfordernisse oder eine starke Markenbekanntheit, ist es für neue Wettbewerber schwieriger, in den Markt einzutreten. Dies kann die Marktposition und damit den Wert bestehender Unternehmen in der Branche stärken.
Christian Inci, Unternehmensberater aus Frankfurt