Hier geht was!

Belohnung für Mut zur Veränderung

Die Gemeinde Alleshausen geht als Sieger der Initiative zum Bürokratieabbau hervor, die IHK und SÜDWEST PRESSE gestartet haben. Die Itomatics GmbH hat eine digitale Lösung entwickelt.
Früher mussten Eltern ein mehrseitiges Formular ausdrucken, ausfüllen und abschicken. Dann wurden diese Angaben und Wünsche der Eltern im Rathaus umständlich erfasst. Damit war eine Mitarbeiterin etwa 90 Stunden lang beschäftigt. Anschließend bekam die Schule die Ergebnisse übermittelt.
Mittlerweile geht das Ganze –nämlich das Erfassen der gewünschten Betreuungszeiten vor und nach dem Unterricht in der Grundschule –digital: Eltern können sowohl die jährliche Anmeldung als auch kurzfristige Änderungen wegen Krankheit am Smartphone, am Tablet oder am PC erledigen; im Rathaus hat sich der Aufwand auf etwa zehn Stunden Arbeitszeit reduziert; und in der Schule können die Betreuungskräfte jetzt auf einen Blick sehen, welche Kinder da und welche krankgemeldet sind, ob am Mittagessen Vegetarier teilnehmen, wann und wie die Kinder nach Hause kommen.
Möglich macht es eine Internet-Plattform, welche die Ulmer IT-Firma Itomatics für die Gemeinde Alleshausen (Kreis Biberach) entwickelt hat. Für den „Mut, eine solche innovative Lösung einzuführen, die Dinge wirklich einfacher macht“, so IHK-Geschäftführerin Petra Engstler-Karrasch, wurde Patrick Hepp, der Bürgermeister von Alleshausen, jetzt belohnt. Und zwar im Rahmen der Initiative zum Bürokratieabbau vor Ort „Hier geht was“, die IHK und SÜDWEST PRESSE im Frühjahr 2024 gemeinsam ins Leben gerufen haben. Patrick Hepp ist seit 2021 ehrenamtlicher Bürgermeister von Alleshausen, das 550 Einwohner hat und zum Verwaltungsverband Bad Buchau gehört. Mit 40 Prozent seiner Arbeitszeit ist er im Alleshauser Rathaus, mit den anderen 60 Prozent weiter in der Industrie tätig.
Hepp ist das Arbeiten in standardisierten Prozessen gewohnt und sagt: „Wir müssen der Verwaltung Vorgänge digitalisieren, um Zeit zu gewinnen.“ Anfangs waren 10 bis 15 Kinder in der Grundschulbetreuung, mittlerweile sind es rund 50. Eine „analoge Zettelwirtschaft“ hat da ausgedient. Und nicht nur die Änderungen von Betreuungszeiten laufen über die digitale Plattform, sondern die Eltern bekommen ihre Bescheide per E-Mail, und das Bezahlen läuft per Lastschriftmandat, welches mit dem kommunalen Buchungssystem vernetzt ist. „Das erleichtert uns viel, sowohl für die Verwaltung als auch für die Eltern“, sagt Bürgermeister Hepp. Damit alle vom neuen System profitieren, wurde eigens eine Sprechstunde im Rathaus eingerichtet – insbesondere für Menschen, die erst eine Sprachbarriere zu überwinden haben.
Die Entwickler von Itomatics, deren Chefs Carlos Schmidt und Oliver Specht ebenfalls bei der Preisverleihung waren, haben den Prototyp der digitalen Plattform kostenlos entwickelt. Die Basis ist Microsoft, und Schmidt versichert, dass der Datenschutz auch für Kommunen gewährleistet ist. Bei diesem Stichwort warf IHK-Chefin Engstler-Karrasch ein: „Wir müssen eigentlich nochmal über unsere Datenschutz-Standards sprechen.“ Denn die Vorgaben seien oft viel zu kompliziert und führten ihrerseits zu einem ausufernden bürokratischen Aufwand.
Itomatics hat seine Plattform so entwickelt, dass sie sich ausweiten lässt. „Auf unser System kann jeder aufspringen, aber das Interesse ist gleich null“, berichtet Carlos Schmidt und kann darüber nur den Kopf schütteln. Petra Engstler-Karrasch wünscht mehr Kommunen den Mut, so schnell wie möglich auf digitale Prozesse zu setzen: „Mit dem jüngst beschlossenen dritten Entlastungspaket haben Kommunen die Beinfreiheit dafür“.
Auch SWP-Chefredakteur Ulrich Becker warb für eine grundsätzliche Offenheit gegenüber automatisierten Prozessen, wie sie in vielen Bereichen inzwischen zum Standard gehören: „Selbstverwaltung von Kommunen ist zwar gut, aber nicht sinnvoll, wenn alle die gleichen Probleme haben und dafür eine Lösung suchen.“ Er hofft, dass die kleine Gemeinde Alleshausen zum Vorbild für viele andere wird.
Bürgermeister Patrick Hepp kündigte an, dass er als nächsten Schritt der Ausweitung des digitalen Systems beispielsweise die Verwaltung des örtlichen Schwimmbads sieht. Er bekam von Engstler-Karrasch und Becker dann auch den Preis überreicht: einen überdimensionalen Paragrafen aus Brezelteig, der sich ganz unbürokratisch gleich verzehren und damit abbauen lässt.
Verena Schühly