23.08.2021

Pan-Europa-Mittelmeer-Zone: Neue alternative Ursprungsregeln

Einführung

2019 haben sich die EU und der Großteil der übrigen Mitgliedsstaaten des „Regionalen Übereinkommens über Pan-Europa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (PEM)“ auf modernisierte Ursprungsregeln geeinigt. Unternehmen können die neuen PEM-Regeln optional als Alternative zu den bisherigen Regeln nutzen, um Zölle im gegenseitigen Warenverkehr zu sparen. Am 1.9.2021 sind sie in Kraft getreten, allerdings zunächst nur mit einigen PEM-Ländern.

Modernisierte Ursprungsregeln

Das Erreichen des präferenziellen Ursprungs ist für Unternehmen durch die neuen PEM-Übergangursprungsregeln („transitional rules“) insgesamt deutlich leichter geworden. Zahlreiche Verbesserungen entsprechen dabei dem „DIHK-Ideenpapier für moderne Handelsabkommen“ (PDF). Wesentliche Vereinfachungen sind z.B.:
  • Produktspezifische Ursprungsregeln: Flexiblere und einfachere Be-/Verarbeitungsregeln für mehrere HS-Kapitel, wie z.B. die Streichung kumulativer Anforderungen, niedrigere Schwellenwerte für die lokale Wertschöpfung, Ergänzung weiterer alternativer Ursprungsregeln (z.B. chemische Reaktionen können Ursprung begründen).
  • Gleitender Durchschnittspreis: Der Wert der Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft kann bei mehreren Zulieferungen anhand von Durchschnittspreisen über einen gleitenden Zeitraum berechnet werden. Dadurch können z.B. ursprungsschädliche Schwankungen bei Einkaufspreisen und Wechselkursen ausgeglichen werden.
  • Toleranz bei Positionswechsel: Die Schwellenwerte für die Verwendung von Vormaterialien oder Komponenten ohne Ursprungseigenschaft werden für Industrieerzeugnisse von 10 % auf 15 % des Ab-Werk-Preises und für Agrarerzeugnisse von 10 % auf 15 % des Nettogewichts angehoben.
  • Buchmäßige Trennung: Nach den bisherigen Vorschriften konnten die Zollbehörden eine buchmäßige Trennung genehmigen, wenn „erhebliche Kosten oder wesentliche Schwierigkeiten bei der getrennten Lagerung auftreten“. Die geänderte Regelung (Art. 12) sieht vor, dass die Zollbehörden eine Genehmigung für die buchmäßige Trennung erteilen, „wenn fungible (austauschbare) Materialien verwendet werden“. D.h.: Der Exporteur muss bei der Beantragung einer Genehmigung zur buchmäßigen Trennung nicht mehr begründen, dass die getrennte Lagerung erhebliche Kosten verursacht oder zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Es reicht aus, darauf hinzuweisen, dass fungible (austauschbare) Materialien verwendet werden. Die neuen Regeln enthalten außerdem nicht mehr den Ausschluss für Textilien.
  • Duty Draw Back: Möglichkeit der Zollrückvergütung für die meisten Erzeugnisse.
  • Volle Kumulierung: Für die meisten Erzeugnisse können künftige auch Be- oder Verarbeitungsschritte bei der Kumulierung berücksichtigt werden, die für sich genommen keinen Präferenzursprung begründen (Wertschöpfungsanteile).
  • Nichtmanipulation statt Direktbeförderung: Nach dem Prinzip der Nichtmanipulation können Erzeugnisse, die durch andere Gebiete befördert werden, ihren Präferenzstatus auch dann behalten, wenn diese in Teilsendungen aufgeteilt werden. Dies trägt dem Trend hin zu regionalen Distributionszentren Rechnung.
  • Gültigkeitsdauer für Präferenznachweise: verlängert von 4 auf 10 Monate.
  • EUR-MED / Erklärung zum Ursprung (REX): Die EUR-MED und die Ursprungserklärung-MED entfallen. Zudem kann die EUR.1 künftig durch von registrierten Ausführern (REX) abgegebene Erklärungen zum Ursprung (EzU) ersetzt werden, sofern die übrigen PEM-Länder dem zustimmen.
  • Elektronische Erstellung und Austausch von Präferenzdokumenten wird ermöglicht.

Parallele Anwendung der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln / Durchlässigkeit

Da nicht alle PEM-Länder den neuen Ursprungsregeln zugestimmt haben (siehe unten), sind übergangsweise sowohl die alten als auch die neuen PEM-Ursprungsregelsysteme parallel anwendbar. Die Unternehmen können zwischen beiden Systemen frei wählen, und zwar sendungsbezogen. Entsprechend wird es übergangsweise zwei parallele Kumulierungszonen geben (siehe unten).
Obwohl die neuen, flexibleren Übergangsursprungsregeln laut EU-Kommission die alten, strengeren Ursprungsregeln zu 99 % automatisch mit erfüllen, ist eine Durchlässigkeit („permeability“) zwischen dem alten Ursprungsregelsystem („PEM 1.0“) und dem neuen Ursprungsregelsystem („PEM 2.0“) nach derzeitigem Stand nicht vorgesehen. Das bedeutet: Eine automatische Verwendung von „PEM 1.0“-Nachweisen bei Präferenzkalkulationen für Export- oder Kumulierungszwecke im Rahmen der neuen „PEM 2.0“-Regeln ist nicht möglich. Stattdessen ist vorgesehen, dass Exporteure die Anwendung der neuen Übergangsregeln explizit auf den Präferenzdokumenten (EUR.1, EzU, Ursprungserklärung) mit dem Zusatz „transitional rules“ bzw. „gemäß den Übergangsregeln“ vermerken müssen. Dies bedeutet in der Konsequenz auch, dass Exporteure bei ihren EU-Zulieferern (Langzeit-)Lieferantenerklärungen anfordern müssen, die ebenfalls einen solchen expliziten Zusatzvermerk je nach PEM-Land aufweisen.
Am 30.11.2022 hat die EU im Amtsblatt L 309 mit der VO (EU) 2022/2234 eine Änderung der Delegierten-Verordnung (EU) 2015/2447 bekannt gegeben. Die Änderungen sehen eine gewisse „Durchlässigkeit“ (permeability) bei der Nachweisführung innerhalb der EU-internen Lieferkette mittels Lieferantenerklärungen vor, die als Grundlage für die Ausfertigung von Ursprungsnachweisen für präferenzbegünstigte Exporte in die Mitgliedsländer des „Regionalen Übereinkommens über die Pan-Europa-Mittelmeer-Zone“ (PEM) dienen.
Der EU-Ausführer kann jetzt sowohl Lieferantenerklärungen gemäß den alten PEM-Ursprungsregeln (PEM 1.0) als auch gemäß den neuen „Übergangsursprungsregeln“ („transitional rules“, PEM 2.0) als Grundlage für einen Präferenznachweis gemäß den neuen „Übergangsursprungsregeln“ (PEM 2.0) nutzen.
Diese Vereinfachung gilt nicht für die HS-Kapitel 2, 4 bis 15, 16 (außer verarbeiteten Fischereierzeugnissen) und 17 bis 24.
Die Regelung gilt für alle Lieferantenerklärungen rückwirkend zum 1.9.2021.
Die EU-Kommission hat einen Leitfaden für Unternehmen zu den neuen PEM-Übergangsursprungregeln („transitional rules“) (PDF) veröffentlicht, einschließlich entsprechender Hinweise zur parallelen Anwendung der neuen und alten Regeln sowie zum Aspekt der (Nicht-)Durchlässigkeit.

Teilnehmer

20 der derzeit 23 Vertragsparteien des PEM-Abkommens beabsichtigen, die modernisierten Übergangsursprungsregeln anzuwenden. Dies sind die EU, die EFTA-Länder (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein), Färöer, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Palästinensische Gebiete, Türkei, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien, Kosovo, Moldau. Tunesien hat nach Auskunft der EU-Kommission kürzlich seine Absicht zur Teilnahme erklärt. Drei Länder beteiligen sich nicht an den neuen Regeln: Marokko, Algerien und Syrien.
EU-seitig wurden die erforderlichen Vorkehrungen zur geplanten Anwendung ab dem 1.9.2021 bereits am 7.12.2020 getroffen (siehe hierzu die entsprechenden Beschlüsse des europäischen Rates im EU-Amtsblatt L 424 vom 15.12.2020).

Ratifizierungsprozess

Die Anwendbarkeit der neuen Ursprungsregeln ist gegenwärtig nur mit einigen der 23 PEM-Länder möglich. Die Generalzolldirektion informiert in einer Tabelle auf dieser Internetseite zeitnah darüber, welche weiteren PEM-Länder die neuen "PEM 2.0-Regeln" ratifiziert haben.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rechnet nicht mit einer zeitnahen Ratifizierung der neuen Übergangsursprungsregeln durch alle bisherigen PEM-Länder. Auf absehbare Zeit wird es deshalb bei der jetzigen parallelen, alternativen Anwendbarkeit der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln bleiben.

Diagonale Kumulierung

Abgesehen von der Ratifizierung der neuen Ursprungsprotokolle im bilateralen Verhältnis mit der EU steht auch die Ratifizierung der neuen Ursprungsregeln der PEM-Länder untereinander an. Nur dann ist zusätzlich zur bilateralen Kumulierung auch die diagonale Kumulierung in der PEM-Zone möglich. Aufgrund der parallelen Anwendbarkeit der alten und neuen PEM-Ursprungsregeln wird es übergangsweise zwei Matrizen für Kumulierungszwecke nach alten und nach neuen PEM-Ursprungsregeln geben. Welche Länder die neuen Übergangsursprungsregeln untereinander bereits konkret anwenden können, ist der am 21.01.2022 im EU-Amtsblatt Nr. C 31 veröffentlichten Matrix zu entnehmen.
Quelle: DIHK