TECH.LAND

Teamwork für wirtschaftlichen Wasserstoff

In der TECH.LAND-Region kommen Nationen, Branchen und Forschungsdisziplinen zusammen. Das Wasserstoff-Projekt BOOST ist ein gutes Beispiel. | Text: Dominik Dopheide
Grüner Wasserstoff: Noch gibt es zu diesem Thema mehr Fragen als Antworten. Welches Herstellungsverfahren ist in welchen Anwendungsszenarien unter technischen und ökonomischen Aspekten die Lösung der Wahl? Wie müssen die Komponenten der Anlage beschaffen sein, und in welcher Größe sollten sie verbaut werden, damit am Ende alles funktioniert und zugleich wirtschaftlich ist? Eines ist schon jetzt sicher: Fehlplanungen können teuer werden in diesem Geschäft.
Doch Hilfe naht: Unter Federführung der FH Münster haben sich 17 Projektpartner und assoziierte Partner aus der TECH-LAND-Region zum Interreg-VI-Förderprojekt BOOST zusammengefunden, um ein wirkungsvolles und frei verfügbares Instrument zur Planung von Wasserstoffprojekten zu entwickeln. „Wir erstellen einen softwarebasierten Werkzeugkasten, der seine Anwender in die Lage versetzen wird, Elektrolyseure detailliert zu konzipieren, Entwürfe miteinander zu vergleichen und die Planungszeiten zu reduzieren“, erklärt Dr.-Ing. Elmar Brügging, Professor am Fachbereich „Energie, Gebäude, Umwelt“ der FH Münster, Standort Steinfurt. Brügging begleitet das Vorhaben gemeinsam mit dem Projektingenieur Kirill Resnikow wissenschaftlich und hält als Moderator des Entwicklungsprozesses kontinuierlich Kontakt zu allen Kooperationspartnern – darunter die industriellen Partner BEN-Tec, HyGear, Pondera und Powerspex sowie die Hochschulen Saxion Hogeschool und die University of Twente. Zu den assoziierten Partner, die das Konsortium beratend begleiten, gehören u.a. die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Oost NL, das Zentrum für Brennstoffzellentechnik und die NWBA (Nederlandse Waterstof en Brandstofcel Associatie). „Das Projekt erfordert die Kombination unterschiedlichster Branchen und Kompetenzen, entsprechend haben wir das Konsortium zusammengestellt“, begründet Brügging den großen Kreis der Projektpartner.
Das Projekt BOOST wird im Rahmen des Interreg VI-Programms Deutschland-Nederland durchgeführt und mit 1.097.783 Euro durch die Europäische Union, das niederländische Wirtschaftsministerium (EZK), das MWIKE NRW und das MB Niedersachsen sowie die Provinzen Overijssel und Gelderland gefördert.Für das grenzüberschreitende Zusammenspiel von Wirtschaft, Forschung und Verwaltung ist BOOST somit beispielhaft. Dass mit dem niederländischen Unternehmen Powerspex Instrumentation b.v. auch ein Spezialist für Simulationssoftware an Bord ist, hat guten Grund: „BOOST ist ein Projekt, in dem ein digitales Tool für eine Vorab-Simulation entwickelt wird “, erklärt Brügging. Es gehe darum, bereits im Vorfeld Informationen über die Anforderungen an die Wasserstoffsystemtechnik zu gewinnen um auf ökonomische Daten schließen zu können, die bisher erst bei laufendem Betrieb erhoben werden konnten. Mit solchem Erkenntnisgewinn ließe sich viel Lehrgeld sparen. Doch zunächst muss der Werkzeugkasten mit Daten gefüllt werden. Viele Faktoren, eine SoftwareAn dieser Stelle kommt die in Emsdetten ansässige BEN-Tec GmbH ins Spiel. „Wir bringen die Erfahrungswerte, die wir selbst gesammelt haben, in das Projekt ein“, beschreibt Geschäftsführer Sebastian Niehoff den Arbeitsauftrag. Der Ingenieur verweist auf verschiedene Anwendungssituationen, die jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Wasserstoffproduktion stellen. Im produzierenden Gewerbe etwa sei der Bedarf vorausschauend zu bestimmen. „Wenn wir aber Wasserstoff für die Mobilität herstellen wollen, müssen wir mit einer wellenförmigen Nachfrage rechnen“, weiß Niehoff, dessen Unternehmen gerade drei Elektrolyseure für Tankstellen konzipiert hat. Selbst für das Anwendungsszenario an der Zapfsäule gibt es keine universelle Lösung, weil sich Lastprofile stark unterscheiden. So müsse für die H2-Produktion an einer urbanen Tankstelle möglichicherweise eine andere Anlagengröße und eine anderes Elektrolyseverfahren gewählt werden als für den Standort am Autobahnkreuz mit ständigem Durchfluss, erklärt Niehoff. „Die Wasserstoffproduktion ist eine mit hohen Anforderungen belegte Technologie“, bekräftigt Brügging. Unternehmen, die mit grünem H2 das Erdgas ersetzen wollen, müssten sich Gedanken machen, wie sie den Energieträger so wirtschaftlich wie möglich in ihre Prozesse einbinden wollen. Brügging formuliert zentrale Fragen: Wann ist an welcher Stelle und auf welchem Qualitätsniveau welche Energie gefordert? Welche Möglichkeiten der Stromerzeugung stehen vor Ort für die Wasserstoffproduktion zur Verfügung – von der eigenen PV-Anlage bis zum Windpark vorm Werkstor? Die BOOST-Software soll die komplexen kausalen Zusammenhänge auf den Schirm bringen, um die Entscheidungsfindung bei der Planung von Elektrolyseprojekten zu unterstützen. Weil sich im Zuge des Wasserstoffhochlaufs die technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen wohl ändern werden, werde die Software in den relevanten Parametern anpassbar, erläutert Brügging. „Wir brauchen die verlässlichen Planzahlen ja auch, um Vergleichswerte und künftige Kostenunterschiede zu fossilen Energieträgern zu ermitteln“, ergänzt Niehoff und fügt an: „Eine solches Programm hätte BEN-Tec allein nicht entwickeln können“. Dass sich Partner aus den Niederlanden am Teamwork für wirtschaftlichen Wasserstoff beteiligen, sieht der Ingenieur als großen Vorteil: So würden beispielsweise Daten für alle drei Elektrolyseverfahren erhoben. Brügging zufolge gibt der Austausch von Sichtweisen und Kompetenzen viele Impulse, die über das Projekt hinaus gehen. Für den Professor besonders bedeutend ist die Kooperation der niederländischen und deutschen Hochschulen – unter anderem, weil sie auch die Perspektive der Studierenden auf das Thema Wasserstoff erweitert. Brügging begrüßt, dass sich die Hochschulkooperationen mit anderen Netzwerken der Grenzregion unter dem Markendach „TECH.LAND“ jetzt zusammenfinden. Am Ende werde es im TECH.LAND-Programm darauf ankommen, die Menschen wirklich zusammenzubringen.