Interview

„Events fördern Zusammengehörigkeit“

„Das Thema Innenstadtentwicklung ist für mich eine Herzensangelegenheit“, sagt Christoph Berger, Inhaber des Modehauses Ebbers in Warendorf und Vorsitzender im Handelsausschuss der IHK Nord Westfalen. Im Interview erklärt er, wie die City ihren „Fanclub“ wieder vergrößern kann.
Herr Berger, wie kann der Einzelhandel dazu beitragen, dass Erlebniswert und Aufenthaltsqualität einer Innenstadt um ein paar Ideen besser werden?
Berger: Der Handel muss einen Mehrwert bietet, der über das Produkt hinaus geht. Es geht darum, eine Geschichte zum Produkt und dessen Erwerb zu erzählen, die weitergegeben wird. Es geht um Emotionalisierung des Einkaufserlebnisses und somit auch um Events. Studien zeigen, dass der Handel immer weniger Fans hat, weil die Highlights fehlen. Die Stadt lebt nicht von ihren Gebäuden und Waren, die angeboten werden, sondern von der Interaktion zwischen Menschen. Veranstaltungen und verkaufsoffene Sonntage sind vor diesem Hintergrund wichtige Highlights. Es sind Kristallisationspunkte, denn sie bringen an einem festen Termin viele Menschen zusammen und stärken somit die soziale Komponente der Innenstadt. Das ist wie in einer Familie: Events fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl, weil die Gemeinschaft in größerem Rahmen zelebriert wird.

Zugleich bieten Events den Geschäften ja gute Gelegenheit, das eigene Profil zu zeigen…
Berger: Deshalb sollten die Veranstaltungen auf den Markenkern des Unternehmens einzahlen. Am Weltfrauentag zum Beispiel haben zum Event „Women Only“ ins Modehaus Ebbers eingeladen. Ich habe also ein zentrales Thema mit vielen Facetten: Mode, Kosmetik, Schmuck, eine Zusammenkunft von Unternehmerinnen, ein Sportstudio für Frauen. Das alles haben wir zu einer Abendveranstaltung kombiniert. Noch ein Beispiel: Im vergangenen Jahr haben wir eine Fashionparty mit professionellem Model-Coaching und Tanztraining gemacht. Zu Gast waren Mitarbeitende eines Krankenhauses, darunter viele, die in Münster leben. Wir haben sie als Kunden für uns und für die Warendorfer Innenstadt gewonnen. Wir müssen die Menschen einfach zu Protagonisten unseres Geschäftes und somit zu Fans der Innenstadt machen. Und das schafft man nicht mit dem Sparstift.

Welche Maßnahmen legen Sie jedem Einzelhandels-Unternehmen ans Herz, damit die Innenstadt insgesamt Erwartungen erfüllen kann und zugleich die eigenen Wettbewerbschancen steigen?
Berger: Der erste Punkt ist die digitale Sichtbarkeit. Die Entscheidung für eine Stadt wird längst online getroffen. Die Menschen informieren sich per Smartphone, wo das beste Einkaufserlebnis zu erwarten ist. Deshalb muss ich auf vielen digitalen Kanälen zeigen, was gerade in meinem Geschäft los ist. Google ist am wichtigsten. Pflege dort die Daten, beantworte die Rezensionen. Dann die Nachbarschaft: Das Einfachste wäre, dass jedes Geschäft einer Innenstadt über die anderen eine gute Rezension schreibt. Dass man sich auf dem Weg der Digitalisierung gegenseitig unterstützt, sollte selbstverständlich sein. Denn die Geschäfte einer Innenstadt werden gemeinsam florieren oder gemeinsam niedergehen. Unterstützung zur Förderung der digitalen Präsenz geben auch IHK und Handelsverband. Ich kann nur empfehlen, die Angebote wahrzunehmen. Generell muss uns bewusst sein, dass die Erwartungshaltung der Kunden permanent steigt. Um so wichtiger die Frage: Was können die Kunden nach dem Shopping erzählen? Cappuccino getrunken und Bluse gekauft? Da brauchen wir zusätzliche Events, die eine Geschichte machen.

Wenn Sie ohne Rücksicht auf Restriktionen loslegen könnten, wie würden Sie die City umkrempeln, welche Ideen realisieren?
Berger: Ich würde beim Thema Erreichbarkeit ansetzen. Aufwand und Ertrag müssen ja aus Kundensicht in einem guten Verhältnis stehen. Erreichbarkeit und Erlebnisqualität sind nun einmal die beiden wichtigsten Stellschrauben. Drehen müssen wir an beiden. Es hilft ja nicht, wenn eine Innenstadt kostenlose Parkplätze bietet, aber dort sonst nichts los ist. Grundsätzlich machen wir es unseren Kunden noch viel zu schwer. An der Kasse anzustehen, die Sachen selbst nach Hause zu tragen: Das ist kein smarter, eleganter Prozess. Dabei bietet die Digitalisierung Lösungen, die den Kunden das Leben leichter machen kann. Darüber hinaus brauchen wir einfach mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum – gepflegte Innenstädte, die sicher und sauber sind. Außerdem müssen wir das Freizeit-Entertainment, das aus Gründen des Lärmschutzes und der Erreichbarkeit stark ausgelagert wurde, ins Zentrum zurückholen. Nur Shopping, Gastronomie und Wohnen reichen nicht mehr aus für eine belebte Innenstadt. Deshalb sollte auch der Anteil an Kulturangeboten stark steigen. Kultur ist meist kein Ertragsbringer, aber ein Frequenzbringer, der zum Gesamterlebnis beiträgt, denn Shoppen passiert heute oft nur nebenbei. Generell sehe ich ein Defizit an nichtkommerziellen Angeboten. Warum haben wir kaum noch Spielplätze in der Innenstadt? Ja, sie bringen kein Geld und sind pflegeaufwändig. Aber wir brauchen sie, wenn wir für Familien attraktiv bleiben wollen. Gleiches gilt für die Barrierefreiheit. Über großes grobes Kopfsteinpflaster kommt man nicht weit mit Rollator. Ich bin froh, dass in Warendorf ein neuer Belag geplant ist und jetzt in die Umsetzung geht. Dies bietet eine gute Chance, das Erlebnis der Innenstadt zu steigern. Welche Gebäude können wir einem neuen Zweck in den Innenstädten zuführen? In Warendorf wird über die Zukunft der Marienkirche diskutiert und die Aktivierung der Emsinsel. Hier muss jede Option zur Stärkung der Innenstadt gefunden und umgesetzt werden.
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