Interview

"Ein nachhaltiges Energieversorgungskonzept wird Bestandteil jeder größeren Sanierungs- und Neubauplanung sein."

Bereits seit 35 Jahren ist Heinz Pöhler auf dem Gebiet der Energieversorgung und Energieeffizienz unterwegs. Im Interview spricht der Leiter des Steinbeis ­Beratungs­zentrums 4IES und des Steinbeis-Kompetenzzentrums Nachhaltige Energien KNE darüber, was Unternehmen gerade besonders beschäftigt, erzählt aus seinem Erfahrungsschatz im Bereich Planung und Design von Energiesystemen und wagt einen Blick in die Zukunft.

Herr Pöhler, wann wurde das Thema Energieeffizienz bei Unternehmen relevant?

Vor der Energiekrise lag der Anteil der Energiekosten im einstelligen Bereich. Je nach Unternehmensphilosophie war das Thema vor allem bei den kleinen und bei Betrieben in energieintensiven Branchen schon zuvor von Bedeutung. Durch die jüngsten Entwicklungen rückt das Thema aber bei allen Unternehmen in den Fokus.

Im Rahmen des Klimaschutzes wur­den eine Reihe von Gesetzen und Ver­ordnungen erlassen, die Unternehmen und Privatleute zu Energieeffizienz und nachhaltigem Gebäudebau zwingen. Hinzu kam eine Kostenexplosion bei der Energiebeschaffung. Wie spüren Sie das in Ihrer täglichen Arbeit?

Der Klimawandel und die Erkenntnis, dass Der Klimawandel und die Erkenntnis, dass jetzt gehandelt werden muss, um die Bürde für die nachfolgende Generation zu minimieren, ist bei vielen Unternehmen angekommen. Energie in Maß und zu relativ günstigen Preisen ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Ablösestrategien von fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien sowie Untersuchungen zur Versorgungssicherheit haben Konjunktur. Durch die hohen Energiepreise rechnen sich Energieeffizienzmaßnahmen und Investitionen in alternative Energieerzeugung trotz steigenden Systemkosten sehr viel besser.

Welche Themen stehen bei den Unternehmen im Vordergrund?

Im Vordergrund der Unternehmen steht in den meisten Fällen die Standortsicherung: Wie kann ich meine Energiekosten nachhaltig reduzieren? Wie komme ich sogar zu einer CO2- neutralen Produktion? Basis hierfür bilden Analysen zu Einsparpotenzialen und individuelle Ablösestrategien. Investitionen in Energiemanagement- oder Energiemonitoring-Systeme werden zur Erfüllung staatlicher, förderrelevanter Auflagen oder Steuerrückerstattung nachgefragt und bilden das Fundament jeglichen Nachhaltigkeitsreportings.

Das Thema energieeffizienter und nach­haltiger Gebäudebau stand gefühlt eher immer hinten an, wobei es sicher zwi­schen Sanierungen von Bestandsgebäu­den und Neubauten zu unterscheiden gilt: Wie sind hier ihre Erfahrungen?

Es sollte vor allem zwischen der Gebäudehülle und Gebäudetechnik unterschieden werden. Bei einer zu sanierenden Gebäudehülle oder einem Neubau sind ohnehin relativ hohe Energiestandards einzuhalten. Mehrinvestitionen in höhere Isolierstandards sollten mit dem dadurch reduzierten Heiz- und Kühlbedarf und der Energiekosteneinsparung abgeglichen werden. Investitionen in die Gebäudetechnik oder in Querschnittstechnologien wie zum Beispiel Heizung, Abluft oder Klima- und Kältetechnik in Verbindung mit Wärmerückgewinnung oder in Kombination mit erneuerbarer Energie lassen sich energetisch und wirtschaftlich besser darstellen. Bei Austausch und Neuinstallation von Heizsystemen wird ohnehin ein erneuerbarer Energieanteil gesetzlich vorgeschrieben.

Es gibt eine ganze Reihe von Förderprogrammen zum Thema Energieeffizienz, Gebäudebau und Sanierung …

Bei einer energetischen Sanierung der Bausubstanz liegen ohne staatliche Förderung die Amortisationszeiten im hohen zweistelligen Bereich. Durch die Kürzung der Förderung von hocheffizienten und nachhaltigen Neubauten und zusätzlichem Zertifizierungsaufwand sind die Investitionen in diese Kategorie mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. Kleine und mittelständische Unternehmen sowie Kommunen haben Anspruch auf bis zu 80 Prozent geförderte energetische Bestandsaufnahme. Größere Unternehmen profitieren von bis zu 50 Prozent geförderten Transformationskonzepten zur Reduzierung ihres CO2-Fuß-abdrucks.

Förderprogramme bedeuten oft einen hohen bürokratischen Aufwand und Verzögerung von Maßnahmen.

Den meist hohen bürokratischen Aufwand kann ich bestätigen. Mit geförderten Maßnahmen darf erst begonnen werden, wenn vorher ein Antrag gestellt worden ist – und die Antragstellung führt unweigerlich zu Verzögerungen. Wir wägen daher vorher ab, ob die zu erwartende Fördersumme die Verzögerung aufwiegt.

Wie gehen Unternehmen damit um?

Einfache Anträge können von den Unternehmen selbst gestellt werden. In vielen Förderprogrammen wird ein Energieberater zur Ermittlung der Einsparpotenziale vorgeschrieben. Daher empfiehlt es sich, so früh wie möglich einen Energieberater einzuschalten. Dabei sollte auf eine herstellerneutrale Beratung geachtet werden. Von uns wird meistens anschließend die Antragstellung als Dienstleistung mit angeboten.

Wagen Sie einen Ausblick ? Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung?

Zum Erreichen der Klimaziele wird sich der Druck der Politik zum Energiesparen und verpflichtenden Einsatz von erneuerbaren Energien erhöhen. Durch die EU-Taxonomie werden börsennotierte Unternehmen und Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zu standardisierten Nachhaltigkeits-Reportings mit vorgegebenen Kennzahlen verpflichtet. Dieses Reporting wird auch die Zulieferer der Großfirmen erfassen, also wird sich auch der Kleinbetrieb mit Nachhaltigkeit und Energieeinsparung beschäftigen. Energiepreise werden auf hohem Niveau bleiben, nicht zuletzt auch durch die CO2- Bepreisung. Ein nachhaltiges Energieversorgungskonzept wird Bestandteil jeder größeren Sanierungs- und Neubauplanung sein.
Interview: Regina Eckhardt