Fachartikel

Änderungen bei der Wärmeversorgung für gewerbliche Abnehmer

Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben verschärft und das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Das hat auch Auswirkungen auf die bisher überwiegend fossil geprägte Wärmeversorgung, mit denen sich gewerbliche Abnehmer dringend auseinandersetzen sollten.
Im Gegensatz zur Stromerzeugung, die inzwischen bereits zu knapp 50 Prozent aus regenerativen Quellen erfolgt, steht der Wärmesektor mit einem regenerativen Anteil von der-zeit nur gut 15 Prozent noch in den Startlöchern. Dies ist besonders schwerwiegend, da über die Hälfte der in Deutschland verwendeten Endenergie für die Wärmebereitstellung verwendet wird und das neue Klimaschutzgesetz sehr ambitionierte Zwischenziele für das Jahr 2030 (bezogen auf das Jahr 2020) vorgibt. Die Minderungsziele der CO2‐Emissionen betragen demnach 43 Prozent für den Gebäudesektor, 37 Prozent für den Industriesektor und 61 Prozent für den Energiesektor. Der durch den Gaslieferungsstopp Russlands hervorgerufene Energieengpass verschärft also nur den ohnehin erforderlichen Transformationsprozess. Um die Herkulesaufgabe der Reduktion der CO2‐Emissionen zu meistern, ist es nicht sinnvoll, einfach im großen Umfang von einer Öl- oder Gasverbrennung auf Holzfeuerungen umzustellen. Zum einen ist das Vorkommen von Brennholz dafür viel zu knapp, zum anderen hat das EU-Parlament im September 2022 beschlossen, dass Holz ab 2030 nicht mehr zu den regenerativen Energieträgern zählt. Wasserstoff und wasserstoffbasierte Brennstoffe benötigen zu ihrer Herstellung große Men-gen erneuerbarer Energie und werden auf lange Zeit für die stoffliche Nutzung und für Hoch-temperatur-Prozesswärme reserviert bleiben.

Transformation der Wärmenetze

Damit stellt sich die Frage nach Alternativen und gangbaren Lösungswegen für Gebäudebeheizung, Warmwasserbereitung und ähnliche Wärmenutzungen. Da die Effizienz von Wärmepumpen jedoch mit steigendem Niveau der Versorgungstemperatur abnimmt, ist deren Anwendung speziell im Gewerbebereich oft kritisch. Damit erscheint zunächst der Anschluss an ein Wärmenetz, soweit möglich, eine sinnvolle Alternative für Gewerbetreibende zu sein. Aber auch hier ist Weitsicht geboten. In der engeren Bilanzgrenze der Emissionen ausschließlich am Betriebsstandort (Scope 1) ist man mit Wärmebezug aus einem Wärmenetz zwar CO2-neutral, aber die nach außen verlagerten Emissionen werden bei der gebotenen erweiterten Bilanzierung (Scope 1 + 2) wieder dem Unternehmen angerechnet. Und im deutschen Fernwärmesystem beträgt der Anteil regenerativer Energieerzeugung derzeit gerade einmal 18 Prozent. Auch für die Wärmenetze muss somit zwingend ein Transformationspfad eingeleitet werden, der nicht ohne Veränderungen auch bei den Endkunden, sprich Wärme‐Abnehmern, einhergehen wird. Denn auch die Wärmenetzbetreiber können nicht ausschließlich auf die Verbrennung von Abfall und biogenen Stoffen setzen, sondern müssen vermehrt Wärmepumpen, tiefe (hydrothermale) Geothermie und Solarthermie einsetzen – Technologien, deren Wärmegestehungskosten, Effizienz und Funktion auf hinreichend niedrige Betriebstemperaturen angewiesen sind.
“Die Kosten für Wärme hängen vom benötigten Temperaturniveau ab.”

Sinnvolle Kaskadennutzung von Wärme

Folglich werden die Kosten für zukünftige Wärme aus erneuerbaren Energiequellen nicht nur von der Menge, sondern auch vom benötigten Temperaturniveau abhängen. Daraus ergibt sich für Gewerbe- und Industriebetriebe die Notwendigkeit, nicht nur den Verbrauch an Nutzenergie zu reduzieren, sondern zukünftig mit möglichst niedrigeren Versorgungstemperaturen zurechtzukommen. Dies eröffnet oder erweitert aber gleichzeitig die Möglichkeiten einer Kaskadennutzung von Wärme, indem zum Beispiel Abwärme aus Hochtemperaturprozessen zunächst im eigenen Betrieb auf niedrigerem Temperaturniveau wiederverwendet wird, was Kosten, CO2-Emissionen und Ressourcen spart. Und aus dann noch überschüssiger Abwärme kann sogar ein Geschäftsmodell wer-den, indem diese in (Niedertemperatur-)Wärmenetze eingespeist wird und so die regenerativen Quellen unterstützt und entlastet. Beruhigend darf hier angemerkt werden, dass bei einer Reduzierung der Bezugsleistung schon mit bestehenden Anlagen-Systemen die Versorgungstemperatur erheblich gesenkt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es zielführender, zunächst Energieeinsparmaßnahmen umzusetzen, bevor eine Umstellung der Anlagen vorgenommen wird.
Prof. Dr.-Ing. Alexander Floß, Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff, Hochschule Biberach