Überwachungspflichten auch beim Auftraggeber

Haftung bei Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeitverstößen

Auf Basis des Artikel 10 der VO (EG) Nr. 561/2006 wurden im § 20a der Fahrpersonalverordnung (FPersV) Regelungen vorgenommen, durch die alle am Zustandekommen und an der Durchführung eines Transports oder einer Personenbeförderung Beteiligten, also auch die Auftraggeber, in die Verantwortung zur Einhaltung der Lenk- und Ruhezeitvorschriften eingebunden werden. Die Auswirkungen dieser Verantwortungsausweitung werden in der Praxis regelmäßig unterschätzt.
Nach dem Willen des Gesetzgeber sollen auch Unternehmer, Verlader, Spediteure, Reiseveranstalter, Hauptauftragnehmer, Unterauftragnehmer und Fahrervermittlungsagenturen dafür Sorge tragen, dass die Beförderungspläne nicht gegen die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verstoßen. Somit ist der Kreis der Verantwortlichen wesentlich erweitert. Besonders betont wird die Verantwortung des (ausführenden) Unternehmers, die Fahrten so zu planen, dass die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben sichergestellt ist. Auch aus dieser Vorschrift folgt, dass der Fahrer vom Unternehmer grundlegend eingewiesen und regelmäßig überprüft werden muss, also insbesondere dahingehend, ob die Sozialvorschriften verinnerlicht sind und auch eingehalten werden*.
Gemäß FPersV müssen die an der Beförderungskette beteiligten Unternehmen die Einhaltung der Vorschriften gewährleisten und sich dazu abstimmen und zusammenarbeiten. Auftraggeber haben sogar dafür Sorge zu tragen, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen die Vorschriften einhält, was vor dem Vertragsabschluss und während der Vertragslaufzeit bedingt, sich regelmäßig darüber zu vergewissern und darauf hinzuwirken, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen aufgrund seiner personellen und sachlichen Ausstattung sowie seiner betrieblichen Organisation in der Lage ist, die vorgesehenen Transportaufträge unter Einhaltung der Vorschriften durchzuführen. Offen ist in diesem Zusammenhang, wie sich diese fahrpersonalrechtlichen Anforderungen beziehungsweise Vorschriften mit anderen rechtlichen Regelungen, vor allem dem (Mitarbeiter-) Datenschutz, vereinbaren lassen. Egal in welcher Form ein solcher Informationsfluss stattfindet, sollte stets eine entsprechende Dokumentation stattfinden und die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben sichergestellt sein.
Verstoßauswertung und Verbesserungsmaßnahmen sind besonders wichtig
Insbesondere wenn die Verstöße über einen längeren Zeitraum hinweg stattfinden oder wenn die Organisation einer Beförderung einen Verstoß „erzwingt”, sind neben Bußgeldern auch verwaltungsrechtliche und auch strafrechtliche Konsequenzen zu erwarten. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Risikoeinstufungsverfahren, das Unternehmen des gewerblichen Güterkraftverkehrs beziehungsweise Personenverkehrs** im Fokus hat. In diesem Überwachungs- und Sanktionierungssystem spielen neben dem Fahrpersonalrecht viele weitere Rechtsgebiete eine Rolle (unter anderem Arbeitszeitrecht, Marktzugangsrecht, Gefahrgutrecht, Berufskraftfahrerqualifikationsrecht, Straßenverkehrsrecht (Maße und Gewichte)).
Um im Fahrpersonalrecht den Anforderungen nachzukommen, ist neben einer rechtskonformen und konservativen bzw. die jeweiligen verkehrlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Disposition vor allem das Auswerten ausgelesener Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten eine wesentliche Pflicht des Unternehmens. Die Daten müssen auf Verstöße, Kenntnis- oder Bedienfehler und auch auf Manipulationsanzeichen hin überprüft werden. Dazu ist in aller Regel eine leistungsfähige Software einzusetzen. Neben vielen weiteren Punkten sollten bei der Verstoßauswertung und fahrzeugbezogenen Kontrollen auch folgende Fragestellungen eine Rolle spielen:
  • Gibt es „unbekannte” Zeiten und Fahrten, die ohne gesteckte Fahrerkarte durchgeführt wurden? Warum finden solche Fahrten statt? Dazu sind die Massenspeicher- und die Fahrerkartendaten „übereinanderzulegen”.
  • Tauchen unbekannte Fahrzeuge (also Kfz-Kennzeichen) in den Daten auf? Handelt es sich um Nebentätigkeiten der Fahrer, von denen der Unternehmer nichts weiß?
  • Sind Fahrerkartendaten vorhanden, die es eigentlich nicht geben dürfte? Werden Fahrerkarten illegal eingesetzt? Sind Fahrerkartendaten eines Fahrers vorhanden, der in diesem Zeitraum abwesend (Urlaub oder Krankheit) oder anderweitig, zum Beispiel im Lager, eingesetzt war?
  • Sind die Massenspeicherdaten von gegebenenfalls eingesetzten Mietfahrzeugen vorhanden?
  • Bestehen Verdachtsmomente für Manipulationen an Fahrtenschreibern (einschlägige Störungs- oder Ereignismeldungen, sprunghaft ansteigende Geschwindigkeiten, anderweitig unplausible Daten, ...)?
  • Sind bei den Fahrtenschreibern, die über ein zweites Geschwindigkeitssignal verfügen müssten, diese Informationen vorhanden? Wenn nicht – Warum?
Sofern eine Ursache für Verstöße identifiziert werden kann, sind (unverzüglich/zeitnah/kurzfristig) wirksame Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die geeigent erscheinen, die Verstoßursache zu beseitigen. Adressaten dieser Maßnahmen können insbesondere Unternehmensleitung, Verkehrsleiter, Fuhrparkleiter, Disponenten und Fahrer des Unternehmens sein.
Maßnahmen können auch Gespräche mit Kunden/Verladern sein, die Änderungen in den Abläufen zum Ziel haben. Oder eine Schulung der im Unternehmen Verantwortlichen bezüglich der Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeitvorschriften. Bei Fahrern und Disponenten besteht zudem oft die Möglichkeit, oberflächliches Wissen durch Detailwissen zu ersetzen. Stets spielt für die Fahrer die Kenntnis der richtigen Bedienung des im Einzelfall verwendeten Fahrtenschreibers eine wichtige Rolle – die Präzisierung der Unternehmerpflichten in diesem Zusammenhang im Artikel 33 der VO (EU) Nr. 165/2014 sollte sehr ernst genommen werden.
Die Auswertung sollte monatlich erfolgen
Anhaltspunkte für diese recht kurzen Fristen sind etwa im Artikel 10 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 561/2006 oder im just angesprochenen Artikel 33 der VO (EU) Nr. 165/2014 im Absatz 1 nachzulesen. Klare gesetzliche Vorgaben bestehen nicht - unsere Empfehlung orientiert sich an einer Auslegung des Begriffs „regelmäßig” im Sinne der Obliegenheiten eines ordentlichen Kaufmanns.
Alle Prozessschritte, Erkenntnisse und Maßnahmen (samt ihrer Umsetzung) sind zu dokumentieren. Alles, was nicht dokumentiert ist, hat (bis zum Beweis des Gegenteils) nicht stattgefunden ...
Ob es sinnvoll ist, Fahrern Verstoßauswertungen zur Unterschrift vorzulegen***, muss jeder Verantwortliche selbst entscheiden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dürfte jedem klar sein, dass dieser Vorgang für sich gesehen keine Maßnahme zur Beseitigung von Verstoßursachen darstellt.
Nach den §§ 8 und 8a des Fahrpersonalgesetzes können Bußgelder von bis zu 30.000 Euro festgesetzt werden. Dies ist natürlich der Maximalsatz, der bei geringfügigen oder erstmaligen Verstößen sicher nicht zum Ansatz kommen wird. Finden Pflichtverletzungen im Bereich der Aufsichtsmaßnahmen vorsätzlich oder fahrlässig statt, können die Behörden eine Ahndung über den § 130 OWiG anstreben, dessen Strafrahmen Bußgelder von bis zu einer Million Euro vorsieht. Den „Bußgeldkatalog” für fahrpersonalrechtliche Verstöße, der auch sehr viele interessante Hintergurndinformationen und Berechnungsbeispiele bereithält, finden Sie auch auf der Website des BAG. Verstöße gegen arbeitzeitrechtliche Vorschriften werden, soweit der Arbeitnehmer diese nicht vorsätzlich (entgegen der Weisungen des Arbeitgebers) begangen hat, grundsätzlich nur gegenüber dem Arbeitgeber geahndet. Für fahrpersonalrechtliche Verstöße, für die neben dem Unternehmer auch der Fahrer Verantwortung trägt (was den Regelfall darstellt), wird der Unternehmer gegenüber dem Fahrer in aller Regel mit dem dreifachen Bußgeldbetrag konfrontiert.
Grundsätzlich erscheint es ratsam, sich als Unternehmen proaktiv mit den zuständigen Aufsichtsbehörden in Verbindung zu setzen und einen möglichst vertrauensvollen und professionellen Austausch zu pflegen.
Stand: September 2020
* Bei „Berufskraftfahrern”, also Personen, deren Haupttätigkeit im Lenken aufzeichnungspflichtiger Fahrzeuge besteht, sollten die Daten innnerhalb kurzer Fristen (in aller Regel wöchentlich) ausgelesen werden. Das hat insbesondere damit zu tun, dass beispielsweise die Lenkzeit in der Doppelwoche reglementiert ist und eine rechtskonforme Disposition nur dann möglich ist, wenn dem Unternehmen die Daten der Vorwoche bzw. der relavanten Zeiträume bekannt sind. Bei Fahrern die unregelmäßig/nur selten/nur in geringem Umfang aufzeichnungspflichitge Fahrten durchführen, können die Auslesefristen auch länger sein. Das gesetzliche Maximum von 28 Kalendertagen seit dem letzten aufgezeichneten Ereignis muss aber in jedem Fall eingehalten werden. Weiterführende Informationen zum Thema Auslesen von Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten finden Sie im spezifischen Artikel. Die Überprüfung der Daten im Sinne einer detaillierten Auswertung sollte monatlich erfolgen. Dazu gehört in den entsprechenden Abständen auch das „Übereinanderlegen” von Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten.
** Unternehmen, die Güter im Sinne eines Werkverkehrs befördern oder Personen im Rahmen rein nationaler Regelungen bzw. aufgrund von Freistellungen ohne Genehmigung befördern, unterliegen nicht dem spezifischen Risikoeinstufungsverfahren. Hier sind jedoch (Teil-) Gewerbeuntersagungen möglich.
*** Wenn, dann bitte als qualifiziertes Dokument in dem Sinne, dass die Beteiligten/Betroffenen auf dem Papier schriftlich darlegen, warum es zum Verstoß gekommen ist und welche Maßnahme deshalb nun ergriffen wird.