Sozialvorschriften

Auslesen von Fahrerkarten und Fahrtenschreibern

Beim Thema Auslesen von Fahrerkarten und Fahrtenschreibern ergibt sich durch die Verordnung (EG) Nr. 581/2010 „zur Festlegung der Höchstzeiträume für das Herunterladen relevanter Daten von Fahrzeugeinheiten und Fahrerkarten” eine praxisrelevante Auslegung und teilweise auch Klarstellung der Vorschriften. Einerseits bleibt es bei den bekannten Fristen - nur spricht die Verordnung nicht (wie die Fahrpersonalverordnung in § 2 Absatz 5) von Kalendertagen, sondern nur von Tagen.
Zitat Artikel 1 Nummer 3 der VO (EG) Nr. 581/2010:
„Die Höchstzeiträume, innerhalb denen die relevanten Daten heruntergeladen werden müssen, betragen:
a) 90 Tage für Daten der Fahrzeugeinheit (Anm.: = Fahrtenschreiber);
b) 28 Tage für Daten der Fahrerkarte.”
Im Erwägungsgrund Nummer 3 der selben Verordnung wird der Wille des EU-Gesetzgebers präzisiert:
„Zur Bestimmung der Höchstzeiträume für das Herunterladen von Daten sollten lediglich die Tage gezählt werden, an denen eine Tätigkeit aufgezeichnet wurde.”
Bei einem unregelmäßigen und seltenen Einsatz von entsprechenden Fahrzeugen (vor allem im Werkverkehr) hätte sich also die Chance ergeben, die betroffenen Unternehmen und Fahrer ein wenig von Alltags-Bürokratismen zu entlasten. Im Zuge der turnusmäßig stattfindenden „Länder-Referenten-Besprechung” zum Fahrpersonalrecht, bei der sich Vertreter der Länder, des Bundes und im Thema involvierter Bundesämter über die Auslegung der Vorschriften beraten, wurde jedoch festgelegt, dass die Daten der Fahrerkarte spätestens 28 Kalendertage und die Daten des Fahrtenschreibers spätestens 90 Kalendertage „nach einem aufgezeichneten Ereignis auszulesen” sind. Diese Auslegung soll sicherstellen, dass ein Datenverlust durch Überschreiben der „ältesten” Daten verhindert wird.
Die Befürchtung, dass es zu einem Datenverlust kommen könnte, wenn nur die Tage gezählt werden, an denen Ereignisse aufgezeichnet wurden, erscheint sachlich betrachtet nicht geeignet, um in Deutschland gegenüber dem EU-Gesetzgeber eine abweichende Sichtweise einzunehmen. Nur unter dem Gesichtspunkt, dass eine regelmäßige Auslesung das Unternehmen erst in die Lage versetzt, einen Überblick über die Tätigkeit der Fahrer zu erlangen und vor allem Bedienfehler oder gar Manipulationen erkennen zu können, kann diese Forderung nachvollzogen werden.
Für die Praxis bedeutet dies, dass mit dem ersten aufgezeichneten Ereignis nach dem letzten Auslesen der Fahrerkarte oder des Fahrtenschreibers die entsprechende Frist zu laufen beginnt. Nutzt ein Fahrer seine Fahrerkarte beispielsweise nur alle 14 Kalendertage für eine aufzeichnungspflichtige Fahrt, beträgt der maximale Zeitraum zwischen den Ausleseterminen 42 Tage.
Beispielrechnung:
Kalendertag X: Auslesen am Abend nach der Fahrt
Kalendertag 14: erste aufzeichnungspflichtige Fahrt seit dem Auslesen am Tag X
Kalendertag 28: zweite aufzeichnungspflichtige Fahrt
Kalendertag 42: dritte aufzeichnungspflichtige Fahrt und gleichzeitig Stichtag für das erneute Auslesen, da das erste aufgezeichnete Ereignis (vom Kalendertag 14) nun 28 Kalendertage zurückliegt.
TIPP 1: Derartig lange Auslesefristen erscheinen aber nur in den Fällen ratsam zu sein, in denen der Fahrer sehr unregelmäßig im Einsatz ist und die zur Verfügung stehenden Zeitkontingente nicht ansatzweise ausschöpft. Dies wird vor allem bei Aushilfsfahrern und bei Werkverkehrsunternehmen mit unregelmäßigem oder geringfügigem Fahrzeugeinsatz der Fall sein. Fahrer, die täglich Aufzeichnungen erzeugen, sollten Ihre Fahrerkarte wöchentlich oder zumindest in deutlich kürzeren Zeiträumen als nur alle 28 Tage zum Auslesen aushändigen. Ansonsten ist eine wirksame Kontrolle der kalenderwöchentlichen Lenkzeiten nicht möglich. Wer diese Informationen nicht hat, kann auch bezüglich der Lenkzeit in der Doppelwoche nicht rechtskonform disponieren. Gleiches gilt bezüglich der wöchentlichen Ruhezeit und der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben im Kontext verkürzter Wochenruhezeiten und der daraus in aller Regel resultierenden Ausgleichspflichten.
Hier können auch die diversen am Markt verfügbaren Lösungen für die (jederzeitige) Fernauslesung der Fahrerkarte hilfreich sein.
TIPP 2: Werden sehr selten aufzeichnungspflichtige Fahrten durchgeführt, zum Beispiel nur alle zwei Monate, sollte die Fahrerkarte direkt nach der Fahrt ausgelesen werden. Diese Vorgehensweise verringert das Risiko, die Auslesefrist zu überschreiten und erleichtert den Lückenschluss in der fahrpersonalrechtlichen Dokumentation des Fahrers vor dem erneuten Fahrtantritt.
TIPP 3: Sofern im Unternehmen Fahrzeuge mit dem seit Mitte Juni 2019 in Neufahrzeuge eingebauten „intelligenten” Fahrtenschreiber eingesetzt werden oder Fahrer eine Fahrerkarte der Generation 2 besitzen/einsetzen, ist zu prüfen, ob die im Unternehmen eingesetzte Hard- und Software in der Lage ist, die Daten vollständig herunterzuladen
Bezüglich dem Auslesen von Massenspeicherdaten aus dem Fahrtenschreiber kann die 90-Tage-Frist grundsätzlich als Standardturnus angesetzt werden - kürzere Ausleserhythmen erscheinen nur in sehr wenigen Fällen ratsam. Unverzüglich sollte der Massenspeicher inklusive Geschwindigkeitsdaten jedoch ausgelesen werden bei besonderen Ereignissen wie Verkehrsunfällen, Güterschäden (aufgrund mangelhafter Ladungssicherung) oder wenn infolge einer Geschwindigkeitsüberwachung Indizien bestehen, dass die Daten zur Entlastung des Beschuldigten beitragen können. Das Auslesen des Massenspeichers dient in diesen Fällen insbesondere auch dazu, die Geschwindigkeitsdaten sicherzustellen, die üblicherweise bereits nach 24 kumulierten Lenkstunden überschrieben werden* und die im Zuge einer rechtlichen Auseinandersetzung hilfreich sein können. Dabei ist darauf zu achten, dass einige Downloadtools so eingestellt sind, dass die Geschwindigkeitsdaten NICHT heruntergeladen werden. Dies wird, nicht zuletzt um die Downloaddauer zu reduzieren, durch die Verordnung explizit legitimiert, ist in den vorgenannten Fällen aber nicht sinnvoll.
Beim Einsatz von Mietfahrzeugen muss vor der Rückgabe des Fahrzeuges unbedingt der Massenspeicher ausgelesen werden (Unternehmenskarte und Downloadkey nicht vergessen!). In manchen Fällen können die Daten auch vom vermietenden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden - wurde jedoch nach den gesetzlichen Vorgaben vorgegangen (Aktivierung der Unternehmenssperre mithilfe der Unternehmenskarte bei Übernahme des Fahrzeugs und deren Aufhebung im Zuge der Rückgabe), ist es dem Vermieter jedoch grundsätzlich nicht möglich, auf diese Daten zuzugreifen. Ergänzende Informationen zum Einsatz von Mietfahrzeugen finden Sie in unserer Broschüre „Sozialvorschriften im Straßenverkehr” (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1893 KB).
Keine Änderung ergibt sich bei dem Umstand, dass eine vorhandene Fahrerkarte bei aufzeichnungspflichtigen Fahrten stets mitzuführen ist, also auch in den Fällen, in denen im mitführungspflichtigen Zeitraum gar kein Fahrzeug mit digitalem Fahrtenschreiber gelenkt wurde oder im Fuhrpark überhaupt vorhanden ist.
Unternehmen, die sich der Ausleseprozeduren entledigen wollen, können auf Dienstleister zurückgreifen. Dabei muss aber bedacht werden, dass der Gesetzgeber es als Hauptaufgabe des Unternehmens ansieht, die Daten auszuwerten und insbesondere bei Verstößen und Bedienfehlern (zum Beispiel keine (korrekten und lückenlosen) manuellen Nachträge, keine Eingabe des Landes bei Stecken und Ziehen der Karte, keine Abfahrtskontrolle dokumentiert, etc.) wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Verstoßbegehung bzw. die Fehlbedienung künftig zu unterbinden. Diese Kernpflicht kann nicht wirklich wirksam delegiert oder an einen Dienstleister übertragen werden.
Grundsätzliche Hinweise:
  • Durch das Auslesen von Fahrerkarten- oder Massenspeicherdaten werden die dort vorhandenen Daten nicht gelöscht. Es befinden sich also stets Daten von weitaus längeren Zeiträumen auf den Datenträgern. Vorteil davon ist, dass auch versäumte Auslesetermine nicht direkt dazu führen, dass die Daten nicht mehr heruntergeladen werden können und Lücken im Datenbestand entstehen.
  • Das Auslesen der Daten ist alleinige Pflicht des Unternehmens. Der Fahrer muss lediglich seine Fahrerkarte gemäß der Anforderung durch das Unternehmen aushändigen. Das Unternehmen kann die Fahrerkarten natürlich auch in deutlich kürzeren Fristen als den gesetzlichen auslesen, im Zweifel täglich.
  • Bei größeren Unternehmen oder wenn die Bürozeiten nicht mit den Anwesenheitszeiten der Fahrer übereinstimmen, sind Download-Terminals für die Fahrerkarten (in Verbindung mit einer RFID-Chip-basierten Führerscheinkontrolle) oft eine gute Lösung.
  • Aufzeichnungspflichtige Fahrten mit Fahrzeugen, in die ein digitaler Fahrtenschreiber eingebaut ist, können nur durchgeführt werden, wenn der Fahrer im Besitz seiner Fahrerkarte ist. Wurde die Fahrerkarte zuhause vergessen, muss diese vor Fahrtantritt beschafft werden.
  • Fahrer, die keine Fahrerkarte (mehr) benötigen, können diese bei der ausstellenden Behörde/Institution zurückgeben (oder im Zweifel Defekt machen und dann den Defekt der zuvor genannten Stelle melden).
* Neuere Fahrtenschreiber können (Gegebenenfalls erst nach Aktivierung dieser Funktion) auch wesentlich längere Zeiträume speichern - an der grundsätzlichen Thematik ändert dies jedoch nichts.
Durch das am 31. Juli 2020 veröffentlichte Mobilitätspaket I, darunter insbesondere durch die Verordnung (EU) 2020/1054, ergeben sich zum 31. Dezember 2024 Veränderungen bei der Mitführungspflicht von fahrpersonalrechtlichen Dokumenten bei aufzeichnungspflichtigen Fahrten (vgl. Artikel 36 der VO (EU) Nr. 165/2014 neu). Ab diesem Tag müssen die Fahrer in Kontrollen lückenlose Nachweise für den aktuellen und die vorausgehenden 56 Kalendertage vorweisen können. Ob sich durch diese Ausweitung auch eine Veränderung bei den Auslesefristen der Fahrerkarten ergeben, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Die oben genannte Verordnung (EG) Nr. 581/2010 wurde im Zuge der jüngsten gesetzlichen Anpassungen jedenfalls nicht geändert.
Stand: August 2020