Wie steht es um die Wirtschaft in Stralsunds Innenstadt?
Die einen geben auf, andere sind frustriert – Einzelhändler im Zentrum der Hansestadt fürchten um ihre Zukunft. Wie konnte es dazu kommen? Was wünschen Sie sich und was sagt die Stadtverwaltung?
Touristen sorgen für Hauptumsatz
Peter Hoffmann liegt seine Stadt am Herzen. Gemeinsam mit seiner Frau Katrin betreibt er in Stralsund die Strandläufer Verlagsbuchhandlung. Das Geschäft befindet sich direkt in der Altstadt, im Museumshaus. Die Hoffmanns begreifen sich nicht nur als Händler, sondern auch als Menschen mit Verantwortung für ihre Stadt, speziell für deren Zentrum. Schon länger beklagen sie das Wegbrechen inhabergeführter Geschäfte und hätten nach eigener Aussage diverse Male versucht, sich bei der Stadt Gehör zu verschaffen. Sie fühlen sich allein gelassen.
Peter und Katrin Hoffmann haben den Buchladen im Museumshaus
in der Stralsunder Altstadt 2014 eröffnet.
© IHK zu Rostock
„Der Leerstand nimmt zu, das ist nicht zu leugnen“, sagt Peter Hoffmann. „Auch unsere Kunden, die von außerhalb kommen, sprechen uns bereits darauf an.“ Seine Buchhandlung profitiere vor allem von Touristen. Ohne die würde es finster aussehen, sagt er. Die Gründe dafür sind an verschiedenen Stellen zu suchen, sagt er. Nicht genügend Parkplätze, zu hohe Mieten, zu wenig Priorität auf Entwicklungsmöglichkeiten. Er habe das Gefühl, dass die Altstadt bald nur noch aus „Kette oder Leerstand“ bestehen wird. „Ob das zum Bummeln einlädt, weiß ich nicht.“
Mit dem Agebot im Strelapark zu konkurrieren, ist für uns in der Innenstadt ziemlich schwierig.Peter Hoffmann, Inhaber Strandläufer Verlagsbuchhandlung
Die Erweiterung des Strelaparks – das Einkaufscenter soll bis Herbst 2025 um mehr als 5000 Quadratmeter wachsen und Raum für 20 neue Geschäfte bieten – sorgt ebenfalls für Sorgenfalten. „Damit zu konkurrieren, ist für uns in der Innenstadt ziemlich schwierig“, sagt Peter Hoffmann. Einheimische würden so gar nicht mehr ins Zentrum kommen, so würde die Abhängigkeit von den Touristen noch verstärkt.
Zu hohe Fixkosten, zu wenig Gewinne
In der Tat verändert sich aktuell einiges in Stralsund. So wird zum Beispiel im denkmalgeschützten „Alt Wertheim“, in dem bis vor Kurzem das Modehaus Jesske zu finden war, bald ein Netto-Markt eröffnet. Die Filiale ist nur fußläufig zu erreichen, Parkplätze kann das Unternehmen aufgrund der Lage nicht zur Verfügung stellen. Dennoch sei die Innenstadtlage sehr attraktiv für den Discounter, da so auch in urbaner Umgebung standortangepasst den Menschen vor Ort Nahversorgung geboten werden kann, heißt es aus dem Unternehmen.
Während an dieser Stelle Neues entsteht, muss an anderer Stelle Alteingesessenes weichen. Eine Unternehmerin, die seit 21 Jahren ihr Geschäft betrieb, 16 davon in der Altstadt, macht im März 2025 zu. „Es geht einfach nicht mehr“, sagt sie. Die Gründe? „Es gibt verschiedene. Ich muss unter anderem eine ordentliche Summe Coronanachzahlungen leisten. Außerdem sind die Nebenkosten so erhöht worden, dass die monatliche Belastung mittlerweile enorm ist.“
Wenn man bedenkt, wie hoch die Umsatz- und Gewerbesteuer für Unternehmen zudem ist – das ist ohne gute Umsätze einfach nicht zu stemmen.Einzelhändlerin aus Stralsund
Und all das vor dem Hintergrund ausbleibender Umsätze. 2024 sei es extrem gewesen. Die Leute würden ihr Geld immer mehr zusammenhalten. „Wenn man bedenkt, wie hoch die Umsatz- und Gewerbesteuer für Unternehmen zudem ist – das ist ohne gute Umsätze einfach nicht zu stemmen“, betont die Einzelhändlerin. So gehe es auch anderen und nach und nach würde sich der Charakter der Innenstadt immer mehr zum Negativen verändern.
Wiedervermietung von Gewerbeflächen dauert länger
Die offiziellen Zahlen der Stadt zeichnen in Bezug auf Leerstand ein optimistischeres Bild. Demnach sind in der 1a-Lage der Altstadt drei von insgesamt 93 Objekten vom Leerstand betroffen. In der 1 b-Lage steht eines von 28 Objekten leer und in der Nebenlage zehn von 105 Objekten (Stand 10. September 2024).
Wechsel der Händler gab es auch in den Vorjahren. Aber die Wiedervermietung der Flächen scheint längere Zeiträume einzunehmen.Peter Koslik, Stadtsprecher Stralsund
Eine verschärfte Situation ist das nicht, sagt Stadtsprecher Peter Koslik. „Wechsel der Händler gab es auch in den Vorjahren.“ Allerdings: „Die Wiedervermietung der Flächen scheint längere Zeiträume einzunehmen. Das betrifft insbesondere die 1b-Lage und die Nebenlage.“ Dass der Einzelhandel ein fester Bestandteil der Altstadt ist – und bleiben soll – betont der Stadtsprecher ebenfalls. Nutzungsformen wie die des Unternehmens Netto seien dort nur begrenzt denkbar, da in Anbetracht der historischen Struktur nur wenige großflächige Objekte vorhanden sind. „Es überwiegt der Einzelhandel in kleinen Gewerbeeinheiten“, betont Koslik.
Stadt plant Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität
Genau diese historische Struktur ist es, die Buchhändler Peter Hoffmann als den zentralen Punkt für die Vermarktung der Stralsunder Innenstadt sieht. Genau aus diesem Grund würden viele Besucher kommen, daher müsse man diese Struktur erhalten und die Leute gezielt dorthin lenken.
Um die Attraktivität und Aufenthaltsqualität zu steigern, gibt es temporäre Aktionen der Stadt, darunter das Projekt MobiHUB. Im September befragte die Stadt über das Marktforschungsunternehmen IFH Köln zudem Besucher und Touristen zu verschiedenen Schwerpunkten. „Die Ergebnisse werden sich in Handlungsfeldern für die Stadt widerspiegeln“, versichert Koslik. Jetzt schon fest geplant sind die Ausweitung der Fußgängerbereiche, mehr Grün, mehr konsumfreies Sitzen und mehr Außengastronomie.
Torsten Grundke, Geschäftsführer des MediaMarktSaturn im Strelapark und IHK-Vizepräsident, lobt die Bemühungen der Stadt: „In den vergangenen zehn Jahren wurde auch schon sehr viel gestaltet, von den Hafenterrassen bis zur Sundpromenade. All das zahlt auf die Attraktivität der Innenstadt ein.“
„Die Altstadt ist ein Einkaufszentrum unter freiem Himmel“
Dass die Händler schwierige Zeiten erleben, ist dennoch nicht von der Hand zu weisen, so Grundke. „Sie haben mit der Pandemie, gestiegenen Personal- und Energiekosten und der großen Kaufzurückhaltung Herausforderungen zu meistern, die ich so geballt in meiner gesamten Zeit als Unternehmer nicht erlebt habe.“ Nichtsdestotrotz müssen die stationären Händler eine Antwort auf diese Bedingungen parat haben, betont er weiter. „Vor allem, weil wir in Stralsund sehr gute Voraussetzungen haben. Der Status Weltkulturerbe, das neu gestaltete Meeresmuseum, das Rathaus und schöne Cafés und Restaurants - all das zieht schließlich sehr viele Menschen an.“
Ein Manko, das sich laut Grundke aus der Welt schaffen ließe, wären die aktuell noch nicht einheitlichen Öffnungszeiten der Läden. „Das gehört zu den Bedarfen der Kunden, dass alle Geschäfte gleich lang geöffnet haben. Das macht den Besuch der Innenstadt für mich verlässlich.“ Alles müsse besser zusammenpassen.
Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen. Wer nicht mitmacht, schadeet nicht nur sich, sondern auch den anderen Unternehmen.Torsten Grundke, Geschäfstführer MediaMarktSaturn und IHK-Vizepräsident
Buchhändler Peter Hoffmann beklagt selbst, dass das Gesamtbild in der Stralsunder Altstadt aktuell „nicht stimmig“ ist. Er wünsche sich daher, dass die Stadt ein Altstadtmanagement einrichtet. Auch Torsten Grundke sieht darin eine mögliche Lösung. Aber: „Die Händler müssen sich dann auch finanziell beteiligen. Wenn die Stadt die Stelle zahlt, dann sollte das Geld für den Werbe-Etat von den Unternehmen kommen.“ Nach diesem Prinzip arbeite auch der Strelapark.
„Die Altstadt muss verstehen, dass sie ein Einkaufszentrum unter freiem Himmel ist“, betont der Unternehmer. „Und um das zu leben, müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Wer da nicht mitmacht, schadet nicht nur sich, sondern auch den anderen Unternehmen.“
Christina Milbrandt
Kontakt
Jens Rademacher (GS Stralsund)
Grit Müller (GS Stralsund)